Im Zweifel für die Beziehung

Eine Frau kündigt ihren Beruf, um zu ihrem Partner zu ziehen. Da sie nicht verheiratet oder verlobt sind, steht ihr in den ersten Wochen kein Arbeitslosengeld zu. Doch nun entschied das Landessozialgericht Niedersachsen anders. Damit stärkt es die partnerschaftliche Beziehung an sich. Allerdings könnte das Urteil ein anderes Prinzip langfristig infrage stellen. Ein Kommentar von Jonathan Steinert
Von Jonathan Steinert
Der Partner kann ein wichtiger Grund sein, um einen Arbeitsplatz aufzugeben

Sie wohnt und arbeitet in Schleswig-Holstein, er zwischen Bremen und Hannover in Niedersachsen. Sie lernen sich 2011 kennen, werden ein Paar. Ihre Freizeit verbringen sie zusammen, kümmern sich umeinander, legen ihre Finanzen zusammen – und planen, auch zusammen zu wohnen. Die Frau bewirbt sich mehrmals, um in der neuen Heimat eine Arbeit zu haben. Doch sie bekommt keine Stelle und kündigt schließlich ihren alten Arbeitsplatz, um trotzdem zu ihrem Partner ziehen zu können. Sie meldet sich arbeitssuchend, bekommt aber zunächst kein Geld von der Agentur für Arbeit: Wer aus „nicht wichtigen“ Gründen seinen Arbeitsplatz aufgibt, muss mit einer Sperre von zwölf Wochen rechnen, bis er Anspruch auf Leistungen der Arbeitslosenversicherung hat. Das trifft aus Sicht der zuständigen Arbeitsagentur zu – die Frau sieht es anders und klagt.

Denn es gibt Ausnahmen von dieser Sperre – „wichtige Gründe“, etwa, wenn ein Ehepartner zum anderen zieht und deshalb kündigt, oder wenn die beiden zumindest verlobt sind. Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat nun entschieden, dass auch die unverheiratete Klägerin von Anfang an Arbeitslosengeld bekommen soll. Die Sperre an einen Familienstand zu knüpfen, sei „nicht mehr zeitgemäß“. Außerdem sei diese Regelung kein Instrument dafür, eine bestimmte gesellschaftspolitische Vorstellung durchzusetzen.

Der „wichtige Grund“ für eine Kündigung sei „kein Privileg für Ehegatten, sondern gelte uneingeschränkt für alle Arbeitslosen in ihrer aktuellen und spezifischen Lebenssituation“, argumentierte das Gericht. Auch andere „gewichtige Umstände“, als unverheiratetes Paar zusammenzuziehen, seien denkbar, wie ein Krankheitsfall oder eine Schwangerschaft. Wenn in solchen Fällen der Arbeitnehmer dafür kündige, sollte das auch nicht als„versicherungswidrig“ angesehen und bestraft werden, indem er erst später Arbeitslosengeld bekommt.

Christen sollten sich für die Ehe stark machen

„Kontinuität, Verantwortung und Fürsorge“ prägten die Partnerschaft der Klägerin, meinte das Gericht, und sah das als einen wichtigen Grund an, den Arbeitsplatz zu kündigen, um beieinander zu wohnen. Das ist eine erfreuliche Entscheidung. Denn auf diese Weise stärkt das Gericht die Partnerschaft. Hier hat eine Frau zugunsten menschlicher Nähe und stabiler Beziehung auf Einkommen und Sicherheit im Beruf verzichtet. Wenn Menschen füreinander da sind, ist das grundsätzlich unterstützenswert. Es ist gut, dass dabei nicht mehr eine bestimmte Familienform bevorzugt wird. Denn auch für ein unverheiratetes Paar kann eine Fernbeziehung belastend sein. Deshalb ist es nur einleuchtend, den Lebensgefährten als wichtigen Grund für die Kündigung der eigenen Arbeitsstelle anzusehen. Die Argumentation des Gerichtes ist daher plausibel und nachvollziehbar.

Eine Frage stellt sich allerdings: Im Grundgesetz, Artikel 6, sind Ehe und Familie unter den besonderen Schutz des Staates gestellt. Privilegien, wie die Sperre des Arbeitslosengeldes für Ehepartner aufzuheben, sind letztlich eine Ausformung dieses Grundsatzes. In der Folge der aktuellen Entscheidung könnten weitere Ansprüche eingeklagt werden, die bisher der Ehe vorbehalten sind. Das Ehegattensplitting beim Steuerrecht etwa ist schon länger in der Diskussion. Insofern stellt sich die Frage, worin auf lange Sicht der besondere Schutz der Ehe bestehen soll. Andererseits hebt es den Wert der Institution Ehe kaum, wenn der wesentliche Anreiz, zu heiraten, der Vorteil bei Steuer und Versicherung ist.

Um den ideellen Wert der Ehe zu schützen, hat der Staat ohnehin nur begrenzte Möglichkeiten. Hier sind vor allem auch Christen als Einzelne und Kirchen grundsätzlich gefragt, sich für die Verbindung stark zu machen, die Gott in der Schöpfung gesegnet hat. Dass das Gericht in diesem Fall „pro Beziehung“ entschieden hat, auch wenn damit die Ehe um ein Privileg ärmer ist, ist trotzdem gut. Denn es hat in unserer leistungsgetriebenen Zeit signalisiert, dass der Mensch und seine Beziehungen im Zweifel wichtiger sind als die Zwänge des Arbeitsmarktes.

Von: Jonathan Steinert

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