Islam-Debatte geht in die nächste Runde

Die Debatte um die Aussage des Innenministers Hans-Peter Friedrich (CSU), dass der Islam historisch betrachtet nicht zu Deutschland gehöre, nimmt kein Ende. Mittlerweile haben sich weitere Politiker, Vertreter des Islam und christliche Geistliche zu Wort gemeldet und streiten über die Rolle des Islam in Deutschland.
Von PRO

Der Innenausschussvorsitzende Wolfgang Bosbach (CDU) und Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) stärken Friedrich den Rücken. Muslime gehörten zwar zu Deutschland, aber, zitiert die Deutsche Presse-Agentur (dpa) Kauder: "Der Islam hat unsere Gesellschaft nicht geprägt und prägt sie auch heute nicht. Der Islam gehört damit nicht zu Deutschland." Diese Haltung unterstützt auch CSU-Chef Seehofer: "Schauen Sie sich doch unsere Kultur, unsere Geschichte an. Da kann man jetzt abweichender Meinung sein, aber die Geschichte und die kulturelle Entwicklung ist ganz eindeutig christlich geprägt."

Diesen Stellungnahmen widerspricht Bundespräsident Christian Wulff (CDU), der seine Aussage, dass der Islam zu Deutschland gehöre, in einem Interview mit dem arabischen Nachrichtensender "Al-Dschasira" am 28. Februar wiederholte. Für diese Äußerung war der Bundespräsident bereits nach seiner Rede zum Tag der Deutschen Einheit aus den Reihen der CDU/CSU kritisiert worden. Unterstützung erhält Wulff vom Bundestagsabgeordneten Ruprecht Polenz (CDU): "Es passt nicht, wenn man sagt, eine Weltreligion gehöre nicht zu Deutschland." Wulff habe auch nie behauptet, dass Deutschland vom Islam ähnlich stark geprägt worden sei wie vom Christentum, berichtet die dpa. Der Chef der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, sagt, er wolle mit Friedrich gemeinsam nach Lösungen suchen, aber: "Wenn der Innenminister Streit sucht, wird er ihn bekommen." Auch Ali Kizilkaya, der Vorsitzende des deutschen Islamrats, ist über Friedrichs Aussage empört. Der Innenminister habe die Islamkonferenz, für die er zuständig ist, als Schau-Veranstaltung in Verruf gebracht.

Bundesinnenminister Friedrich hat sich inzwischen erneut zu Wort gemeldet: "Erfolgreiche Integration setzt beides voraus: Wissen um die gesellschaftliche Realität in Deutschland – zu der rund vier Millionen Muslime gehören – und ein klares Bewusstsein für die christlich-abendländische Herkunft unserer Kultur."

Markus Dröge, Landesbischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, distanzierte sich von den Aussagen des Bundesinnenministers. Der "Rundfunk Berlin Brandenburg" (RBB) zitiert Dröge mit der Aussage, dass die Leitkultur in Deutschland "unsere demokratische, offene, auf Dialog angelegte und den Menschenrechten verpflichtete Ordnung" sei, in die sich jeder integrieren könne, egal welchem Glauben er angehöre. Der katholische Theologe und Experte für den christlich-islamischen Dialog im Erzbistum Köln, Thomas Lemmen, sagte gegenüber dem Kölner Domradio: "Muslime sind seit langem Teil dieser Gesellschaft, nicht erst seit der Arbeitsmigration."

Nikolaus Schneider, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, äußerte sich in einem Interview mit der "Frankfurter Rundschau" zurückhaltend: "Durch den Glauben der Muslime in Deutschland ist auch der Islam da." Allerdings stehe dieser noch "sehr am Anfang" ein fähiger Gesprächspartner zu sein. "Da muss er in der Tat noch richtig ankommen." Der Vorsitzende der konservativen "Konferenz bekennender Gemeinschaften", Ulrich Rüß, stimmte Friedrichs Aussage voll und ganz zu. Es sei unbestritten, dass Deutschland die Kultur und Traditionen dem Christentum zu verdanken habe, sagte der Vorsitzende dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die "Konferenz bekennender Gemeinschaften" vertritt konservative Christen in der evangelischen Landeskirche.

"Der Islam gehört nicht in unsere ‚historisch-religiöse DNA’"

"Spiegel-Autor" Matthias Matussek stellt sich in seinem Artikel “Warum der Minister recht hat“ klar hinter Friedrich. Seine Aussage decke sich sogar mit den Worten des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdoğan, der seine Landsleute vor zu viel Assimilation warnte. Matussek schreibt, dass die losgelöste Debatte gar nicht mehr mit der eigentlichen Aussage des Innenministers übereinstimme. Friedrich sprach von Geschichte. "Nun warten wir auf eine Widerlegung, und bekommen stattdessen Belehrungen zum interkulturellen Knigge." Niemand habe bisher konkrete Belege gegen die Aussage Friedrichs vorbringen können. Weiterhin hält es der Autor für zulässig, die gefährliche Seite des Islamismus zu betrachten und Bedenken zuzulassen: "In Ägypten hält die Mehrheit Steinigung bei Ehebruch, Handabhacken bei Diebstahl und die Todesstrafe beim Abfall vom Islam für wünschenswert, und das war VOR dem Umsturz." Matussek macht deutlich, dass auch er einige muslimische Freunde habe, "trotzdem gehört der Islam nicht zu Deutschland, geschichtlich, er gehört nicht in unsere historisch-religiöse DNA, denn die ist, allen Unkenrufen zum Trotz, immer noch christlich."

In dem Artikel "Von Christen, Heiden, Juden und Muslimen" behauptet Yascha Mounk in "The European", dass niemand eigentlich wisse, worum es in dieser Debatte gehe und was Friedrich tatsächlich mit seiner Äußerung gemeint habe. Sollte sich seine Aussage darauf beziehen, dass sich die deutschen Gesetze nicht nach den Dogmen des Korans richten, wäre die Äußerung des Innenministers korrekt. Allerdings liefert Mounk auch ein Gegenargument, denn wenn das Christentum zu Deutschland gehörte, was für Friedrich eine Tatsache sei, dann müsse das Land sich auch an die Gesetze der Bibel halten. Dies sei aber nicht der Fall, denn andernfalls "müsste die gute Angela einige ihrer engsten Mitstreiter, von Guido Westerwelle bis hin zu Horst Seehofer, im Gefängnis besuchen". (pro)

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