Im Kampf gegen moderne Sklaverei

Die Sozialarbeiterin Pranitha Timothy überlebte einen Hirntumor – nun kämpft sie gegen Sklaverei und Menschenhandel. Wie die Kraft Gottes ihr Leben veränderte und aus ihr eine Kämpferin für die Rechte indischer Kinder, Männer und Frauen machte, erzählt ihre packende Biografie „Liebe ohne Grenzen“. Eine Rezension von Simeon Knöß
Von PRO
Sagt Menschenrechtsverletzungen in Indien den Kampf an: Pranitha Timothy
Pranitha Timothy hat eine schwere Kindheit. Sie hört ihre Mutter in einem Gespräch sagen, dass sie ein ungewolltes Kind sei. Durch eine Behandlung wegen ihres Asthmas bekommt sie am ganzen Körper schwarze Flecken. In der Schule steht sie im Schatten ihrer großen Geschwister. Obwohl sie in christlichem Umfeld aufwächst, erkaltet ihr Herz. In ihrer Biografie „Liebe ohne Grenzen“ spricht die Autorin ganz offen über diese Erfahrung. Das Demütigen ihrer Mitschülerinnen empfindet sie als Genugtuung. In ihren Gedanken quält und tötet sie Menschen. Ihre künstlerische Begabung fließt in Bilder von Dämonen. Nach der Ausbildung weiß sie nichts mit sich anzufangen, als ihr bei ihrer Schwester ein Buch über die oberste Hexe Amerikas in die Hände fällt, die zu Gott findet. Davon tief beeindruckt beschließt sie, ihr Leben zu ändern. Sie fühlt sich frei und beginnt mit einem Studium in sozialer Arbeit.

Wenn Pastoren nicht mit einer Frau arbeiten wollen

Ein Hirntumor ist es schließlich, der Timothys Glauben auf eine harte Probe stellt. Nach der OP ist ihre Stimme leise und brüchig, dennoch bekommt sie einen Job als Sozialarbeiterin. Sie zieht in ein Haus, in dem sie sich um schwer traumatisierte Kinder kümmert. Viele ihrer Väter haben ihre Mutter ermordet und sitzen nun im Gefängnis. Die Kinder werden aus ihren Dörfern verstoßen. Um sie ins Heim zu bringen, müssen sie gesucht und eingesammelt werden. Als Timothy und ihr langjähriger Freund Timmy beschließen zu heiraten, kündigt sie schweren Herzens und zieht zu ihm nach Chennai. Durch Timmy erhält sie Kontakt zu dem Missionswerk „Hindustan Bible Institute“ (HBI). Dort bekommt sie eine Stelle, bei der sie ein Programm zur Förderung kindlicher Entwicklung aufbauen soll. Da die finanziellen Mittel begrenzt sind, kommt die Idee auf, Kirchen als Tageszentren zu nutzen. Timothy reist mit ihrem Konzept durch die Dörfer und unterrichtet die Verantwortlichen. Das ist nicht leicht, da viele Pastoren nicht einverstanden sind, mit einer Frau aus der Stadt zusammenzuarbeiten. Das Projekt wird ein Erfolg. Die Eltern der Kinder fühlen sich durch die Betreuung ihrer Kinder in den Kirchen entlastet. Außerdem lernen sie viel und müssen nicht mehr schutzlos im Dorf spielen.

