„Ich bin katholisch, und das ist auch gut so.“

Der langjährige "Spiegel"-Autor Matthias Matussek hat ein Buch geschrieben über das Abenteuer, Katholik zu sein. Ein Abenteuer ist es für den gläubigen Journalisten deshalb, weil es eine Herausforderung geworden ist, seinen Glauben zu bekennen.
Von PRO

Nach Giovanni di Lorenzo,  Chefredakteur der Wochenzeitung "Die Zeit", hat sich ein weiterer bedeutender deutscher Journalist seinen "Stolz" über den katholischen Glauben in einem Buch von der Seele geschrieben. Matthias Matussek ist für seine katholischen Überzeugungen und die Verteidigung des Zölibats bekannt. "Ich habe in den knapp dreißig Jahren meiner journalistischen Karriere alle Höhen und Tiefen durchlebt. Ich habe Auszeichnungen erhalten und bin beschimpft worden, habe mich angelegt, mit Kollegen, mit Vorgesetzten, aber mir ist immer klar gewesen, wofür ich stehe. Und mir wird immer klarer, dass ein großer Teil meiner Überzeugungen vom Glauben geformt wurde, in und von der Kirche."

Es scheint geradezu so, als genieße er es, offen dieses Bekenntnis herauszurufen. Gerade weil es so verpönt ist, die Hardliner-Ansichten einer Religion zu vertreten, die es immer schwerer hat. "Woran ich glaube? Zum Beispiel daran, dass es einen Gott gibt, der alles geschaffen hat", beginnt er sein ganz privates Glaubensbekenntnis, das er auf einer Seite darlegt. In Zeiten, wo als allgemein und wissenschaftlich belegt gilt, dass die Welt und das Leben reines Produkt des Zufalls sind, ist das schon allein fast mutig. "Ich bin katholisch, und das ist auch gut so." Das Katholischsein sei nun einmal "tief in ihm verwurzelt", da könne er gar nichts machen, daher fügt er auch trotzig hinzu: "Jetzt erst recht."

Ihn öde die "Bekenntnisarmut" an, schreibt er. Er spricht vom "Thrill der Wahrheit" und zitiert den Boxer Muhammad Ali: "Ich sage die Wahrheit, einfach weil sie spannender ist." Und er ist überzeugt: Wenn man seine Religion öffentlich bekennt, geht das fast nicht ohne Polemik. "Das katholische Abenteuer" besteht nach Matussek schon darin, sich zum entsprechenden Verständnis von Sünde und Erlösung zu bekennen. Und so exerziert er anhand der sieben Todsünden durch, was falsch läuft in dieser Welt. Der Begriff Sünde sei auf den Nasch-Verstoß gegen Diätvorschriften reduziert worden, ist er enttäuscht und stellt klar: "Nach jüdischer, christlicher und islamischer Definition ist sündig derjenige, der sich von Gott entfernt hat."

Erst die Menschwerdung Gottes in Jesus schaffte Freiheit

Man könne über die sieben Todsünden kaum trivialer reden als die Werbestrategen der Langnese-Marke "Magnum", die vor einigen Jahren ihre Eissorten danach benannten, schreibt Matussek. Hochmut und Eitelkeit findet er im Fernsehen, in Hollywood und bei den Stars; Habgier und Geiz in der Finanzkrise und in der Konsumsucht. Was Wolllust und Genusssucht angeht, schreibt Matussek nicht nur im Hinblick auf Silvio Berlusconi: "Sie hat Staatsmänner zu Deppen gemacht, Karrieren ruiniert, Ehen in Trümmerhaufen verwandelt. Sie hat sogar, man sollte es nicht fassen, Kirchenmänner verführt." Pornos im Internet stellt er den heiligen Antonius entgegen, dem Gründer des christlichen Mönchtums. Er war den Versuchungen ausgesetzt, auch wenn er in der Einsamkeit lebte. Doch er habe gegen die "Unreinheit" gekämpft und ihr widerstanden.

Unter den Todsünden sei der Neid die am meisten geächtete. "Er holt das Schlechteste aus uns heraus, weshalb ihn niemand eingesteht." Und auch hier verweist der Autor auf die Werbung: "Neid und Missgunst für 99 Mark" habe auf einer Anzeige für einen Autovermieter über dem Bild eines Porsches gestanden. Wenn es ein zeitgenössisches Totemtier der Todsünde "Trägheit des Herzens" gäbe, dann wäre es die Kunstfigur Cindy aus Marzahn in ihrem pinkfarbenen Schluffianzug. Zusammenfassend schreibt Matussek: "Schuld bedeutet die Verletzung einer kosmischen Ur-Ordnung, wie sie sich in der Genesis-Erzählung vom Garten Eden spiegelt." Dagegen sollten religiöse Regeln helfen. Erst "mit der Menschwerdung Gottes in Jesus" habe sich die Lage geändert: "Die neue Freiheit wird nicht mehr von der Gemeinschaft und der Tora gestiftet, sondern durch das vorbehaltlose Vertrauen in Jesus und seine Auferstehung", könne man bei Paulus nachlesen.

