„Ich glaube an die Kraft von Schönheit!“

Schönheit ist ein Wesenszug Gottes, und deshalb erinnert sie uns an ihn, wo immer wir ihr begegnen. Davon ist Anna Philipp überzeugt. Die Architektin ist auf der Suche nach Orten der Begegnung mit Gott, und in ihrer Arbeit versucht sie selbst, solche zu erschaffen.
Von Jörn Schumacher
Anna Philipp leitet gemeinsam mit ihrem Bruder das Büro Philipp Architekten. Für die gläubige Christin ist klar: „Schönheit ist eben nicht egal. Gottes DNA ist Schönheit."

Ein Architekt stehe immer zwischen mehreren Schwerpunkten, sagt Anna Philipp im Gespräch mit pro. Einerseits soll das Gebäude, das er entwirft, einen Zweck erfüllen und im besten Falle nicht allzu teuer werden. Die Ästhetik kommt dabei aber oft zu kurz oder sogar überhaupt nicht zur Sprache. Für Anna Philipp ein Defizit. „In der Architektur geht es vor allem um die Funktion, die Wirtschaftlichkeit, und wenn es am Ende noch möglich ist, darf es auch schön sein.“ Die Christin möchte hingegen wieder mehr für ein Bewusstsein für Schönheit als Wert werben.

„Im normalen Architekturstudium gibt es meist keine Vorlesungen über Ästhetik!“, prangert sie an. Wenn man das einem Musiker erzähle, sei der ziemlich überrascht. Im Musikstudium ist es normal, sich mit Ästhetik auseinanderzusetzen. Für Philipp ist das Thema Schönheit gar nicht wegzudenken aus ihrer Arbeit als Architektin. Auf ihrer Website gießt sie ihre Überzeugung in den Satz: „Schönheit ist wie ein Ort, den man nicht mehr verlassen möchte.“ Orte der Schönheit sind für sie Orte der Begegnung. Und an denen könne sich manchmal der Blickwinkel des Betrachters ändern. „Menschen haben den Blick oft nur auf sich selbst gerichtet“, sagt Philipp. „Wenn einen an einem bestimmten Ort die Schönheit übermannt, richtet sich der Blick plötzlich von einem weg. Und man erhascht einen kleinen Blick in die Ewigkeit und bekommt ein Gespür dafür, dass es da mehr gibt, dass es Gott gibt. Schöne Orte können zu Orten der Begegnung mit Gott werden.“

Die 46-Jährige ist eine gefragte Rednerin auf Kongressen. So sprach sie 2018 auf der „Schön-Konferenz“, auch im Jahr 2020 war sie eingeplant. Corona versetzte wie so viele auch diese Veranstaltung fürs erste in die Warteschleife. Philipps Architekturbüro ist bekannt, national wie international. Die Familie lässt sich bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen, wo die Philipps bereits als Baumeister (Zimmerleute) in Ilshofen bei Schwäbisch Hall erwähnt werden. Und auch heute noch hat das Büro „Philipp Architekten“ im Schloss Waldenburg bei Schwäbisch Hall seinen Sitz. Im Jahr 2019 kam ein Büro in Frankfurt am Main hinzu.

Die Funktion geht, aber Schönheit bleibt

Philipp studierte Architektur an der Hochschule für Technik Stuttgart und an der ETH Zürich, arbeitete unter anderem in der Schweiz und kam 2002 zurück ins elterliche Architekturbüro, das sie seit 2005 gemeinsam mit ihrem Bruder Christopher leitet. Ihre Diplomarbeit wurde mit dem Architekturpreis des Bundes Deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure Baden-Württemberg ausgezeichnet, das Büro gewann zahlreiche Preise, und namhafte Fachmagazine listen es als eines der besten Architekturbüros im deutschsprachigen Raum. Von 2012 bis 2015 hatte Philipp einen Lehrauftrag an der Hochschule für Technik Stuttgart.

Anna Philipp gestaltete das Gebetshaus in Augsburg neu Foto: Philipp Architekten
Anna Philipp gestaltete das Gebetshaus in Augsburg neu

