Jetzt doch: Scharia in Gaza

Als die radikal-islamische Gruppe Hamas die Macht im Gazastreifen gewaltsam an sich riss, erklärte sie, nicht das islamische Recht, die Scharia, durchsetzen zu wollen. Zwei Jahre später sieht die Sache anders aus: Die Bürger sollen sich an Kleiderregeln halten, Schulbücher mit Erwähnung des Holocaust sollen verboten werden.
Von PRO

Die Hamas hatte im Jahr 2006 die palästinensischen Parlamentswahlen gewonnen. Ein Jahr später übernahm sie die Kontrolle über den Gazastreifen und steht seitdem als Rivale der Fatah-Partei des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas gegenüber. Damals hieß es, die Hamas wolle die Scharia nicht in dem Küstenstreifen durchsetzen. Deswegen spottete Al-Qaida-Führer Ajman al-Sawahri damals, die Hamas sei verweichlicht und lächerlich.

Nun warnen Menschenrechtsgruppen, dass die Hamas die Scharia inoffiziell Schritt für Schritt einführe. Die Weltöffentlichkeit, die eher auf militante Palästinenser schaut, die Raketen auf Israel abfeuern oder Waffen schmuggeln, bekomme davon jedoch kaum etwas mit. Doch schon bei der Wahl der Hamas im Jahr 2006 stellte Hamas-Sprecher Hamed Bitawi klar: "Der Koran ist unsere Verfassung."

Das Nachrichtenmagazin "Newsmax" berichtete im Januar, dass Christen an Kreuze genagelt worden seien. Es beruft sich dabei auf arabische Presseberichte. Die Webseite von "Al-Arabiya" sowie die in London ansässige saudische Tageszeitung "Al-Hayat" berichteten, Dieben müssten gemäß der Scharia die Arme amputiert werden, und die Todesstrafe – etwa durch Kreuzigung – drohe jedem, der nach Meinung der Hamas "palästinensische Interessen" verletze – etwa durch Kollaboration mit Israel. "Die Anordnung der Hamas, Feinde des Islam ans Kreuz zu nageln, kam gleichzeitig mit einer Erneuerung des Dschihad", schrieb die Journalistin Caroline Glick während der Weihnachtsfeiertage des vergangenen Jahres in der israelischen Tageszeitung "Jerusalem Post". "Die Hamas will nicht, dass Christen sich vernachlässigt fühlen, wenn Kämpfer Raketen auf jüdische Kindertagesstätten und Schulen abfeuern."

Es leben etwa 1,6 Millionen Menschen im Gazastreifen. Es wird geschätzt, dass davon weniger als 2.000 Christen sind. Männer fühlten sich gezwungen, sich einen Bart wachsen zu lassen, Frauen tragen Kopftücher, um sich nicht als Nicht-Muslime erkennen geben zu müssen, berichtet "Newsmax".
 
Vergangene Woche gab es mehrere Medienberichte, nach denen die Hamas das islamische Recht nun stärker durchsetzen wolle. Männer sollen nicht mehr mit unbedecktem Oberkörper in der Öffentlichkeit zu sehen sein, Schulmädchen sollen in Zukunft die Dschilbab tragen – ein Gewand, das bis an die Knöchel reicht und nur Gesicht und Hände freilässt. Anwältinnen dürfen vor Gericht nur noch mit Kopftuch und schwarzem Gewand erscheinen.

Kein Holocaust in Schulbüchern mehr

Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, soll nun das Thema Holocaust im Gazastreifen Tabu werden. Der Holocaust sei eine "von den Medien vervielfältige Lüge und Erfindung der Zionisten", schrieben Hamas-Vertreter im Gazastreifen in einem öffentlichen Brief an den Chef des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA), John Ging. In dem am Sonntag veröffentlichten Brief fordern die Hamas-Leute die UNRWA auf, den Holocaust aus dem Lehrplan der Acht-Klässler ihrer Schulen zu entfernen.

Rund 200.000 Flüchtlingskinder besuchen allein im Gazastreifen von der internationalen Gemeinschaft finanzierte UNO-Schulen. Wie der Nahost-Experte Ulrich W. Sahm berichtet, unterhalte die UNO das größte Erziehungssystem überhaupt im Nahen Osten, mit einer halben Million Schüler im Libanon, Syrien, Jordanien und in den palästinensischen Autonomiegebieten.

Die Schulen sollten den Holocaust aus den Schulbüchern streichen, weil Berichte darüber bei den palästinensischen Schülern "Mitgefühl und Sympathie für die Leiden der Juden" erwecken und sie so "verwirren könnte", hieß es in dem offenen Schreiben. Die so genannten Flüchtlingslager-Komitees der Hamas, die den Brief an Ging unterzeichnet hatten, lehnen es kategorisch ab, dass den Kindern "die Lügen der Juden" gelehrt würden. Der Holocaust sei kein (historischer) Fakt. Hamas Sprecher Sami Abu Zuhri wollte nichts zur Kontroverse sagen, ob der Holocaust stattgefunden habe.

UNRWA-Sprecher Chris Gunness erklärte auf Anfrage Sahms, dass der Lehrplan und die Schulbücher in UNO-Schulen vom jeweiligen Gastland, in diesem Fall von der Palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah, übernommen würden. Gleichwohl entwickle die UNRWA zusätzliches Lehrmaterial, um den Kindern auch Werte wie Menschenrechte, die der UNO wichtig seien, zu vermitteln. "Dieser Lehrstoff wird in Diskussionsgruppen mit Eltern und Lehrern erarbeitet", sagte Gunness. Die Aufregung der Hamas über die vermeintliche Erwähnung des Holocaust in Schulbüchern der UNO sei "verfrüht". Das Thema werde zwar diskutiert, aber es gebe noch keinen Beschluss, was am Ende aufgenommen werde. "Und solange keine Beschlüsse gefasst sind, können wir die Bücher auch nicht der Druckerei übergeben", sagte Gunnes. (PRO)

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