Islam: Zwischen Drohen und Liebhaben

Ist der Islam in Deutschland ein Problem? Oder denken sich dunkle Mächte Verschwörungen aus, um den Islam künstlich zu einem Feindbild zu stilisieren? Bei Sandra Maischberger setzten die Diskutanten Dienstagabend viel Zeit und Mühen daran, dem Imam der Leipziger Moschee, Hassan Dabbagh, Antworten zu entlocken. Eine TV-Kritik von Jörn Schumacher
Von Jörn Schumacher
Kamen kaum auf einen gemeinsamen Nenner: Der Islamkritiker Hamed Abdel-Samad (li.) und der Imam Hassan Dabbagh

Es gebührt den Teilnehmern der Diskussionsrunde zum Thema „Feindbild Islam: Wird der Hass geschürt?“ in der Reihe „Menschen bei Maischberger“ viel Lob. Denn es gehört viel Geduld dazu, erstens das Problem des fanatischen Islam herauszustellen und angemessen zu differenzieren, und zweitens zu akzeptieren, dass ein wichtiger Vertreter des Salafismus in Deutschland nicht bereit ist, auf irgendwelche Fragen eine klare Antworte zu geben, so sehr man es auch versucht.
Hassan Dabbagh ist Imam der Leipziger Al-Rahman-Moschee. Er und sein Verein werden vom sächsischen Verfassungsschutz beobachtet. Der urteilte bereits, dass die Schriften Dabbaghs Anhaltspunkte für den Verdacht enthalten, „dass die Al-Rahman-Moschee verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt“. Weiter heißt es in dem Bericht: „Die islamische Religion wird (…) als politische und rechtliche Ordnung dargestellt, die sich ausschließlich an der Gottesherrschaft, nicht aber an demokratischen Grundwerten zu orientieren hat.“ Vielleicht macht dies verständlich, warum Dabbagh während der Sendung nicht bereit war, einfache Fragen zu beantworten wie „Sind Sie Salafist?“ oder „Stellen Sie den Koran über das deutsche Gesetz?“. „Der Islam ist gut“, lautet die schlichte Wahrheit des aus Syrien stammenden Imam, der ein Kopftuch trug. Für ihn ist klar, dass sich dunkle Mächte in Deutschland (der Verfassungsschutz?) den Islam ausgesucht haben als das Böse, gegen das es zu hetzen gilt.

Islam-Rabatt für Straftäter?

Die Sendung begann mit der Frage, ob es in der deutschen Justiz einen „Rabatt für Muslime“ gibt. Anlass war ein Verfahren des Landgerichts Wiesbaden vor zwei Wochen: Ein 23 jähriger Deutsch-Afghane hatte seine schwangere Ex-Frau ermordet. Laut dem Urteil muss er ins Gefängnis, doch der Mörder kann nach 15 Jahren aus der Haft entlassen werden. Der Muslim habe sich in einer religiösen Zwangslage befunden, hieß es zur Begründung. Kritiker sagen, der Verurteilte habe einen „Islam-Rabatt“ genossen, denn wenn der Täter Christ oder Atheist gewesen wäre, sei das Urteil sicherlich härter ausgefallen.
Wolfgang Bosbach, CDU-Politiker und Vorsitzender des Innenausschusses, kann die Begründung des Gerichtes nicht nachvollziehen. Das Bundesgerichtshof habe schon vor zehn Jahren darauf hingewiesen, dass es bei der Rechtsprechung in Deutschland auf die Rechtsordnung der Bundesrepublik ankomme, und nicht auf die Werteordnung anderer Kulturkreise. Der Islamkritiker und Politologe Hamed Abdel-Samad stimmte dem zu und betonte: „Es gibt eine starke Minderheit unter Muslimen, die eben jenen Islam-Rabatt in der Bildung, in der Gesetzgebung und in den Medien bekommen will.“ Der deutsch-ägyptische Publizist hat für Aufsehen gesorgt mit seiner These, dass im Islam „faschistoide Züge“ angelegt seien. In seinem Geburtsland wurde er von ägyptischen Imamen mit einer weltweiten, lebenslangen Fatwa belegt, das ihn zum Tode verurteilt. Seitdem benötigt er auch in seiner Heimat Deutschland Polizeischutz.
Die Religionslehrerin und Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor, die Vorsitzende des Liberal-Islamischen Bundes ist, sagte, dass Richter in Deutschland immer auch die Sozialisation eines Täters würdigen müssten. Das bedeute jedoch keineswegs automatisch, dass das Urteil dann milder ausfalle. „In den meisten Fällen“ würden Täter sogar härter bestraft, wenn sie aus anderen kulturellen oder religiösen Hintergründen stammen und kriminell gehandelt haben, sagte Kaddor. Der Imam Dabbagh pflichtete ihr bei, dass jeder bestraft werden müsse, der einen Mord begeht. Diese Tat sei sowohl religiös als auch kulturell gesehen falsch.

