Jesus Center: Liebe statt Steine in der Schanze

Vieles ist kaputtgegangen im Schanzenviertel an diesem Wochenende. Auch vor dem Jesus Center liegen Scherben. Mittendrin am Schulterblatt arbeiten dort seit mehr als 45 Jahren fromme Christen für den Stadtteil. Das Gewalt-Wochenende hat auch für sie einiges verändert. Ein Beitrag von Daniel Kaiser, NDR
Von PRO
Das Jesus Center im Hamburger Schanzenviertel bietet praktische Hilfe für die Menschen in der Nachbarschaft an

Essen und Trinken für Bedürftige für kleines Geld gibt es im Café Augenblicke des Jesus Center, Obst und Süßigkeiten gratis. Hilfe für arme Menschen aus dem Viertel ist das Alltagsgeschäft der von Christen betriebenen Einrichtung. Nach dem Gewalt-Wochenende mit den Plünderungen in der Nachbarschaft werde das schwieriger, sagt Holger Mütze vom Vorstand des Centers. „Bisher haben wir jeden Tag Lebensmittelspenden von Rewe bekommen. Das wird jetzt für längere Zeit ausfallen, und das ist ein ganz konkretes Problem“, sagt Mütze. Denn: Der Supermarkt ist in der Krawall-Nacht geplündert worden.

Feuer in der Bankfiliale nebenan

Auch beim Jesus Center sind am Wochenende Scheiben zu Bruch gegangen. Die kaputte Glastür des Cafés hat aber eine andere Geschichte. „Wollt Ihr wissen, wie dieser Schaden entstanden ist? Dann sprecht uns an“, steht auf einem Plakat über der zersplitterten Scheibe. „Die Rote Flora hat eigene Sanitäter“, erzählt Mütze. „Als die Haspa nebenan brannte, kam ein Sanitäter-Team von denen, um uns zu warnen und zu retten. Es war also ein gutes Werk!“

Als Rocker Christen wurden

Das Jesus Center ist im Schanzenviertel eine feste Größe, anerkannt auch von den Aktivisten der Roten Flora. Geboren wurde die Idee 1968 nach einer Missionsveranstaltung der Baptistengemeinde in der nahegelegenen Holstenstraße. „Da haben sich damals 40 Rocker und Hippies bekehrt und gleich taufen lassen“, erzählt Mütze. Danach habe man aber gemerkt, dass die Mischung in der Gemeinde nicht gut funktioniert und deshalb 1970 das Jesus Center am Schulterblatt gegründet.

Viel Sozialarbeit – Gott auf Nachfrage

Das Haus hat freikirchlich-evangelikale Wurzeln. Heute arbeiten dort Christen verschiedener Kirchen mit. Die Sozialarbeit ist dabei ein klarer Schwerpunkt. „Wir haben Angebote für Kinder und Familien – zum Beispiel mit einem Spielmobil, einer Rap- und einer Skateboard-Gruppe–, mit denen wir versuchen, junge Menschen zu erreichen“, erläutert Susanne Haarmann. Als anerkannter Jugendhilfe-Träger betreut das Center auch Wohngruppen mit minderjährigen Flüchtlingen. Das gute Werk steht im Vordergrund. „Wenn man uns fragt, erzählen wir aber auch von unserem Glauben“, lächelt Mütze.

Beten für Polizisten und den „schwarzen Block“

Zu den Problem-Demos am Wochenende sind die frommen Christen in kleinen Teams gegangen und haben für einen friedlichen Ausgang gebetet. Den Polizisten und auch den Leuten im Schwarzen Block haben sie davon erzählt. Die hätten zuerst ein bisschen sparsam geguckt, sich dann aber auch herzlich bedankt, erzählt Holger Mütze. Im Jesus-Center sind auch junge Leute dabei, die den „schwarzen Block“ aus eigener Erfahrung kennen. „Die haben da als überzeugte Autonome mitgemacht und sind dann Christen geworden. Jetzt sprechen sie mit diesen Leuten und beten für sie. Sie haben einen guten Zugang, weil sie die Sprache der Leute sprechen und die Gedanken, Ziele und Frustrationen verstehen.“

Rote Flora muss um Rückhalt im Viertel fürchten

Für die Menschen im Jesus Center gilt Gewaltlosigkeit. Die Bergpredigt. „Liebet Eure Feinde!“ Trotz der gegensätzlichen Positionen gab es immer wieder an einzelnen Punkten Zusammenarbeit mit den Autonomen von der Roten Flora, Grundsatzdiskussionen eher weniger. „Das war bisher so. Wie das in Zukunft sein wird, müssen wir mal sehen. Wir haben den ,Floristen‘ noch in der Gewaltnacht gesagt, dass sie sehr darauf achten müssen, wie sie kommunizieren und ihre Positionen vertreten. Die Gefahr besteht, dass die Solidarität im Viertel rapide abnehmen wird.“

Positive Gedanken nach einem Negativ-Wochenende

Am Sonntag bei der Aufräumaktion hatten die Leute vom Jesus Center vor ihrer Tür Tafeln aufgestellt, auf denen die Menschen gute Gedanken aufschreiben konnten, etwas Positives nach diesem negativen Wochenende, sagt Barbara Haarmann vom Jesus Center. „Das reichte von der Dankbarkeit gegenüber den Polizisten über die Freude einer Mutter, dass ihr Sohn nun auch gelernt habe zu putzen bis zur Erleichterung, dass es in Hamburg ein Gemeinschaftsgefühl gibt.“ Mittendrin im Orkan ist das Jesus Center ein Ort des Friedens und der Hilfe.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf der Webseite des Norddeutschen Runkfunks. Wir danken für die Genehmigung zur Veröffentlichung.

Von: Daniel Kaiser, NDR

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