Die Islamverbände fordern die Absetzung des islamischen Theologen Mouhanad Khorchide. Für ihren Geschmack verfälscht er die islamische Botschaft. Auch Salafisten haben den als liberale geltenden Professor im Visier.
Von PRO
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Mouhanad Khorchide hat viele Feinde – neben radikalen Salafisten zählen auch die Islamverbände dazu
Erst vor wenigen Tagen war Bundespräsident Joachim Gauck in Münster zu Gast. Im Zentrum für islamische Theologie erklärte er: „Wir werden gerade in dieser Phase Ruhe bewahren. Eine entschlossene Ruhe.“ Der Protestant Gauck verteidigte damit nicht nur die Ausbildungsstätte für islamische Religionslehrer – sondern vor allem dessen Kopf, Professor Mouhanad Khorchide. Denn dieser steht seit Monaten unter Druck. Kurz vor Weihnachten wird die Lage für ihn bedrängender denn je.
Den Islamverbänden ist Khorchide zu liberal. Die Türkisch-Islamische Union (DITIB) erklärte ihn deshalb Anfang der Woche für nicht tragbar. Vor allem in seinem letzten Buch „Islam ist Barmherzigkeit“ reduziere der Professor den muslimischen Glauben auf das Bekenntnis zur Liebe und Barmherzigkeit Gottes. „Nach Khorchides Ausführungen – sowohl im Buch, als auch in seinen späteren Klarstellungen – ist nicht eindeutig zu erkennen, dass die Bestätigung Gottes als das wichtigste Gebot im Islam anzuerkennen ist“, teilte die DITIB mit. Viele Muslime hätten dies als Beleidigung der muslimischen Identität oder gar als klare Absage an die klassisch-islamische Lehre verstanden.
Tatsächlich ist Khorchide wohl so etwas wie der Prototyp eines Islam-Reformers. „Vieles, was wir heute rezipieren ist nichts anderes als eine Theologie des 9. oder 10. Jahrhunderts“, sagte er jüngst bei einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin. Er stehe für eine Theologie, die dem Menschen dienen soll, nicht für eine, die ihren Schwerpunkt auf Restriktionen lege. In Deutschland bestehe die Chance, etwas anderes als das zu etablieren. In vielen islamischen Ländern gebe es diese nicht, erklärte er.
Die Islamverbände haben auf solche Ausführungen nun mit einem Gutachten reagiert, dass Khorchide Unfähigkeit unterstellt. Der Vorwurf: Seine „Theologie der Barmherzigkeit“ beruhe nicht auf einer eindeutig identifizierbaren wissenschaftlichen Methode, stattdessen gebe er sich dem Zeitgeist hin. Der Koordinationsrat der Muslime, in dem die Verbände zusammengeschlossen sind, sieht das Verhältnis zu Khorchide als nachhaltig zerrütet und irreparabel an. Und das, obwohl der Rat Khorchide 2010 selbst die Lehrerlaubnis erteilte. Für seine Abberufung kann das Gremium allerdings derzeit nicht sorgen. Für die Vergabe und den Entzug von Lehrerlaubnissen ist ein religiöser Beirat der Uni Münster zuständig, auf dessen Besetzung der Koordinationsrat zwar Einfluss hat – die Hälfte der Mitglieder benennt die Lehranstalt, die andere Hälfte der Rat – bislang hat sich der Beirat aber noch gar nicht konstituiert. Immer wieder waren Kandidaten wegen Zweifel an deren Verfassungstreue vom Bundesinnenministerium abgelehnt worden. Die Universität hat die Gründung des Gremiums für Anfang des kommenden Jahres angekündigt. Zumindest bis dahin dürfte Khorchide seine Stelle also sicher sein.
Bereits im November hatte Khorchide selbst die damals schon schwelende Kritik der Islamverbände zurückgewiesen und seine Arbeit als theologisch sauber verteidigt. Allerdings räumte er auch ein, künftig häufiger mit den Islamverbänden sprechen zu wollen, um Missverständnisse zu vermeiden. In den vergangenen Tagen ist die SPD-Politikerin Lale Akgün Khorchide beigesprungen. Die Muslima ist dafür bekannt, immer wieder Kritik an den Islamverbänden zu üben. In den Deutsch-Türkischen Nachrichen warnte sie nun: „Die Batallione werden in Stellung gebracht.“ Khorchide sei den Verbänden seit geraumer Zeit ein Dorn im Auge, weil er mit seinen liberalen Positionen eine Konkurrenz für die althergebrachte Islaminterpretation der Konservativen darstelle. „Und das, wo die Verbände doch eifrig bemüht sind, als ‚Religionsgemeinschaft’ anerkannt zu werden. Dass sie es nicht sind, wissen sie, dennoch nennen sie sich selbst gern immer wieder so, wohl in dem Bestreben, durch ständige Wiederholung Fakten zu schaffen und sodann ihre orthodox bis fundamentalistische Lesart des Koran als den ‚einzig wahren Islam’ in Deutschland zu etablieren“, schreibt Akgün. Khorchide sei zur „unkalkulierbaren Konkurrenz“ geworden, weil er die Billigung zahlreicher Deutscher, darunter auch Muslime, gefunden habe und von den Medien geschätzt werde.
Vogel: Khorchide lehrt „Schrott“
Doch nicht nur die Islamverbände üben lautstark Kritik an dem Porfessor aus Münster. Der salafistische Prediger Pierre Vogel hat sich immer wieder öffentlich gegen die Lehren Khorchides ausgesprochen, bezeichnet sie auf seiner Internetseite als „Schrott“ und fordert ihn zu einer öffentlichen Debatte über die wahren Inhalte der Religion heraus. Das könnte auch damit zu tun haben, dass Khorchide selbst sich immer wieder laut gegen die radikale Strömung des Salafismus ausgesprochen hat. Vielen von ihnen fehle grundlegendes theologisches Wissen, erklärte er in einem Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit. „Da würde jeder Erstsemestertheologe sagen: Was für ein Unsinn.“ (pro)
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