Iraks religiöse Minderheiten brauchen mehr Unterstützung

Die Reise von Papst Franziskus in den Irak war ein wichtiges Signal, die Bilder gingen um die Welt. Doch so wichtig solche Bilder und Schlagzeilen vor allem in der orientalischen Welt sind: Nun müssen konkrete Taten folgen. Ein Gastkommentar von David Müller, ojcos-stiftung
Von PRO
David Müller wünscht sich, dass aus dem Papstbesuch im Irak Taten folgen

Jahrzehntelange Kriege und nicht zuletzt der Terror des IS haben eine Atmosphäre der Hoffnungslosigkeit und des gegenseitigen Misstrauens zwischen den vielen verschiedenen Gruppen im Irak hinterlassen. Eine der Hauptfluchtursachen ist das grundsätzlich verlorengegangene Vertrauen in eine wie auch immer geartete positive Zukunft. Die wichtigsten Ursachen, die behoben werden müssen, sind die fehlende Sicherheit, unzureichende Arbeitsmöglichkeiten und eine ausbleibende Aufarbeitung des erlittenen Unrechts.

Bisher wurde aus dem Ausland viel humanitäre Hilfe geleistet, für die die Menschen vor Ort sehr dankbar sind. Der Wiederaufbau von Infrastruktur ohne Sicherheit für das (Über-)Leben ist jedoch keine echte Perspektive. Die Christen und religiösen Minderheiten befürchten, erneut Opfer von innermuslimischen Auseinandersetzungen zu werden. Auch wenn der IS formell besiegt ist, so ist er doch in den letzten Monaten wieder erstarkt und sein Denken ist in vielen Regionen noch weit verbreitet. Das Vorhandensein verschiedenster (oft Iran-orientierter) Milizen sorgt für weitere Unsicherheit. Hier braucht es – auch aus deutschen christlichen Kreisen – mehr Unterstützung der irakischen Zivilgesellschaft! Jeder Euro, der für kurzfristige humanitär-diakonische Hilfe gespendet wird, sollte durch einen zweiten Euro für langfristige, gesellschaftliche Entwicklungsziele ergänzt werden.

Außerdem muss die religiöse Vielfalt des Iraks wieder deutlich im öffentlichen Bewusstsein und der nationalen Gesetzgebung verankert werden. Dabei haben beispielsweise die aktuellen Lehrpläne eine große Bedeutung: Die Zeit der Hochkulturen Mesopotamiens, in der auch die christlichen Kirchen ihre Wurzeln haben, wird heute komplett ignoriert. Die Geschichte Iraks beginnt in den Schulbüchern erst mit dem Auftreten des Islams viele Jahrhunderte später. Damit ist die Geschichte der Ureinwohner des Iraks (Christen, Jesiden, Mandäer, Juden und weitere) weitestgehend unbekannt. Dieser Nährboden für Vorurteile, Diskriminierung bis hin zum Terror muss ein Ende haben!

Gefährliche Situation für Konvertiten

Und ganz nebenbei: Es gibt bisher keine nationale Diskussion über Ursachen und eine zukünftige Vermeidung des IS-Terrorismus. Die verschiedenen Strömungen des Islam müssen sich der Auseinandersetzung stellen. Eine öffentliche Debatte ist dringend notwendig.

Religionsfreiheit ist eine existenzielle Notwendigkeit für ein friedliches Zusammenleben der religiös geprägten irakischen Gesellschaft. Die Verankerung von islamischem Recht in der irakischen Verfassung unterminiert die gleichzeitige Betonung der Menschenrechte. Eindrückliche Beispiele sind die Kinder der von IS-Terroristen vergewaltigen jesidischen Frauen. Diese sind rechtlich Muslime und können deshalb nicht gefahrlos Jesiden werden und in ihre Gemeinschaft zurückkehren. Die Situation der zu Christen gewordenen Muslime ist ähnlich gefährlich.

Sollte es in naher Zukunft nicht gelingen das Land zu stabilisieren und diese grundsätzlichen Probleme zu beheben, werden weitere Flüchtlingsströme Richtung Westen aufbrechen – mit verheerenden Folgen für die Region und einer unausweichlichen Verschärfung der Situation in Deutschland und Europa. Das daraus wachsende neuerliche Elend sollten wir nicht tatenlos abwarten!

David Müller ist bei der ojcos-stiftung als politischer Fürsprecher zuständig für Religionsfreiheit im Irak. Er besucht regelmäßig das Land und berät politische Entscheider in Deutschland.

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