Ist ein Online-Gottesdienst für Katholiken überhaupt „gültig“?

Angesichts der verbotenen Gottesdienste mit Besuchern steht so mancher katholischer Theologe vor einem Problem: Ist das bloße Betrachten eines Gottesdienstes per Internet-Stream überhaupt vergleichbar mit dem persönlichen Erleben der Liturgie in der katholischen Messe? Der Wiener Dogmatiker Jan-Heiner Tück mahnt zu Skepsis.
Von Jörn Schumacher
Die eingesetzten Online-Gottesdienste hinterlassen beim katholischen Theologen Jan-Heiner Tück ein „leises Unbehagen“

Bereits am Sonntag wurden in Deutschland, aber auch in anderen Ländern, kaum noch Gottesdienste mit Besuchern gefeiert. Mittlerweile ist das Abhalten von Versammlungen mit mehreren Personen, also auch Gottesdienste, verboten, um die Verbreitung des Coronavirus zu verlangsamen. Viele Gemeinden der beiden großen Kirchen und der Freikirchen übertragen ihre Gottesdienste daher nun live über das Internet.

Anders als bei protestantischen Gemeinden gilt in der römisch-Katholischen Kirche jedoch die sonntägliche Teilnahme an den Sakramenten Opferung, Wandlung und Kommunion als elementarer Bestandteil der katholischen Praxis. Die römisch-katholische Kirche lehrt die Realpräsenz Jesu Christi in den Gestalten von Brot und Wein in der Eucharistie, und erst mit dem Sprechen der Einsetzungsworte („Das ist mein Leib“ und „Das ist mein Blut“) wandeln sich nach katholischer Lehre Brot und Wein in den wahren Leib und das wahre Blut Christi.

Die Einschränkung der Eucharistie durch Online-Gottesdienste werde nicht der Selbstverantwortung der Gläubigen gerecht, welche den Entschluss zum Kommunionempfang selbstverantwortet treffen müssten, sagte der Wiener Theologe Jan-Heiner Tück im Interview mit Kathpress, der Katholische Presseagentur Österreichs. Angesichts der Gottesdienste, die nur online übertragen werden, kommt Kathpress zu dem Schluss: „Das reguläre gottesdienstliche Leben kommt damit praktisch zum Erliegen.“

„Unterbrechung auch eine geistliche Herausforderung“

So verständlich ein Verbot der Besucher-Gottesdienste auch sei, so sehr hinterlasse es jedoch auch ein „leises Unbehagen, wenn Gottesdienste zusehends virtualisiert werden“, sagte Tück. Ein Online-Gottesdienst sei schlicht nicht das gleiche wie ein echter Besuch in der Kirche und rühre an den Kern des kirchlichen und sakramentalen Selbstverständnisses: „Wir feiern Realpräsenz, nicht Virtual-Präsenz“, so Tück.

Das Zweite Vatikanische Konzil (1962-65) habe die Eucharistie als „Quelle und Höhepunkt christlichen Lebens“ bezeichnet. Diese Quelle sei nun für länger nicht direkt zugänglich. Die persönliche Teilnahme an der Gottesdienstgemeinschaft könne nicht einfach durch eine „virtualisierte Gemeinde“ substituiert werden. Beim Betrachten der rein auf den Priester fokussierten, gestreamten Gottesdienste erscheine so leicht der Eindruck, als sei die Gemeinde „sekundäres Beiwerk“ und die Eucharistiefeier ein gleichsam „nur am Priester allein hängendes Geschehen“.

Zwar sei es gut, dass es vermehrt Angebote von Gottesdienstübertragungen gebe. Auch sei ein via Livestream mitgefeierter Gottesdienst in kirchlicher Intention „gültig“. Dennoch könne die „Vernachlässigung der anthropologischen Dimension der Sakramente“ nicht wirklich überzeugen: „Das gebrochene Brot, der konsekrierte Wein stillen den Gottesdurst und befriedigen den geistlichen Hunger auch auf eine sinnlich-körperliche Weise. Dahinter bleibt die Augenkommunion eben doch zurück.“

Tück resümmiert: „Die Bischöfe handeln richtig – und mit dem Aussetzen der öffentlichen Liturgie ist die Kirche in der Moderne angekommen.“ Allerdings sei diese Unterbrechung auch eine geistliche Herausforderung, die man aber etwa dadurch meistern könne, dass man an die „fast vergessene Tradition des eucharistischen Fastens“ neu anknüpfe: Gebet, die Betrachtung der Heiligen Schrift, aber auch das stille Verweilen vor dem Allerheiligsten könnten neu entdeckt werden, so Tück.

Von: Jörn Schumacher

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