Inländerfeindlichkeit: Keine Frage der Religion?

Jugendliche Migranten sind gewaltbereiter – aber nicht nur aufgrund ihrer Religion. Das hat der Erziehungswissenschaftler Ahmet Toprak im Interview mit der "Tageszeitung" (taz) erklärt. Inländerfeindlichkeit an Schulen der Bundesrepublik habe einen anderen Grund: Oft fühlten sich Kinder von Einwanderern benachteiligt.

Von PRO

"Diskriminierung gibt es immer dort, wo es Machtgefälle gibt", sagt Toprak. Im Gegensatz zu früher seien deutsche Schüler an Bildungseinrichtungen in Berlin oder Essen mittlerweile in der Minderheit. "Bei manchen Schülern mit Migrationshintergrund hat sich ein enormer Frust aufgebaut, weil sie sich an der Gesellschaft nicht so beteiligen können, wie sie wollen", erklärt Toprak. "Mit der sogenannten Deutschenfeindlichkeit lassen sie den Frust raus."

Untersuchungen zeigten: "Wenn an anderer Stelle etwas nicht funktioniert, werden Männlichkeit und Religion zu Ankern, über die sich die Jugendlichen in der Gesellschaft positionieren. Diese Mischung kann zu Gewalt führen, muss es aber nicht." Es gebe keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen Religiosität und Gewalt. "Die Religion ist nicht das Entscheidende", sagt Toprak. "Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass Migrantenjugendliche – unabhängig von ihrer Religion – gewaltaffiner sind. Die Wissenschaftler sind sich aber im Kern einig, dass Religion und ethnische Herkunft nicht die entscheidenden Kriterien sind. Wichtiger sind Bildung, Perspektivlosigkeit, eingeschränkte verbale Fähigkeiten, eigene Gewalterfahrungen, ein traditionelles Männlichkeitsbild. Bei Migranten ist all das häufiger anzutreffen, weil sie vor allem in sozialen Unterschichtsmilieus mit geringem Bildungsniveau unterwegs sind."

Erst im November hatte Bundesfamilienministerin Schröder eine "gewaltverherrlichende Machokultur bei Muslimen" festgestellt und mit entsprechenden Studien für Wirbel gesorgt. Auch der Film "Kampf im Klassenzimmer" der Journalistin Nicola Graef behandelt das Thema Inländerfeindlichkeit. In der aktuellen Ausgabe des Christlichen Medienmagazins pro kritisiert sie die Kirchen: "Ich habe in der ganzen Diskussion nicht einmal eine starke Reaktion der Kirchen gesehen. Das hat mich sehr verwundert und verärgert." Der Grund: "Es wäre doch eine Chance für die Kirche, ihre Position in der Gesellschaft wieder stärker in den Fokus zu bringen und zu sagen: ‚Wir sind die soziale Institution, die genau für diese Menschen- und Nächstenliebe zuständig ist. Und wir sehen, dass es hier ein massives Problem gibt, das auch noch zum Teil religiös motiviert ist." (pro)

https://www.pro-medienmagazin.de/426.html
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