In den Augen von Bekim Agai spielen beim Thema Integration auch andere Faktoren als Religion eine Rolle. Der 40-jährige Professor für islamisch-theologische Studien weist darauf hin, dass in der Gesellschaft viel schneller negativ assoziierte Bilder, etwa von vollverschleierten Frauen, als repräsentative Elemente des Islam wahrgenommen würden. Bei Muslimen ohne religiöse Merkmale falle der Glaube auf den ersten Blick nicht auf. Deswegen werde der Islam auch nicht mit diesen in Verbindung gebracht.
„Auch Muslime sind soziale Wesen und werden von ihrem Umfeld geprägt“, analysiert Agai. Als Beispiel gibt er einen 12-jährigen muslimischen Schüler an. Wenn sich dieser gegen seine Lehrerin auflehne, werde der Ursprung des Problems häufig im Frauenbild des Islam gesucht. Wahrscheinlicher sei aber, dass der Widerstand gegen die Autorität aus seinem pubertierenden Wesen herrühre. Im Gespräch könnte dieses Missverhalten korrigiert werden.
Der Frankfurter Professor hält die historischen „Kulturkämpfe“ zwischen Islam und Christentum für „Vereinfachungen“. Als Gegenbeispiel gab er die Bündnisse zwischen orientalischen Christen und Muslimen bei den Kreuzzügen an, die gemeinsam für die Befreiung Jerusalems kämpften: „Historisch gesehen ist der Islam plural und nicht einseitig dogmatisch angelegt.“ Der Islam habe sich nur heute mit „modernen totalitären Konzepten“ wie dem Nationalismus oder Faschismus verbunden. Agai meinte damit repressive Systeme wie den Irak unter Diktator Saddam Hussein oder die Terrororganisation Islamischer Staat.