Islam und Christentum: Über den weichgespülten Dialog

B e r l i n (PRO) - Johannes Kandel (57) ist Historiker und promovierter Politikwissenschaftler. Er ist bekannt für zahlreiche Veröffentlichungen zu Fragen des Islam und war Mitglied der vom Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) eingesetzten Ad-hoc-Kommission zur Erarbeitung der zweiten Handreichung „Klarheit und gute Nachbarschaft. Christen und Muslime in Deutschland“, die Ende 2006 vorgestellt wurde. pro-Redakteur Andreas Dippel hat mit Johannes Kandel über den Sinn eines Dialoges mit Muslimen und Positionen von Christen gesprochen.
Von PRO

pro: Herr Kandel, es vergeht kaum ein Monat, in dem der Islam nicht Thema der öffentlichen Debatte ist. Seien es die Proteste in der islamischen Welt nach den Mohammed-Karikaturen oder der Papst-Rede, die Debatte um die Idomeneo-Oper und – jetzt aktuell – die Entscheidung einer Frankfurter Richterin, die ein Urteil unter Berufung auf den Koran fällte. Hat uns der Islam im Griff?
Johannes Kandel: Ich denke nicht, dass „der Islam“ uns im Griff hat. Man muss differenzieren und genau hinschauen. Wir begegnen ganz bestimmten muslimischen Gruppierungen, die sich in Deutschland, ja Europa, als Wortführer „der“ Muslime aufspielen und die Medien beeinflussen. Nach dem 11. September, den Anschlägen auf die USA, ist es selbstverständlich, dass uns „der Islam“ beschäftigen muss. Denn wenn ein grausiger Akt von Terrorismus mit Bezug auf eine Weltreligion begründet wird, dann muss das nicht nur die Nicht-Muslime beschäftigen, sondern in erster Linie die Muslime. Insbesondere seit dieser Zeit diskutieren wir nicht über „den Islam“, sondern über ganz bestimmte Gruppen unter den Muslimen. Und genau diese islamistischen Gruppen sind es, die eindeutig das Ziel haben, Europa zu islamisieren. Insofern hat uns nicht „der Islam“ im Griff, es sind die islamistischen Gruppierungen, deren Absichten uns alarmieren müssen.

Die dunkle und helle Seite des Islam

pro: Entscheidend für unser Verständnis des Islam ist die grundlegende Ansicht, die über den Islam herrscht. Grob gesagt gibt es zwei Richtungen. Die eine ist der Ansicht, der Islam sei eine Religion des Friedens, die andere meint, der Islam sei von seiner Geschichte und seinem Verständnis her eine Religion des Krieges. Was ist denn nun richtig?
Kandel: „Der Islam“ hat eine helle und eine dunkle Seite und ist sicher nicht ausschließlich eine Religion des Friedens, wie uns häufig von muslimischen Gruppen suggeriert wird. Der Islam hat, und zwar bis in die Kernaussagen des Koran hinein, den Anspruch, eine kulturelle und politische Religion zu sein. Mohammed war nicht nur ein spiritueller, religiöser Mensch, sondern auch ein politischer Führer und militärischer Befehlshaber. Diese Aspekte werden seit der Frühzeit des Islam immer zusammen gesehen. Auch wir dürfen diese unterschiedlichen Eigenschaften des muslimischen Religionsgründers nicht isoliert sehen.

pro: Nun vergeht kaum ein Tag, an dem nicht irgendwo in der Republik eine Dialogveranstaltung zwischen Kirche, Politik, gesellschaftlichen Gruppen mit Vertretern des Islam abgehalten wird. Die Quantität der Dialoge ist enorm. Wie aber steht es mit der Qualität?
Kandel: Leider hat die Masse der Dialogveranstaltungen kaum Auswirkung auf die Qualität des Dialogs mit dem Islam. Ich habe selbst erlebt, dass die Dialoge, die etwa von der evangelischen und katholischen Kirche geführt werden, oft keine klaren Zielvorstellungen hatten und in der Methode eher verharmlosend statt sachlich waren. Vielfach werden reine Freundlichkeiten ausgetauscht, man versichert sich gegenseitig, dass man an einen gemeinsamen Gott glaube. Es wird so getan, als ob aus diesem angeblichen Glauben an den einen Gott auch übereinstimmende Auffassungen in gesellschaftlichen oder gar politischen Positionen folgen. Doch kritische Fragen stellen sich die Dialogpartner in der Regel nicht. Dazu gehören etwa die Fragen nach der Gottesvorstellung oder dem Verhältnis des Islam zu den Menschenrechten, der Gleichberechtigung der Religionen im Staat, der Demokratie oder Stellung der Frau. All diese Themen werden, wenn überhaupt, nur sehr leise angesprochen. Es ist ein blauäugiger Dialog, denn wir fragen die islamischen Vertreter selten oder gar nicht nach den Themen, die uns an ihm ärgern.

