„Welcome, dear guests to our church“, beginnt Pastor Isaac Ndayizeyre den Gottesdienst, stockt kurz und korrigiert sich dann: „Welcome to our church – es gibt keine Gäste im Haus des Vaters, nur Geschwister.“
Hier, sagt er, wird kein Unterschied gemacht zwischen uns, den weißen Deutschen, die ein soziales Projekt in der Stadt besuchen, das von Tearfund finanziert wird, und ihm und seiner Kirche, in der einige hundert ruandische Christen einen fröhlichen Gottesdienst feiern. Es ist bereits der zweite an diesem Sonntag: Der erste begann um 7 Uhr in Kinyarwanda, der Landessprache Ruandas. Jetzt, kurz nach 10Uhr beginnt ein Gottesdienst in Englisch, am Nachmittag wird es wieder in Kinayrwanda weitergehen …
Gemeinsam Kinder Gottes
„Wir sind Ruander“, betont Pastor Isaac. Das sei wichtig, denn hier gebe es heute keine getrennten Ethnien mehr, keine Hutu, keine Tutsi und keine Twa – nur Kinder Gottes. Das ist ein starkes Bekenntnis in Kigali, der Hauptstadt von Ruanda, dem Land, in dem vor gut dreißig Jahren einer der brutalsten Genozide der Menschheitsgeschichte stattfand. Zwischen dem 7. April und dem 5. Juli 1994 ermordeten Hutu binnen weniger Wochen Hunderttausende Angehörige der anderen Volksgruppen in dem zentralafrikanischen Land – meist mit Macheten.
Pastor Isaac leitet die Pentecostal Church of Ruanda (ADEPR). Mit fast drei Millionen Mitgliedern und mehr als 3000 Ortsgemeinden sowie Schulen, Krankenhäusern und anderen sozialen Einrichtungen ist die ADEPR die größte Kirche Ruandas, das heute rund 14,3 Millionen Einwohner zählt. „Wenn Frieden, Versöhnung und Heilung geschehen sollen“, erklärt er, „dann ist das Erste, was aufhören muss, eine Einteilung der Menschen nach sogenannten Rassen, nach Hautfarben oder sonstigen Merkmalen. Wir alle sind Geschöpfe des gleichen Gottes – ohne Unterschiede. Dass wir den Hass überwunden haben und heute in Frieden leben, ist eine Gnade, für die wir Gott nicht genug danken können.“
Umuganura – das ruandische Erntedankfest
Der Dank steht an diesem Tag im Mittelpunkt. Heute wird der Abschluss des „Umuganura“ gefeiert, der „Woche der Dankbarkeit“. Dieses traditionelle Erntedankfest endet jeder Jahr im August mit einem „Gottesdienst der Dankbarkeit“, den alle Kirchen im Land begehen. In ökumenischer Verbundenheit gab es an jedem Abend der Woche in einer anderen Kirche eine Veranstaltung. Gemeinsam danken Katholiken, Protestanten und Pfingstler Gott für das, was seit 1994 an Gutem im Land entstanden ist.
Drei Stunden lang wechseln Lobpreis, biblische Impulse, Zahlen und Fakten zur gesellschaftlichen Entwicklung im Land und persönliche Zeugnisse einander ab. Ein Mann berichtet von seiner Haft, und wie sehr er heute seine Taten bereut. Er dank Gott und der Kirche, dass er die Chance auf einen Neuanfang bekommen hat. Er stimmt ein traditionelles Lied an, die Gemeinde stimmt ein. Eine Frau stellt eine Statistik vor: in den 1960er Jahren besuchten nur 15 Prozent der Kinder eine Grundschule. Heute besuchen mehr als 90 Prozent eine weiterführende Schule. Jubel und Applaus erfüllen den Raum.
Pastor Isaac, er ist 45 Jahre alt, ergänzt: „Für mich war es ein Wunder, die weiterführende Schule besuchen zu können. Ich war der Einzige aus meinem Dorf – sogar das Regionalradio berichtete darüber“. Seine Gemeinde war so stolz auf ihn, dass er der neue Pastor werden sollte. „Aber, das wirkliche Wunder ist: Heute gehen alle Kinder zur Schule – und es gibt keine getrennten Schulen mehr.“
Erneut bricht Begeisterung aus und mündet in ein Lobpreislied. Bericht reiht sich an Bericht, die Stunden verfliegen. Auch wir Deutschen lassen uns mitreißen: Wir klatschen und tanzen – oder versuchen es zumindest .„Wie wäre es, wenn wir in Deutschland die 35 Jahre seit der Wiedervereinigung nur halb so fröhlich feiern würden wie die Menschen hier“, schießt mir durch den Kopf. „Was würde das mit unserem Land machen?“
Doch schon folgt der nächste Erlebnisbericht und reißt mich aus meinen Gedanken. Die Menschen stehen Schlange, um ihre Erfahrungen zu teilen. Hätte nicht bald der nächste Gottesdienst begonnen, es wäre wohl ewig so weiter gegangen.
Schließlich beendet Pastor Isaac den Gottesdienst. Er spricht den Segen – und lädt ein, nächste Woche, oder, mit Blick auf uns Besucher aus Deutschland, im nächsten Jahr, wieder zu kommen. Er breitet die Arme aus: „Don´t forget, this is the house of your father. You are allways welcome. Everybody.“ – „Vergesst nicht, dies ist das Haus eures Vaters, ihr sei immer willkommen. Jeder.“