Ein hessisches Elternpaar will seine Kinder zu Hause unterrichten. Weil das in Deutschland nicht erlaubt ist, möchten sie nach Frankreich gehen – das dürfen sie nicht. Die Tageszeitung Die Welt schildert den Fall und bescheinigt der christlichen Familie: Sie sind Aussteiger, aber keine lieblosen Sektierer.
Von PRO
Foto: Woodapple/Fotolia
Wer seine Kinder nicht zu Schule schickt, gefährdet das Kindeswohl: Dieser Auffassung ist das Amtsgericht Darmstadt im Fall der Familie Wunderlich. Sie dürfen deshalb nicht ins Ausland, um ihre Kinder dort zu Hause zu unterrichten
Seit Oktober gehen die vier Kinder von Petra und Dirk Wunderlich aus der Nähe von Darmstadt in eine staatliche Schule. Bis dahin hatten sich die Eltern dagegen geweigert und die Kinder zu Hause unterrichtet. 2012 wurden ihnen Teile des Sorgerechts entzogen und dem Jugendamt übertragen: das Recht zur Regelung der Schulangelegenheiten, das Recht auf Antragstellung bei Ämtern und Behörden sowie das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Weil das Ehepaar Wunderlich auch daraufhin nicht einlenkte, holte die Polizei die vier Kinder Ende August vergangenen Jahres ab und brachte sie in eine Jugendhilfeeinrichtung. Nach drei Wochen durften sie wieder nach Hause – unter der Bedingung, dass sie in eine Schule gehen würden. Um ihre Kinder nicht noch einmal weggenommen zu bekommen, stimmten die Eltern zu, berichtet die Welt.
Die Zeitung beschreibt die Familie als „gläubige Christen“. Sie sähen ihr Elternrecht als von Gott gegeben an. Das bestehe im Kern darin, dass Mutter und Vater entscheiden können, „was sie als Belehrung zulassen und was nicht“. Während das in anderen Fällen von Homeschoolern bedenklich sei, sei das bei Wunderlichs anders, schreibt die Welt. Wer mit ihnen spreche, „der spürt, dass das zu einfach wäre, sie als ‚religiöse Fundamentalisten‘ zu bezeichnen oder als ‚streng gläubig‘“. Sie seien zwar Aussteiger, aber „keine lieblosen Sektierer, die ihre Kinder wegsperren“. Das hätten auch Nachbarn und der Vater einer Freundin der Kinder bestätigt. Demnach hätten Wunderlichs „einen guten Einfluss“, weil die Kinder viel in der Natur spielten, läsen und nicht nur am Computer säßen.
Gegenwind für Homeschool-Eltern
In einem Brief, den die 14-jährige Tochter an das Familiengericht schrieb, wirft sie diesem Intoleranz, mangelndes Einfühlungsvermögen und als Fürsorge getarnte Kontrolle vor. „Ich kann die Aussage nicht mehr hören, dass Sie sooo um unser Kindeswohl besorgt sind“, zitiert die Welt aus dem Brief. „Uns geht es gut, außer wenn Sie sich einmischen.“ An der Schule kritisieren die Kinder laut dem Bericht unter anderem, dass es auf dem Pausenhof oft Streit gebe. Wegen der Lautstärke im Unterricht könnten sie sich nicht konzentrieren und hätten keine Freude daran, „künstlich lernen zu müssen“. Das Schulamt bescheinigte den Kindern einen hohen Leistungsstand.
Bei einer Anhörung im Dezember teilten die Eltern dem Amtsgericht in Darmstadt mit, dass sie nach Frankreich gehen wollten, um ihre Kinder zu Hause unterrichten zu können. Doch das Gericht entschied, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht beim Jugendamt bleibt. Die Eltern könnten Deutschland also nicht gemeinsam mit den Kindern verlassen. Die Rechte der Eltern müssten hinter dem Kindeswohl, was das Gericht gefährdet sah, zurückstehen. Dagegen habe der Anwalt von Wunderlichs beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main Beschwerde eingelegt. Für den Gießener Jura-Professor Franz Reimer, den die Zeitung zitiert, ist es ein Fehlschluss, „von der Verweigerung des Schulbesuchs auf die Gefährdung des Kindeswohls zu schließen.“ Dafür gebe es keine empirischen Belege.
Laut der Welt gibt es keine genauen Zahlen darüber, wie viele Kinder von ihren Eltern hierzulande nicht in die Schule geschickt werden. Schätzungen liegen zwischen 40 und 80 Kindern. Die Gründe dafür seien unterschiedlich: von wortgetreuen Bibelauslegungen, die nach Ansicht der Eltern Lehrinhalten wie dem Sexualkundeunterricht oder der Evolutionstheorie widersprächen, bis hin zu Vorstellungen von einem Lernen ohne vorgegebene Strukturen. Wunderlichs sind der Meinung, dass der Schulzwang „jegliche Kreativität und das Kindsein an sich“ zerstöre. Außerdem seien ihnen bei der Bildung ihrer Kinder Werte wichtig, die die Schule nicht vermitteln könne, schreibt die Welt. Gemeinsam sei allen Eltern, die ihre Kinder zu Hause unterrichten möchten, dass ihnen „ein scharfer Wind“ entgegenwehe. (pro)
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