Von vornherein festgelegte Äußerungen

pro: Nun präsentieren sich islamische Vertreter auch gerne in Talkshows und Medien, um ihre Sicht des Islam darzulegen. Immer wieder, insbesondere nach Gewaltausbrüchen von Anhängern des Islam, wird unermüdlich darauf hingewiesen, dass der Islam doch den Frieden wolle und Gewalt ablehne. Warum aber nehmen so wenige muslimische Offizielle klar Stellung zu den Gründen für Attentate und Gewalt, die Muslime nun einmal aus dem Koran herauslesen?
Kandel: Die Standpunkte und offiziellen Äußerungen von muslimischen Vereins- und Verbandsfunktionären sind häufig von vornherein festgelegt, sie nutzen öffentliche Auftritte zur Selbstinszenierung und Verharmlosung des Islam. Zuschauern, Zuhörern oder Dialogpartnern wird zunächst einmal vermittelt, dass sie vom Islam überhaupt nichts verstehen oder das Wenige, das sie wissen, falsch verstanden haben. Koransuren werden zitiert, aus dem Zusammenhang gerissen und als harmlos dargestellt. Oft nehmen muslimische Vertreter eine Opferrolle ein. Die Kreuzzüge des Christentums, die Inquisition oder ideologische Unterstützung der Kolonialisierung werden den von Muslimen verübten Attentaten oder Gewaltausbrüchen gegenübergestellt. Außerdem beobachte man ja ständig eine Diskriminierung von Muslimen in der westlichen Gesellschaft. Natürlich haben wir Christen allen Grund, kritisch über die eigene Geschichte zu denken. Aber wenn ein Dialog mit Muslimen nur noch möglich sein sollte und kritische Themen im Islam nur noch angesprochen werden können, wenn wir immer wieder die „Skandalchronik des Christentums“ auspacken, dann können wir mit dem Dialog aufhören.

pro: Wobei viele zudem die vielleicht begründete Befürchtung haben, dass in der Öffentlichkeit der Islam als friedliebende Religion präsentiert wird, hinter verschlossenen Moscheetüren den Betern allerdings ein ganz anderes Bild ihres Glaubens eingetrichtert wird: Das des feindlich gesinnten Islam gegenüber der westlichen Gesellschaft.
Kandel: Diese Befürchtung ist zu pauschal. Es gibt sicher Fälle von Predigten in Moscheen, in denen nachweislich „Hetze“ betrieben wird. Doch verallgemeinern kann man dies nicht, obwohl uns diese vereinzelten Fälle zu denken geben müssen. Hinzu kommt jedoch, dass wir über die internen Strukturen von muslimischen Verbänden, Moscheevereinen und Organisationen nichts Genaues wissen. Weil wir nicht erfahren, was hinter verschlossenen Türen tatsächlich gesprochen wird, wächst natürlich auch das Misstrauen gegen Muslime. Die Verschlossenheit gerade von islamistischen Gruppen ist eben auch der Grund dafür, dass einige von ihnen vom Verfassungsschutz beobachtet werden müssen. Und bei dieser Beobachtung stellt sich dann heraus, dass tatsächlich ein „Double-Talk“ praktiziert wird – der natürlich einen Dialog sinnlos macht. Denn solche Gruppen instrumentalisieren den Dialog nur für ihre Zwecke, um sich selbst positiv darzustellen, wollen aber insgeheim die Islamisierung Europas. (…)