In dem Theologen Johannes Hartl fand sie einen Verbündeten bei ihrer Leidenschaft für Schönheit und dem Versuch, der Schönheit zu einer Renaissance zu verhelfen. „Das Thema ist uns ein Herzensanliegen“, sagt Philipp. „Es ist toll, dass Johannes mit der Schön-Konferenz Kreativen eine Plattform bietet und eine Vernetzung ermöglicht.“ Philipp selbst gehört zum Gründungsteam der „Schön-Konferenz“ und organisiert sie mit. Vor zwei Jahren fand Philipps Vortrag dort über die „verloren gegangene Schönheit in der Architektur“ großen Anklang. „Ich höre die Leute oft sagen: Früher baute man die Gebäude so schön, aber moderne Architektur hat keinen Charme mehr.“ Dieses Phänomen erklärt die Architektin so: Das Credo „Form follows function“ (Form folgt Funktion) habe diesen Bruch in der Architektur hervorgerufen. Auch heute noch sei dieser Satz prägend in der Ausbildung von Architekten. „In der Industrialisierung hat dieser Satz auch Sinn gemacht, aber Schönheit und Funktion sind nicht mehr wirklich ausbalanciert. Die Funktion steht über der Schönheit, Schönheit hat nicht mehr denselben Wert wie früher.“ Philipp hält dem entgegen: „Ich glaube an die Kraft von Schönheit! Sie ist eine lebensbejahende Kraft. Es macht einfach etwas mit Ihnen, wenn Sie sich in einem schönen Raum aufhalten oder in einem hässlichen. Das ist nicht egal!“ Das merke man beispielsweise immer dann, wenn alte Industriegebäude mit ihren Waschbeton-Wänden ihre Funktion verlieren. „Diese Gebäude sind dann nur noch hässlich, und niemand möchte sie übernehmen. Kirchen hingegen werden immer wieder gerne für neue Zwecke übernommen, wenn sie ihre alte Funktion verlieren. Ein Gebäude, das schön ist, wird immer wieder eine neue Funktion finden.“

Wo sich Kreativität und Anbetung treffen

Begonnen hatte die Freundschaft mit Hartl mit der Bitte, das Gebetshaus neu zu gestalten. Vor sieben Jahren stand dann die Architektin in dem ehemaligen Fitnesscenter und sollte daraus eine Art „Kloster 2.0“ kreieren. „Wie würde ein Kloster heute aussehen?“, fragte sie sich. In Philipps Entwurf steht der Gebetsraum im Zentrum: „Ein Raum aus Licht, in dem bei Tag und Nacht das Gebet nicht verstummt. In Weiß und warmen Goldtönen gestaltet, strahlt der Gebetsraum etwas Übernatürliches aus. Als ob Himmel und Erde sich an diesem Ort begegnen würden.“ Ein Ort also, an dem sich Kreativität und Anbetung treffen. Für Philipp ist Kreativität in jedem Menschen angelegt, sie ist ein Schlüssel für das Verständnis von Gott. Und somit auch Schönheit.

Philipps Büro hat sich keineswegs auf Gebetsräume und Gotteshäuser spezialisiert; es baut großräumige moderne Villen ebenso wie moderne Arbeitsumgebungen. Und doch reizt es Philipp immer wieder, auch für christliche Gemeinden wie das „Gospelhouse“ in Nördlingen oder die evangelische Täufergemeinde Wüstenrot-Neuhütten Häuser zu entwerfen. Es hat sicher etwas mit ihrem eigenen frommen Hintergrund zu tun: Sie wuchs in einer christlichen Familie auf und hatte ihre eigene besondere Begegnung mit Jesus, sagt sie.

Als gläubige Architektin ist sie auf gewisse Weise fasziniert von der „Bauanleitung“, die sich im Alten Testament findet, nämlich die zum Bau des Tempels in Jerusalem. Der Tempel sei eine Widerspiegelung des Gartens Eden, sagt sie, die Holzsäulen etwa könne man als Symbole für die Bäume im Paradies interpretieren. „Man ist erstaunt, mit welchem Detailreichtum Gott das vorgibt. Da geht es um Verzierungen, bestimmte Materialien und Proportionen.“ Philipp fühlt sich in ihrer Überzeugung bestätigt: „Schönheit ist eben nicht egal. Gottes DNA ist Schönheit. Ich muss nur in die Natur schauen und sehe: In allem, was er macht, ist Schönheit. Und ich habe als Architektin die Verantwortung, dieser Schönheit wieder einen Raum zu geben.“

Anna Philipp wurde 1974 in Stuttgart geboren. Seit 2005 leitet sie gemeinsam mit ihrem Bruder Christopher das Büro Philipp Architekten. Die Familie von Baumeistern lässt sich bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen. Neben dem Sitz im Schloss Waldenburg bei Schwäbisch Hall gibt es seit 2019 auch ein Büro in Frankfurt am Main. Das Architekturbüro gewann zahlreiche nationale und internationale Preise. Anna Philipp gestaltete unter anderem das Gebetshaus in Augsburg von Johannes Hartl, mit dem sie zusammen die „Schön-Konferenz“ ins Leben rief.

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe 1/2021 des Christlichen Medienmagazins pro. Das Heft können Sie kostenlos online bestellen oder telefonisch unter 0 64 41 / 5 66 77 00.

Von: Jörn Schumacher

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