Imam soll Koranseiten selbst verbrannt haben – 11-Jährige weiter in Haft

Seit Wochen sitzt in Pakistan eine 11-jährige Christin in Haft, weil sie Seiten des Koran verbrannt haben soll. Jetzt hat die Polizei einen Imam festgenommen, der die junge Christin zu Unrecht der Tat beschuldigt und ihr die angebrannten Koranseiten untergejubelt haben soll.
Von PRO

Die pakistanische Polizei hat einen islamischen Geistlichen festgenommen, der ein christliches Mädchen zu Unrecht der Gotteslästerung beschuldigt haben soll. Wie ein Polizeisprecher am Sonntag in Islamabad mitteilte, soll der Imam dem geistig behinderten Mädchen verbrannte Seiten des Koran in die Tasche geschmuggelt und es anschließend wegen "Blasphemie" angezeigt haben. Das Mädchen sitzt seitdem in Haft. Der Mann sei nach Hinweisen eines Augenzeugen bereits am Samstagabend festgenommen worden, so der Sprecher weiter.

Unklar blieb zunächst, welche Auswirkungen die Festnahme des Imams auf den Fall des Mädchens hat, dessen Inhaftierung Mitte August heftige Proteste ausgelöst hatte. Nach Polizeiangaben hatten Nachbarn das Mädchen zur Wache gebracht, nachdem es vor dem Elternhaus in einem armen Vorort von Islamabad Seiten des Korans verbrannt haben soll.

Über das Alter und den geistigen Zustand des Mädchens gibt es unterschiedliche Angaben. Während die Familie das Alter mit 11 Jahren angibt, geht die Polizei davon aus, dass das Mädchen 16 Jahre alt ist. Zudem soll es nach Behördenangaben am Down-Syndrom erkrankt sein. Ärzte hatten das Mädchen vor wenigen Tagen auf unter 14 Jahre geschätzt und gesagt, sein Intelligenzquotient sei nicht altersgemäß.

Ungeachtet dessen lehnte ein Gericht am Samstag die Freilassung der jungen Christin ab. Auch eine geplante Anhörung wurde verschoben. Die Richter fällten ihre Entscheidung vor Bekanntwerden der Festnahme des Imams. Der Verteidiger des Mädchens warf der Staatsanwaltschaft eine Verzögerungstaktik vor. Er forderte die sofortige Freilassung seiner Mandatin: "Die Ärzte haben bereits gesagt, dass sie minderjährig ist und einen niedrigen Intelligenzquotienten hat."

Angeklagte nach Freilassung gelyncht

Pakistans umstrittenes Blasphemie-Gesetz ist im Strafgesetzbuch verankert. Es verbietet die Beleidigung jeder Religion, wird aber in der Praxis bei angeblicher Herabsetzung des Islam angewandt. Die schwersten Strafen können bei Schändung des Korans (lebenslange Haft) und des Namens des Propheten Mohammed (Todesstrafe) verhängt werden.

Zwar ist in Pakistan nie ein Todesurteil wegen Blasphemie vollstreckt worden, mehrere Angeklagte wurden aber nach ihrer Freilassung gelyncht. Islamisten laufen Sturm gegen Änderungen des Gesetzes. In seiner jetzigen Form wurde es 1986 von Militärdiktator Muhammad Zia ul-Haq eingeführt. Religiöse Minderheiten und liberale Muslime fordern einen besseren Schutz vor Missbrauch des Gesetzes. Minderheiten wie etwa Christen werden überproportional oft angeklagt.

Im vergangenen Jahr waren der Minister für Minderheiten – der einzige Christ in der Regierung – und der Gouverneur der Provinz Punjab ermordet worden. Beide hatten das Gesetz kritisiert, das oft missbraucht wird, um persönliche Gegner anzuschwärzen. (pro/dpa)

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