Islam sichtbar machen

pro: Gehört das Tragen des Kopftuches, der öffentliche Ruf des Muezzin oder der Bau von Moscheen und Türmen in Städten und Gemeinden zu einer Strategie, den Islam in unserer Gesellschaft immer sichtbarer und hörbarer zu machen?
Kandel: Zweifellos. Spätestens seit Mitte der 80er Jahre erleben wir es, dass sich der Islam in einer religiös-pluralistischen Umgebung darstellt. Das ist jedoch zunächst einmal nichts Negatives. Die Frage ist nur, was daraus folgt. Wenn daraus Ansprüche folgen, die andere Religionen in ihren Freiheiten einschränken oder mit der Sichtbarkeit von religiösen Symbolen ein politischer Gestaltungsanspruch verfolgt wird, dann haben wir ein Problem. In Kanada etwa wurden tatsächlich so genannte „Sharia-Gerichtshöfe“ eingerichtet, vor denen Muslime ihre Streitigkeiten schlichten sollen. Hier schlägt die Sichtbarkeit des Islam in eine schleichende Islamisierung und partielle Dominanz um. Denn stellen wir uns doch einmal vor, eine islamische Frau wird von ihrem Mann verprügelt und nicht ein staatliches Gericht, sondern ein „Sharia-Richter“ bestimmt über den Fall – ich muss wohl kaum erläutern, wie das Urteil ausfällt…

pro: …weil wir das so ähnlich vor wenigen Wochen doch auch in Deutschland erfahren haben. Nur hat sich in dem Fall eine Frau, die von ihrem moslemischen Mann geschlagen wurde und daher die Scheidung beantragte, an einen staatlichen  Gerichtshof, das Amtsgericht in Frankfurt gewandt, und nicht an einen „Sharia-Gerichtshof“. Dennoch wurde ihr von der zuständigen Richterin zu verstehen gegeben: Der Koran rechtfertige die „Züchtigung der Frau“ – deshalb sei eine Trennung nicht möglich.
Kandel: Das ist ein besonders tragischer Fall, denn die Richterin stellte eine sehr umstrittene Aussage des Koran über das Grundgesetz. Es ist gut, dass die Öffentlichkeit gegen diese Entscheidung massiven Einspruch erhoben hat, insbesondere, dass sich auch muslimische Frauenorganisationen deutlich gegen dieses Urteil ausgesprochen haben. Das ist ein positives Zeichen.
pro: Der Koran enthält allgemein so gut wie keine lobenden Worte über Christen, im Gegenteil, zentrale Aussagen des christlichen Glaubens werden abgelehnt. Ist auf dieser Grundlage ein Dialog überhaupt möglich?
Kandel: Die traditionelle Position des Islam ist klar: Im „unerschaffenen, unverfälschten Wort Allahs“, dem Koran, steht bereits geschrieben, was gläubige Muslime über das Christentum wissen müssen. Dort steht etwa, dass Jesus nicht der Sohn Gottes, der Messias im christlichen Sinne war (Sure 4:171; 5:17), aber ein begnadeter Diener Gottes und Prophet (Suren 19:30-31 und andere), dass er nicht am Kreuz zur Erlösung der Menschen gestorben ist (Sure 4:157-158), sondern von Gott in den Himmel „entrückt“ wurde und am Ende der Zeiten als vollkommener Muslim in die Welt zurückkehren wird. Christen werden als die „Leute des Buches“ bezeichnet und sind daher nicht so schlimm wie die Polytheisten und Atheisten. Mohammed hatte sich, nach anfänglicher Sympathie und Dialogbekundungen (z.B. in Sure 16:125; 29:46) gegen die Christen gewandt, weil sie sich beharrlich weigerten, die Wahrheit des Islam anzuerkennen. Christen werden daher als „Ungläubige“ bezeichnet, die zu bekämpfen sind (z.B. Sure 9:29). Nach all diesen und weiteren Aussagen im Koran müsste in einem Dialog deutlich und kritisch gefragt werden – doch das bleibt vielfach aus. (…)

Das ganze Interview lesen Sie in der neuen Ausgabe des Christlichen Medienmagazins pro. Jetzt kostenlos und unverbindlich bestellen: Telefon (06441) 915 151, E-Mail: pro@kep.de

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