Islam gleich Mafia?

In Bezug auf die Todes-Fatwa, die drei bekannte Muslime gegen ihn ausgesprochen haben, sagte Abdel-Samad: „Wir haben zwei Sorten von Autoren, die gefährlich leben: Autoren, die kritisch über die Mafia schreiben, und Autoren, die kritisch über den Islam schreiben. Sonst kann man über alles in der Welt schreiben.“ Imam Dabbagh erwiderte, wenn Abdel-Samad den Islam beschimpfe oder den Koran kritisiere „und sich selbst vom Himmel abgeschieden“ habe, müsse er damit rechnen, „dass einige Leute in Ägypten so etwas sagen, weil die Gesetze dort anders sind“. In Deutschland werde jedoch niemand etwas dem Autor antun, versicherte der Imam. Er stellte es in Frage, ob Abdel-Samad ebenso die israelische Armee oder das Alte Testament kritisieren könne, ohne Probleme zu bekommen. Es sei nun einmal derzeit „eine Welle“, den Islam zu kritisieren. Rados sagte in Richtung des Imam: „Ich finde es bedenklich, dass Sie sich hier nicht eindeutig aussprechen, dass Sie gegen die Fatwa (gegen Abdel-Samad) sind.“

Sind Christen Nicht- oder Andersgläubige?

Die mehrfach gestellte Frage an ihn, ob er selbst Salafist sei, mochte Dabbagh nicht beantworten. Er sagte stattdessen, dass die Muslime in Deutschland mit den Nichtmuslimen reden wollten. Abdel-Samad kritisierte, dass die Muslime in Deutschland einerseits „auf Augenhöhe“ mit den anderen reden wollten, diese andererseits jedoch vor allem als „Nichtgläubige“ und als minderwertig sehen. Kaddor erwiderte: „Das gibt es in jeder anderen Religion auch. Das haben Sie auch bei orthodoxen Juden und bei evangelikalen Christen!“
Bosbach machte auf die Intoleranz aufmerksam, die die islamische Ansicht vom „Ungläubigen“ mit sich bringe: „Ich käme niemals auf die Idee, Herrn Nouripour als Ungläubigen zu bezeichnen. Er ist ein Andersgläubiger. Ich bin Christ, und er hat einen anderen Glauben, der aber den gleichen Respekt für seine religiösen Überzeugungen verdient. Wenn ich jemanden zu einem Ungläubigen erkläre, sage ich ja nicht, er habe eine andere religiöse Überzeugung als ich, sondern er hat überhaupt keinen Glauben.“
Auch auf andere Fragen wollte Dabbagh im weiteren Verlauf keine Antworten mehr geben. Bei der Frage etwa, was er jungen Männern sage, die nach Syrien gehen wollen um zu kämpfen, kritisierte er allgemein den Westen, der zusehe, wie Assad chemische Waffen anwende. Außerdem sagte er: „Islam bedeutet, Liebe zu Allah zu haben. […] Wir wollen eine Bereicherung für Deutschland sein. Wir wollen gute Nachbarn sein.“ Oft ging er, anstatt auf Fragen zu antworten, auf Themen ein, die in der Runde 10 Minuten zuvor besprochen wurden. Maischbergers Frage „Stellen Sie den Koran über das deutsche Gesetz?“ bezeichnete er als „Fangfrage“ und weigerte sich beharrlich, sie zu beantworten.
Bezeichnend lässt sich vielleicht eine Passage aus der Diskussion herausgreifen. Im Protokoll:
Rados: „Es ist vielleicht auch Ihr Problem, dass Sie genau wissen, dass Sie in Europa immer in der Minderheit bleiben werden…“
Dabbagh: „Nein!“
(Gelächter im Studio).
Bosbach: „Nein dazu, dass Sie eine Minderheit bleiben werden, oder dass es ein Problem ist?“
Rados: „Das ist kein Problem, meinen Sie? Sie sind in der Minderheit, und Sie werden in der Minderheit bleiben?“
Dabbagh: „Ja, wir sind in der Minderheit. Ob wir es bleiben, das ist was anderes.“
Maischberger: „Ist das jetzt eine Drohung oder ein Scherz?“
Dabbagh: „Das ist kein Scherz.“
Maischberger: „Also ist es eine Drohung.“ (pro)

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