In der letzten Schlacht: Harry Potter, der ehemalige Kinderheld

Auf Deutsch erscheint der siebte Band der Reihe "Harry Potter" zwar erst am 27. Oktober, aber auch hierzulande hat das englische Original bereits viele Leser in seinen Bann gezogen. Mit Rekordverkaufszahlen kam das mit Spannung erwartete Buch "Harry Potter and the Deathly Hallows" am 21. Juni auf den Markt - in den ersten 24 Stunden wurden in Deutschland fast 400.000 Exemplare verkauft. Die Massen sind begeistert - und Christen fragen: Wie können und sollen wir mit dem Boom umgehen?
Von PRO

Von Elisabeth Hausen

Auch im letzten Band aus der Feder von Joanne K. Rowling, dessen deutsche Ausgabe den Titel „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes“ tragen wird, versucht der böse Zauberer Voldemort wieder, Harry zu töten. Doch diesmal hat er mehr Macht. Er errichtet ein totalitäres Regime, das sicherlich durch die Herrschaft der Nazis und der Kommunisten inspiriert wurde: Übernahme des Ministeriums und der Schule, Gleichschaltung, ein „Feindsender“, den man schwer findet, der aber die Wahrheit berichtet. Nicht-magische Menschen, die Rowling als „Muggle“ bezeichnet, und so genannte „Halbblütler“ werden in einer Weise verfolgt, die an die Juden im Dritten Reich denken lässt. Wer einen von ihnen abliefert, erhält eine Belohnung. Die ist bei Harry besonders groß – er gilt als „Persona non grata Nr. 1“. Wenn jemand den Namen „Voldemort“ ausspricht, wird dies sofort bekannt. Auf diese Weise gerät auch Harry mit seinen Freunden in die Hände der „Snatchers“, die überall auf Muggle und Gesetzesübertreter lauern.

Kein Kinderbuch

Die „Süddeutsche Zeitung“ schrieb treffend, „Harry Potter and the Deathly Hallows“ sei „erwartungsgemäß in vielen Dingen eine Steigerung der Siebener-Serie: Es ist brutaler, schneller, es sterben mehr Menschen, es wird mehr gekämpft. Seitenweise Beschreibung von Pflanzenkunde-Unterricht oder Quidditchtraining haben keinen Platz mehr. Es ist ernst jetzt. Die Zauberwelt ist im Krieg“. Der Literaturkritiker Michael Maar beantwortete denn auch gegenüber der „Welt“ die Frage, ob es sich um ein Kinderbuch handele, ganz klar: „Bis auf den Epilog: Nein. Rowling scheint es manchmal selbst zu vergessen, dass sie offiziell ja noch für Kinder schreibt, dann häuft sie Fremdwörter und Begriffe, die dort nichts zu suchen hätten… Davon abgesehen erfindet sie so viele Gruselszenen und ist so explizit in der Ausmalung der Todesangst, dass man es Kindern nicht gern zumuten möchte.“

Doch was ist das Besondere dieses Buches? Jeden Tag erscheinen zahlreiche Neuausgaben, viele von ihnen ganz sang- und klanglos. Ist „Harry Potter“ so viel interessanter, lesenswerter und wertvoller als die zahlreichen anderen Bücher? Sicherlich nicht. Die Reihe fängt mit einem Kinderbuch an und endet mit einem Band, der Kindern nicht zu empfehlen ist. Die Handlung ist nicht außergewöhnlich, manches ist von anderen Autoren abgeschaut. Dennoch – vermutlich werden die Potter-Bände bei einigen Lesern die einzige Lektüre bleiben. Andere mögen dadurch für das Lesen gewonnen werden.

Potter aus christlicher Sicht

In christlichen Kreisen wird oft die Zauberei in den Mittelpunkt gestellt, die bei Harry Potter durchaus eine zentrale Rolle einnimmt. Dennoch ist hier nicht unbedingt der Ansatzpunkt für die Frage nach dem Wert der Bücher zu suchen. Schließlich kommt Magie auch bei C.S. Lewis vor, und der Erfolg des ersten Narnia-Filmes wurde von vielen Christen mit Begeisterung aufgenommen. Zu fragen ist vielmehr, welchen Einfluss Buch oder Film auf das Denken gerade des jungen Lesers hat. Wer „Der König von Narnia“ zuschlägt, kann erleichtert aufatmen: Der Löwe Aslan hat sich zwar für den Jungen Edmund geopfert, ist aber wieder auferstanden, weil er schuldlos war. Auch der letzte Band der Potter-Heptalogie endet mit den Worten „All was well“ – alles war also gut. Und in der Tat ist das Ende sehr friedlich, es mag nicht so recht zu den aufregenden Seiten davor passen. Doch was hat sich davor abgespielt?

