Ludwig macht in seinem Beitrag deutlich, dass der Begriff "Islamophobie" nicht nur von Muslimverbänden inflationär benutzt werde, "wann immer sie Kritik am Islam wittern; auch zahlreiche europäische Intellektuelle sind damit rasch bei der Hand". Noch nie habe indes jemand der Regierung Erdogan vorgeworfen, sie sei christophob. "Und wenn in Pakistan, Ägypten, Algerien oder dem Irak Christen aus dem einzigen Grund ermordet, entführt oder vertrieben werden, weil sie Christen sind, sieht niemand Christophobie am Werk", schreibt der studierte Anglist und Theologe. Zweifellos gebe es irrationale Ängste, also Phobien, gegenüber allen Religionen, doch es sei bemerkenswert, dass im internationalen Sprachgebrauch allein das Wort "islamophob" existiere.
Ähnliches gelte für den Ausdruck "antiislamischer Rassismus". Ludwig argumentiert: "Gäbe es so etwas, müsste der Islam eine ethnische Grundlage haben oder zumindest den Anspruch, eine bestimmte ethnische Gruppe (‚Rasse‘) zu repräsentieren." Genau das aber widerspräche seinem Wesen fundamental, wolle er doch alle Menschen erreichen. Wenn Islamkritiker unter den Generalverdacht des Rassismus gestellt würden, sei die moralische Hierarchie fest verankert.
Der Autor, der lange für die "Gesellschaft für bedrohte Völker" gearbeitet hat, kritisiert in dem Essay auch die Unterscheidung zwischen "islamisch" und "islamistisch". Allgemein gelte, "islamisch" sei die korrekte Auslegung des Korans; "islamistisch" die Variante von Fanatikern, die den Koran missbrauchen. "Nun mag es durchaus sinnvoll sein", schreibt er, "einen Sufi-Mystiker von einem Al-Qaida-Kämpfer schon rein begrifflich abzugrenzen", doch einen solchen Unterschied gebe es wiederum nur für den Islam. Mit dem Hinweis auf hinduistische Fanatiker und die Kreuzzüge macht Ludwig deutlich, dass es im Bezug auf den Hinduismus und das Christentum keine vergleichbare Unterscheidung gebe.
"Differenzierung ist ideologischer Natur"
"Die Exklusivität nährt den Verdacht, dass die Differenzierung ideologischer Natur ist", schreibt Ludwig. "Wenn das gewaltbereite Potenzial semantisch ausgegrenzt wird, hat es mit der Religion nichts mehr zu tun." Der Autor weist allerdings darauf hin, dass der Islam eben nicht eine im Kern friedliche Religion ist, sondern dass es im Koran beide Traditionen gebe, "die friedliche aus der frühen Mekka-Zeit und die militante aus der späteren Medina-Zeit, als Mohammed aktiv an den Auseinandersetzungen um die Vorherrschaft teilgenommen hat". (pro)