Ich bin nur ein Egoist: Warum Demut gut tut…

Mit seiner Geste, sich bäuchlings auf den Kirchenboden zu legen, brachte Osnabrücks Bischof Franz-Josef Bode vor eineinhalb Jahren seine Demut zu den Missbrauchsfällen der Katholischen Kirche zum Ausdruck. Der 61-Jährige erntete, für eine der größten Gesten der Buße im kirchlichen Bereich, viel Lob. Im Interview mit "Spiegel Online" erklärt er, ob Demut noch zeitgemäß ist und welche Bedeutung ihr zugemessen wird.
Von PRO



Als er auf dem Kirchenboden lag, habe er "Scham und Erschütterung über die schweren Verfehlungen" zum Ausdruck gebracht: "In diesem Akt liegt das Bewusstsein, dass wir ganz mit dem Boden verbunden und klein sind vor Gott und auch vor den Menschen, gegenüber denen wir verantwortlich sind", betont der Theologe. Den Menschen werde in diesem Moment bewusst, wie klein sie seien. Sie müssten sich aber durch diese Geste nicht als Erniedrigte fühlen, sondern könnten Kraft aus der Tatsache ziehen, von Gott geschaffen zu sein.



Hang zum Egoismus und zur Selbstverwirklichung



Demut hält Bode deswegen für zeitgemäß, weil in der Gesellschaft ein "Hang zum Egoismus und zur egomanischen Selbstverwirklichung" bestehe: "Unser Egoismus, alles selbst machen zu wollen, erfordert eigentlich eine solche Haltung, weil Demut mit sich bringt, dass der Mensch ein verantwortungsvolles Wesen ist, dass er Verantwortung hat vor der Natur, den Mitmenschen, den künftigen Generationen." In Bezug auf die Katholische Kirche habe er keine Angst, dass sie ihre Demut verliert: "Ich denke, dass in der Kirche Macht, Leitung und Verantwortung immer mit Demut verbunden sein müssen." Dabei müsse sich die Kirche klar am Vorbild Christi orientieren. Als Bischof habe er die Aufgabe, diesen Weg vorzuleben und die Christen dazu einzuladen, ihn mitzugehen.



Die Missbrauchsfälle innerhalb der Katholischen Kirche hätten dazu geführt, eine neue Sensibilität, auch im Umgang mit dem Thema Demut zu entwickeln: "Das heißt auch, dass die Kirche die Abgründigkeit des Menschen annimmt und sie auch die betrifft, die sich auf die Sache Christi einlassen wollen. Ich glaube, dass in jedem Menschen, auch in dem, der hohe Verantwortung in der Kirche hat, immer eine Versuchung steckt, über andere verfügen zu wollen." Die Erschütterungen, so schlimm sie auch gewesen seien, hätten die Herausforderung mit sich gebracht, noch einmal tiefer zu erkennen, was eigentlich Demut bedeute.



Begriff dünnt sich aus



Auch wenn sich der Begriff Demut zunehmend "ausdünnt", bringe die häufige Bezugnahme darauf, "die Chance, deutlich zu machen, dass dem Menschen Grenzen gesetzt sind, dass er nicht alles darf, was er kann". Es gehe deswegen darum, den Begriff wieder mit Tiefe zu füllen: "Wir sollten alles tun, Demut in unserer Gesellschaft zu einer echten Haltung zu machen." Auch die Kirche müsse es schaffen, diesbezüglich in den Dialog mit Menschen zu treten und sich nicht schmollend in die Ecke zurückzuziehen.



Der 61-jährige Bode ist seit 1995 Bischof von Osnabrück. Er studierte in Paderborn, Regensburg und Münster Theologie. Bode war von 1996 bis 2010 in der Bischofskonferenz für das Jugendpastoral zuständig und wurde für seinen Einsatz gegen Jugendarbeitslosigkeit ausgezeichnet und gilt als eher liberaler Vertreter der deutschen Bischöfe.



In der "Spiegel Online"-Serie zum Thema Demut sind bereits Interviews mit dem SPD-Politiker Wolfgang Thierse ("Wer demütig ist, spricht nicht darüber"), dem Schauspieler Konstantin Wecker ("Für einen Rebellen ist Demut angebracht") und dem ehemaligen Fußballer Matthias Sammer ("Die Verletzung hat mich demütiger gemacht") erschienen. (pro)

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