Holocaust leugnen: Verbot aufheben?

In Deutschland ist das Leugnen des Holocaust unter Strafe gestellt. Der jüdische Cartoonist Art Spiegelman plädiert dafür, den entsprechenden Paragraphen abzuschaffen. Der Journalist Alan Posener unterstützt ihn in einem Beitrag in der Tageszeitung Die Welt.
Von PRO
Der Autor des weltbekannten Comics „Maus“ plädiert dafür, das Verbot der Holocaust-Leugnung abzuschaffen – und findet Unterstützer

Der Zeichner Art Spiegelman wurde weltberühmt durch seinen Comic-Roman „Maus“, in dem er die Erfahrungen seiner Eltern in Nazi-Deutschland und den Konzentrationslagern verarbeitete. Für das Buch erhielt der Amerikaner 1992 den Pulitzer-Preis. In einem Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit sagte der Sohn polnisch-jüdischer Eltern Anfang des Jahres, man sollte das Verbot der Holocaust-Leugnung abschaffen. „Das Problem ist, dass Verbieten nicht unbedingt hilft. Die Meinungen wandern dann nur ab in den Untergrund und finden andere Ausdrucksformen“, so Spiegelman.
Im Paragraph 130 des deutschen Strafgesetzbuches steht im Absatz 3: „Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung (…) in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.“ Spiegelman plädiert dafür, den Paragraphen abzuschaffen. „Die Antwort auf etwas Dummes sollte immer etwas Kluges sein. Obwohl ich eigentlich kein Optimist bin, glaube ich, dass sich das Wahre am Ende durchsetzt, wenn man alle Ansichten zulässt.“ Im Falle von Holocaust-Leugnern würde es zwar „sehr schmerzhaft“ sein, sagte der Künstler in der Zeit, Ausgabe 5/2015. In seinem Herzen schimpfe er auf die Nazis. „Aber wenn man Holocaust-Leugnung unter Strafe stellt, verschwindet diese Haltung ja nicht. Es gibt immer noch die gleichen verrückten Faschisten, die nur darauf warten, endlich sagen zu dürfen: Damals wurden nur acht Leute umgebracht, und die Öfen waren zum Brotbacken!“
Der Welt-Autor Alan Posener gibt ihm nun Recht. „Ja, die Leugnung des Holocaust beleidigt nicht nur die schwindende Schar der Überlebenden; sie besudelt ihre Erinnerung und ist überdies ein Schlag ins Gesicht dessen, was ein britischer Richter im Fall David Irvings die ‚Heiligkeit der Fakten‘ nannte. Und all das sollte durch die Meinungsfreiheit gedeckt werden. Wozu wäre sie sonst da?“ Zwar würde wohl niemand, der „noch Ehre im Leib hat“, solchen Leuten die Hand noch ihren Ansichten eine Plattform geben. Doch er sollte ihnen auch nicht „den Gefallen tun, ihre Ansichten verbieten zu lassen – so, als wären sie so gefährlich, dass man ihnen anders nicht beikäme“, schreibt Posener. Es sei „absurd, dass man den Holocaust nicht leugnen darf, wohl aber den Völkermord an den Sachsen, Preußen, Tasmanen, Hereros, Armeniern, oder Tutsi“.

Auch Henryk M. Broder gegen Strafe für Holocaustleugnung

Auch der Buchautor und Publizist Henryk M. Broder hat bereits dafür plädiert, das Gesetz gegen die Holocaust-Leugnung abzuschaffen. Als der Sohn einer polnisch-jüdischen Familie 2009 seine Kandidatur für die Wahl des Präsidenten des Zentralrates der Juden in Deutschland bekannt gab, schrieb er im Tagesspiegel: „Ich werde mich dafür einsetzen, dass Holocaustleugnung als Straftatbestand aufgehoben wird. Das Gesetz war gut gemeint, hat sich aber als kontraproduktiv erwiesen, indem es Idioten dazu verhilft, sich als Märtyrer im Kampf um die historische Wahrheit zu inszenieren.“ Broder war der Überzeugung, Deutschland brauche „nicht noch mehr Holocaustmahnmale und Gedenkstätten, sondern eine aktive Politik im Dienste der Menschenrechte“. Die aktuellen Verfolgungen, unter denen derzeit Völker litten, seien bedeutsamer, etwa der Völkermord im Sudan. „Wer vom Kampf der Dissidenten in China und der Verfolgung der Baha’i im Iran nichts wissen wolle, „sollte auch am 27. Januar und am 9. November zu Hause bleiben“. (pro)

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