Islamische Sender: Botschaft oder Unterhaltung?

Islamische Satellitensender erfreuen sich großer Popularität. In den vergangenen zehn Jahren gingen 60 bis 80 von ihnen neu auf Sendung. Ein Beitrag in der aktuellen Ausgabe der "Neuen Züricher Zeitung" (NZZ) untersucht, welcher Sender den "wahren" Islam verkündet und worauf die Programmgestaltung der einzelnen Anstalten abzielt.


Von PRO

NZZ-Autorins Mona Sarkis sieht in den
Ereignissen des 11. September 2001 einen Grund für die Vielfalt der
Angebote: "Die Religion geriet unter Zugzwang, das Bedürfnis nach Debatten
brauchte ein Ventil." Der Sender "Al-Majd" etwa richtet sich mit seinem Programm an die
Ultraorthodoxen und präsentiert sich als "Frauen-frei, Musik-frei und
Sünden-frei." Ihre Führer nähmen für sich das "Quasimonopol auf
religiöse Expertisen" in Anspruch, obwohl mittlerweile auch viele
andersdenkende Scheichs auftauchten. Der Sender habe sich mit
telefonisch einzuholenden religiösen Rechtsurteilen – so genannten
Fatwas – an die Spitze der saudischen Religionssender setzen können.
Paradox werde die enge religiöse Linie des Senders, wenn man den
"sündenunfreien" Lebenswandel ihrer Macher bedenke.


Die Programmgestaltung der Sender ziehe inzwischen aber nicht nur religiöse, sondern zunehmend auch nicht-religiöse Muslime an. Viele der klangvollen Namen der Sender seien an den Koran angelehnt. Sie nennen sich "Iqra" (Lies!), "Al-Risala" (Die Botschaft), "Al-Nas" (Die Menschen), oder "Al-Hikma" (Die Weisheit). Sarkis stellt infrage, ob die Vielfalt wirklich das große Bedürfnis der Muslime darstelle, mehr über einen wahrhaft frommen Lebensstil zu erfahren.



Der 2006 lancierte Kanal "Al-Risala" liege von der Resonanz her nur knapp hinter "Al-Majd". Aus seinen Studios sende er auch musikalische Einlagen, die nach Ansicht des Managements die islamischen Normen keineswegs verletzten. Man müsse als frommer Muslim nicht ständig den Koran oder das Leben des Propheten finster zitieren, zitiert NZZ die Sendeverantwortlichen. Weitaus interessanter und absolut islamverträglich sei es, Liebe, Freundschaft und Sexualität zu besprechen.


"Islam-Light"-Prediger

Bereits seit 1998 läuft der erste islamische Satellitensender "Iqra" über den Äther. Er verfolgt das Ziel, islamische Botschaften unterhaltend zu verbreiten. Seine Zielgruppe ist die "gläubige Mittelschicht". "Gezielt Information genießen" lautet der Untertitel von "Iqra". Die Prediger treten glatt rasiert und in Strassenanzügen auf und verzichten auf furchtgebietende Koran-Verse. Betont werde im Zusammenhang mit der Religion auch Toleranz und Fairness.


Im libanesischen Fernsehsender "Al-Manar" (Der Leuchtturm) diskutiert jede Woche ein Scheich religiöse Fragen mit Gästen beiderlei Geschlechts. Er ähnele dabei, so Sarkis, den "Islam light"-Predigern von "Iqra". In seinen Meinungen gehe er noch einen Schritt weiter und vertrete progressiv, dass auch Atheisten das Paradies offenstehe. Im Gegensatz zum konservativen Pendant "Al-Majd", lasse "Al-Manar" auch unverschleierte Moderatorinnen, säkulare Gäste und kritische Fragen zu.



Der Besitzer des Senders "Al-Nas", ein saudischer Geschäftsmann, kam mit seiner Programmvielfalt aus Liedern und Traumdeutungen zunächst gar nicht beim Publikum an. Erst als der neue Slogan "Ein Bildschirm, der dich ins Paradies bringt" hinzugefügt wurde, stieg "Al-Nas" in der Zuschauergunst.



Um das Angebot zu finanzieren und weil die Werbeeinnahmen begrenzt sind, profitieren alle Kanäle von Dienstleistungen. Bei "Al-Nas" laufen während der Sendungen am unteren Bildschirm Rolltexte, die für Nahrungsmittel, Medikamente oder religiöse Lieder als Handyklingeltöne werben. Der arabische Soziologe Ahmad al-Magdub spricht den religiösen Satellitensendern die Verwirklichung ihrer erklärten Ziele ab: "Ein neues religiöses Bewusstsein, das zu einem moderaten Gleichgewicht in der Gesellschaft aufruft, ist daraus nicht entstanden. Die Mehrzahl der Sender bringen hingegen Themen, die eine übertrieben religiöse Haltung befürworten, andere fördern eher Nachlässigkeit." (pro)

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