Islamismus von nebenan

Die Fäden des westlichen Islamismus laufen in einer Münchener Moschee zusammen. Diese steile These stellt Stefan Meining, Fernsehjournalist des "Bayerischen Rundfunks", in seinem Buch "Eine Moschee in Deutschland" auf. Pro hat sich das Buch, das im "Dritten Reich" beginnt und beim Kopftuchstreit unserer Tage endet, kritisch angesehen.
Von PRO

Zwölf Jahre hat der Redakteur des ARD-Politmagazins "Report München" zur Moschee in München-Freimann recherchiert, aus der die "Islamische Gemeinschaft in Deutschland" (IGD) hervorgeging. Meining greift dabei weit in die Vergangenheit zurück. Das muss er auch. Denn die Geschichte beginnt im Zweiten Weltkrieg, als sich die deutsche Wehrmacht in der Schlussphase des Krieges den Islam im Kampf gegen die Sow­jetunion zunutze machte. Schon 1941 wurde eine Sondereinheit der Wehrmacht gegründet, in der Deutsche und Kaukasier gemeinsam im bayerischen Mittenwald als Gebirgsjäger ausgebildet wurden. Darunter waren viele "Mohammedaner". Heinrich Himmler ordnete im Herbst 1943 die Aufstellung des "Ers­ten Ostmuselmanischen SS-Regiments" an. "Nicht Missionare aus den Wüsten Arabiens, sondern Muslime aus der Sowjet­union verankerten den Islam in Deutschland", schreibt Mei­ning. Die Freiwilligen blieben jedoch in den Augen der Nazis "Untermenschen", die später wie alle anderen beherrscht werden mussten.

Schlüsselperson war der polyglotte Professor Gerhard von Mende. Er bekam von den Nazis das "Kaukasus-Referat" zugeteilt und wurde Leiter der Abteilung "Fremde Völker". Als der Krieg zu Ende war, machte er dort weiter, wo er aufgehört hatte: Der englische Geheimdienst rekrutierte von Mende im Kampf gegen den Kommunismus. Gemeinsam mit dem Bundesnachrichtendienst entwickelte er einen Plan zum Bau einer Moschee in München, um mit der islamischen Welt eine Verbindung zu schaffen. Dort lebten im Jahr 1955 vermutlich die meisten der rund eintausend Muslime im Land. Viele Gründungsmitglieder der Moschee waren ehemalige Kämpfer von Hitlers Freiwilligenverbänden. Die Amerikaner starteten das Projekt "Amerikanisches Komitee für die Befreiung vom Bolschewismus (AMCOMLIB). München hatte sich zum Zentrum amerikanischer psychologischer Kriegsführung gegen die Sowjetunion entwickelt. Auch AMCOMBLIB suchte sich Gerhard von Mende als Experten aus.

Einer der ersten wichtigen Funktionäre der Moschee war der in Ägypten geborene Said Ramadan, Generalsekretär des Islamischen Weltkongresses und einer der wichtigsten Anführer der "Muslimbruderschaft". Deren Hauptmerkmal ist eine tiefe Feindschaft gegenüber Israel. Ramadan, der die erste Niederlassung der Muslimbrüder in Jerusalem gründete, war 1958 als Student in die Münchener Gemeinde gekommen. Und niemand Geringeres als der libysche General Muamar al-Gaddafi trug mit 1,6 Millionen DM den größten Teil für die Errichtung der Moschee bei. Insgesamt beteiligten sich vierzehn islamische Länder an den Kosten.

Für den "Staatssicherheitsdienst" der DDR stand damals fest: Die Münchener Moschee bildet einen Stützpunkt der "arabischen Terror-Organisation der Muslimbruderschaft". Meining analysiert: "Die Vorstellung, dass die Bundesrepublik Deutschland als Rückzugs- oder Aktionsgebiet einer weltweit aktiven Organisation des politischen Islam diente, passte nicht in die Vorstellungswelt einer Republik, die in den deutschen Muslimen lediglich ‚Gastarbeiter‘ sah, die das Land irgendwann einmal wieder verlassen würden." Im Kapitel "München als Schaltstelle" spricht der Autor von einer Islamisierung Europas, die "still und heimlich" vonstatten ging.

"Muslime müssen kämpfen"

Doch an manchen Stellen wünscht sich der kritische Leser noch konkretere Hinweise auf die Zusammenhänge zwischen der Münchener Moschee und dem internationalen Islamismus. So lebte etwa einer der Attentäter des Anschlags auf die Tiefgarage des New Yorker World Trade Centers vom 26. Februar 1993 namens Mahmud Abuhalima eine zeitlang in München. Er unterhielt dabei auch Kontakte zum Islamischen Zentrum in der Wallnerstraße. Und ein pakistanischer Islamgelehrter namens Kurshid Ahmad gehörte zum Führungskreis der Partei "Jamaat-e-Islami", einem Sammelbecken für Islamisten. Bei einer Generalversammlung der "Islamischen Gemeinschaft" im Jahr 1982 wurde Ahmad "in den geschäftsführenden Ausschuss" der Gemeinschaft berufen. Meining fügt allerdings hinzu: "Ob Kurshid Ahmad in München an einer Sitzung teilnahm oder sich am Leben der Gemeinschaft beteiligte, ist unbekannt."