Eine Schlacht, die natürlich ausgerechnet in der Schule stattfinden muss und bei der es mehr als 50 Tote gibt – darunter mehrere Personen, die Harry nahe standen. Eine Suche nach „Horkruxen“, also verschiedenen Seelenteilen des bösen Zauberers Voldemort, der seine Seele zerrissen hat, um sich dadurch unsterblich zu machen. Diese Suche spielt sich meist in einer düsteren und einsamen Atmosphäre ab. In den vorigen Bänden war zumindest das Internat noch ein Zufluchtsort gewesen, der einigermaßen sicher war. Doch diesmal verzichtet Harry auf die Schule und führt ein unstetes Leben. Jederzeit sind er und seine Freunde fluchtbereit. Immer wieder scheitern sie kurz vor dem Ende einer Unternehmung oder geraten in akute Gefahr. Selbst für Harry ist das zu viel der Aufregung, wie er vor dem Epilog feststellt.

„Der letzte Feind, der besiegt wird, ist der Tod.“

Auch der abschließende Band spart nicht mit christlichen Anspielungen und bietet damit wie seine Vorgänger Anknüpfungspunkte für Gespräche. An Heiligabend kommt Harry mit seiner Mitschülerin Hermine durch eine Ortschaft, in der sich die Leute zum Gottesdienst versammelt haben. Auf dem Friedhof besuchen sie die Gräber seiner Eltern und der Familie des früheren Schulleiters Albus Dumbledore. Auf dem Grabstein der Dumbledores steht: „Wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz“. Beim Ehepaar Potter findet sich der Spruch: „Der letzte Feind, der besiegt wird, ist der Tod“. Die beiden jugendlichen Zauberer wissen damit nichts anzufangen und bringen den Satz zuerst mit den so genannten „Todessern“ in Verbindung – also mit den engsten Anhängern des „Dunklen Lords“. Mehrere Male zitiert ihn die Autorin im weiteren Verlauf der Handlung, aber sie weist nie auf das Neue Testament als Quelle hin.

Neben den Bibelzitaten kommen weitere christliche Themen vor. Noch einmal wird betont, dass Harry als Baby Voldemorts Angriff überlebte, weil sich seine Mutter schützend vor ihn stellte. Die Eltern starben, die Liebe rettete das Kind. Der böse Zauberer weiß nichts von Liebe und hat deshalb Angst vor dem Tod. Auch das Thema Reue kommt in dem Buch vor: Ein Absolvent von Hogwarts, der nur auf Karriere aus war und seine Familie vernachlässigt hat, erkennt seinen Fehler. Er schließt sich vor dem abschließenden Kampf der guten Seite an und versöhnt sich mit seinen Angehörigen, die ihn gerne wieder aufnehmen. Eine Mutter, die zu einer bösen Familie gehört, macht sich am Ende mehr Sorgen um ihren Sohn als um ihren Dienst für Voldemort. Deshalb hilft sie Harry, obwohl sie ihn eigentlich als den schlimmsten Feind betrachten müsste. Die Botschaft „Veränderung ist möglich“ findet sich also auch in diesem Buch wieder.

Literaturkritiker Maar sieht in Voldemort und seinem Clan „satanistische Züge“. Die Warnungen von Papst und Evangelikalen kann er nicht nachvollziehen: „Selbst wenn in Hogwarts Tischgebet und Kirchgang fehlen, ist die Ethik zart christlich grundiert. Das Überleben der Seele nach dem Verrotten des Körpers wird als Selbstverständlichkeit gegen Voldemorts Horkrux-Obsession gesetzt. Und im Finale folgt der Held einem berühmten Vorgänger, wenn er freiwillig sein Leben opfert, auf dass eine Prophezeiung sich erfülle und die Menschen vom Bösen erlöst werden.

Aber vielleicht empfände Benedikt gerade diese Ölberg-Anspielung als Blasphemie.“ Wie auch immer, die Meinungen gehen auseinander. Dennoch sind sich die meisten über eines einig: Kinder sollten die Finger von Band 7 lassen. Und mit Jugendlichen sollten (christliche) Eltern über die Themen sprechen – damit das Gute in den Köpfen der Leser nicht ganz durch Voldemort und Co. verdrängt wird.

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