Kampf gegen Sklaverei

Weil ihr Ehemann Timmy das „Hindustian Bible Institute“ verlässt, verändert sich das Arbeitsklima zum Schlechten. Deshalb kündigt Timothy widerstrebend und beginnt bei der „International Justice Mission“ zu arbeiten. Dort befreit sie Arbeiter aus der „Schuldknechtschaft“, einer Art moderner Sklaverei. Immer wieder werden Arbeiter ohne Vertrag festgehalten und von ihrem Vorgesetzten ausgenutzt und missbraucht. Mit der Hilfe von Polizisten befreien Timothy und ihr Team diese Menschen und versuchen, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Allerdings gibt es in Indien pro eine Millionen Menschen nur 13 Richter. Ein weiteres Problem ihrer Arbeit ist, dass es anders als bei Fällen von Prostitution keine Nachsorgeeinrichtung gibt, die sich um die befreiten Schuldknechte kümmert. Korruption macht Timothys Arbeit sehr gefährlich. Einmal werden sie und ihre Kollegen von einer Horde wütender Menschen attackiert, die mit Nägeln und Benzin auf sie losgehen, um die Reifen ihrer Autos zu zerstechen und sie lebendig zu verbrennen. Wie durch ein Wunder können sie nach stundenlanger Belagerung fliehen.

„Gott hat jeden einzelnen von uns berufen, Menschen in die Freiheit zu führen“

Laut Pranitha Timothy ist die wichtigste Zeit in ihrer Arbeit die Gebetsstunde am Morgen. Gemeinsam singen die Mitarbeiter Loblieder und halten eine Andacht. So lässt sich der Arbeitsalltag leichter meistern. Um den Befreiten in ihr neues Leben zu helfen, entwickelt Timothy ein zweijähriges Programm. Es unterstützt die Menschen medizinisch und psychologisch. Auch auf rechtlicher Ebene bessert sich die Lage: Ein Reismühlenbesitzer, der wiederholt Sklaven hielt, wird zu fünf Jahren Haft verurteilt. Aufgrund des Rechtssystems orientiert sich nun jeder ähnliche Fall an diesem Urteil. Die Organisation und Timothy befreien noch viele weitere Menschen. Bei ihrer größten Aktion sind es sogar etwa 500 Schuldknechte auf einmal. Zwei Mädchen, die von ihrer Mutter verkauft werden, wachsen ihr besonders ans Herz. Jahrelang begleitet sie die Beiden durch ihren Gerichtsprozess. Außerdem hilft Timothy ihnen, wieder ein Selbstwertgefühl aufzubauen und etwas aus ihrem Leben zu machen. Auf verschiedenen Kongressen in der ganzen Welt erzählt sie aus ihrem Leben. Nach der Trennung von der Menschenrechtsorganisation arbeitet die Mutter von zwei Kindern bei dem Kinderhilfswerk Compassion. Sie hat aber das Gefühl, dass bald neue Aufgaben auf sie zukommen. Außerdem ist sie überzeugt, dass Gott sie als Missionarin einsetzten wolle.

Gottes Liebe muss weitergegeben werden

Timothy fordert die Menschen auf, in ihrem Umfeld Gottes Liebe zu verbreiten und sich für Gerechtigkeit starkzumachen. In ihrem Land herrscht Demokratie, doch diese wird meist nur unzureichend umgesetzt. Den Kampf gegen das Leid in Indien führt sie mit der festen Überzeugung, dass dieser Gottes Berufung für ihr Leben ist. Freunde sagen über sie, dass sie gerade deshalb eine Inspiration sei: Weil sie so bedingungslos sei, wenn es darum gehe, woran sie glaubt und für was sie steht. In ihrem lesenswerten Buch nennt die Autorin viele Beispiele, die die schlechten Verhältnisse in den Dörfern Indiens verdeutlichen. Die Menschen klammern sich an alte Sitten und Bräuche. Selbstjustiz ist an der Tagesordnung. Umso berührender ist es, mit welcher Stärke sich Timothy dem entgegenstellt. Ihre Geschichte macht Mut, dass der Kampf für die Menschenrechte Früchte trägt. Auch wenn sie sich nicht sicher ist, wohin Gott sie als nächstes führen wird, ist sie stets zuversichtlich. Und diese Zuversicht überträgt sie auf ihre Mitmenschen. (pro)

Pranitha Timothy: „Liebe ohne Grenzen: Gottes leise Stimme für die Unterdrückten“, SCM Hänssler, 304 Seiten, 19,95 Euro, ISBN 9783775156738

https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/detailansicht/aktuell/gott-will-nicht-dass-diese-frauen-leiden-80170/
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