Ein weiterer Muslim, der als junger Student nach München kam, war Ghaleb Himmat. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 setzen ihn die Vereinten Nationen für mehrere Jahre auf eine Liste von Personen, die im Verdacht standen, Osama Bin Ladens Terrornetzwerk Al-Qaida zu unterstützen, schreibt Meining. Nur: Wie war das Ergebnis? Dazu schweigt das Buch. An anderer Stelle heißt es, Himmat, der Präsident der aus der "Moscheebaukommission" in München hervorgegangenen Islamischen Gemeinschaft in Deutschland war, sei Geschäftsführer und einer der Gründer der 1988 gegründeten Firma al-Taqwa gewesen. Der Firma wurde vorgeworfen, Al-Qaida unterstützt zu haben. Allerdings stellte die schweizerische Bundesanwaltschaft das Strafverfahren 2005 gegen ihn ein.

Jeder Autor muss sich davor hüten, in ein Extrem zu fallen und etwa in jedem Funktionsträger des Islam einen Grund zur Sorge zu sehen. Sicherlich zeigt Meining viele wichtige Verbindungen auf. So sind auch manche Texte der in München herausgegebenen Zeitung "Al-Islam" besorgniserregend. Sie proklamiere einen "Allmachtsanspruch des Islam" sowie das Recht, die Ehefrau zu schlagen. Ayyub Axel Köhler, prominenter deutscher Konvertit, bekannte in einer Ausgabe offen, die Demokratie sei dem Islam fremd. Auch der vom Katholizismus konvertierte Harry Harun Behr, der laut Meining "zu den wichtigsten Persönlichkeiten des Islam in Deutschland" zählt und Professor für Islamische Religionslehre an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg ist, verkündete 1989 in einem Vortrag: Den Muslimen ist befohlen, zu kämpfen, bis sich die Ungläubigen zum Koran bekehren. Eben jener Harun Behr legte das erste Schulbuch für Islamunterricht vor. Er war neben anderen Gründungsmitglied des Münchener "Vereins zur Förderung muslimischer Kinder und Jugendlicher".

Wenn ein muslimischer Funktionsträger dementiert, etwas mit der "Muslimbruderschaft" zu tun zu haben, ist es gefährlich, wenn Meining eben dieses Dementi wiederum wie eine Bestätigung des Verdachts aussehen lässt. Der Journalist beschreibt großangelegte Untersuchungen der Polizei sowie "Spezialkommandos" im Morgengrauen, lässt aber deren Ergebnisse fast unter den Tisch fallen. Erst zwei Seiten später klärt er auf: Die Ermittlungen wurden eingestellt. Dennoch erinnert Meining richtig: "Laut dem vom Bundesinnenministerium herausgegebenen Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2009 ist die Islamische Gemeinschaft die mitgliederstärkste Organisation von Anhängern der ‚Muslimbruderschaft‘ in Deutschland."

"Nicht jeder betende Moslem ist verdächtig"

Im "Deutschlandradio" machte der Autor klar, dass er sich der Gefahren bewusst ist: "Es ist immer unglaublich schwierig, wenn man Verbindungen von einzelnen Personen, beispielsweise eben zur Islamischen Gemeinschaft in Deutschland oder zur Milli-Görüs-Bewegung, festmacht. Inwiefern haben sie etwas mit der Gesamtorganisation zu tun?" Es sei "völlig absurd", jeden zu verdächtigen, der zum Beten in das Islamische Zentrum in München gehe.

Gegenüber pro sagte der Autor: "Es gibt keinerlei rechtsstaatliche Urteile, die für die Vergangenheit eine Verbindung deutscher Muslime oder gar islamischer Organisationen zum internationalen Terrorismus dokumentieren. Sehr wohl gab es jedoch nach 2001 einige Fälle, in denen sich meist junge Muslime, die teilweise lange Jahre in Deutschland lebten, terroristischen Gruppierungen anschlossen. Unter dieser kleinen radikalen Gruppe befinden sich auch deutsche Staatsbürger, die allen Anschein nach in der Bundesrepublik zum Islam konvertierten. Die Gefahr, die von diesen jungen Männern ausgeht, ist keinesfalls zu unterschätzen."

Der Journalist hat ein wertvolles Buch zur Entstehung des politischen Islam in Europa geliefert. Vor allem die Recherchearbeit über ein vergessenes Kapitel des Zweiten Weltkrieges, die muslimischen Freiwilligenverbände der Nationalsozialisten und die daraus hervorgehenden ersten wichtigen Islam-Funktionäre der jungen BRD machen Meinings Buch interessant. Anhand des Beispiels der Münchener Moschee kann man sehen, wie nah der Islamismus uns oft ist, ohne dass wir es wissen. (pro)

Stefan Meining, "Eine Moschee in Deutschland. Nazis, Geheimdienste und der Aufstieg des politischen Islam im Westen", Verlag C.H. Beck, 316 Seiten, 19,95 Euro, ISBN 978-3-406-61411-8

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