Ersatzgötter der Massenmedien

Matusseks Buch ist unter anderem ein Plädoyer für den Glauben. Ihm falle ein "paradoxes Bild" auf: "Die Kirchen bluten aus, gleichzeitig steigt die Sehnsucht nach Orientierung, nach Standpunkten, nach Glaubwürdigkeit." Er ist sich sicher: "Wir werden Gott brauchen, wir werden wieder beten lernen, alle." Oder: "Ich glaube, dass Religion nicht nur für Gewinner ist, für die Sattelfesten und Zufriedenen. Religion ist noch viel mehr der Stoff für Zerrissene." Manchmal allerdings ist man sich nicht sicher, inwiefern Matussek den Begriff Katholizismus mit Christsein gleichstellt. "Katholizismus, der besonders, ist eine Religion für diejenigen, die hinfallen und aufstehen." Das macht er beispielsweise fest am Gleichnis vom verlorenen Schaf. So als stünde diese Geschichte Jesu nur in einer katholischen Bibel.

"Ich glaube, dass Gott durch Jesus Christus in unsere Menschengeschichte eingetreten ist und sich gezeigt hat", ist er einerseits überzeugt. Andererseits will er sich klar unterschieden wissen vom Protestantismus: "Die lutherische Schreckenstheologie war mir immer fremd. Der Gedanke daran, dass ich selber gar nichts tun kann, um in den Himmel zu kommen, sondern vollständig von der Gnade Gottes abhänge, ließ mich von jeher schaudern. Meine Schuld wäre nie abzutragen."

Er nehme ein steigendes "Anbetungsbedürfnis" wahr. "Und tatsächlich ist unsere Medienwelt bevölkerter als ein indischer Tempelfries und wimmeliger als der Götterhimmel im ehrwürdigen ‚Mahabarata‘. Wir glauben, wir beten an, wahlweise das Geld, den Erfolg oder Lady Gaga. Offenbar gibt es in der Zeit nach aller Religiosität immer noch ein triviales Glaubensbedürfnis, das gewissermaßen leer weiterarbeitet und ständig für billigen Nachschub sorgt." Den "Ersatzgöttern" widmet Matussek ein ganzes Kapitel. Darin bezeichnet er die modernen Massenmedien als "Geistermacht" und unterstützt ausdrücklich die Kritik an ihr. "Eine einzige Botschaft kann sich zeitgleich in Millionen Köpfe senken, Millionen Seelen durchwühlen, Millionen Träume durchstrahlen oder vergiften." Die Medien hätten Ersatzgötter geschaffen. "Die Kirchen sind leer, aber es gibt Altäre für Elvis Presley und für Lady Di noch Jahre nach ihrem Tod." Das 20. Jahrhundert werde als dasjenige in die Geschichte eingehen, das sich Ersatzgötter am Fließband schuf, "immer atemloser, die ungefährlicheren in Hollywood und die gefährlichen in Eruopa".

"Das katholische Abenteuer" ist im Kern ein katholisches Buch, denn es beschäftigt sich mit der katholischen Messe, mit dem Zölibat, mit dem verstorbenen Bischof von Fulda, Johannes Dyba, und dem Papst, vor allem Papst Johannes Paul II., den Matussek erfurchtsvoll als den "Jahrtausendpapst" bezeichnet. Matussek ist eher der kreative Kopf unter den Journalisten, als der fleißige Datensammler. Er reiht seine Gedankenketten ohne Nachrecherche aneinander, in munterem Plauderton springt er von Lady Gaga zu Augustinus, von Helmut Schmidt zu Immanuel Kant. Und weil er sich selbst so gut findet, druckt er viele Interviews ab – natürlich mit sich selbst. Doch das Buch will auch keine theologische Abhandlung sein. Es liest sich gut und kann auch Christen anderer Konfessionen eine "abenteuerliche" Lektüre sein.

Matthias Matussek: "Das katholische Abenteuer. Eine Provokation"
Deutsche Verlags-Anstalt, 2011
368 Seiten
19,99 Euro

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