Himmel, hilf! Außerirdische sollen ProSieben retten

Man sollte meinen, UFO- und Außerirdischen-Geschichten seien ein Relikt aus den 70er Jahren, das auf heutige Fernsehzuschauer ähnlich abgestanden wirkt wie Ostfriesenwitze. Doch der Privatsender ProSieben hatte Kontakt der unheimlichen Art. Uri Geller ist zurück.
Von PRO

Die Masche zieht noch immer, dachten sich die Münchner Programmmacher offenbar, und „ProSiebenSat.1 Media“ versucht verzweifelt, den Abtrieb seines Aktienkurses zu stoppen. Man muss kein Mentalist sein, um bereits jetzt prognostizieren zu können: Am Samstagabend wird zumindest eines den absoluten Tiefpunkt erreicht haben: die Qualität des deutschen Fernsehens.

Seit Wochen flimmert ein Werbespot auf ProSieben, der das „spektakulärste Live-Experiment aller Zeiten“ für Samstagabend deutscher Zeit ankündigt. Den ehemaligen Löffel-Verbieger und Magier aus längst vergangenen Zeiten, Uri Geller, hatte ProSieben ja bereits für seine viel beachtete Zauber-Show Anfang des Jahres verpflichtet. Rund drei Millionen Zuschauer ließen sich von Tricks unterhalten, die vom Prinzip her etwa so alt sind wie die Menschheit selbst. Neue Berufsbezeichnungen sollten das allerdings etwas vertuschen, so hießen die Zauberkünstler oder Party-Magier bei ProSieben „Mentalisten“ und „Mystifier“. Da durfte dann ein Raben-Vater mit okkulten Versatzstücken spielen und vorgeben, mit Toten sprechen zu können. Und nichts deutete darauf hin, dass alles im Grunde eine humoristische Veranstaltung sein sollte. Die ernsten Gesichter von Uri Geller und Co ließen keinen Zweifel: sie meinen es ernst.

Eigentlich suchte Geller in der „Next Uri Geller“-Show einen Nachfolger, weil er selbst in den Ruhestand treten wollte. Nun ist er jedoch aktiv wie nie. Denn seine „mentale Fähigkeit“ ist erneut gefragt. Am kommenden Samstag ab 20.15 Uhr macht sich der israelisch-britische Zauberkünstler auf die Suche nach Außerirdischen. Für die Sendung „Uri Geller live – UFOs & Aliens – Das unglaubliche Live-Experiment“ wirbt er derzeit in einem Fernseh-Spot mit der Frage „Sind wir wirklich allein?“, und dabei blickt er in die Kamera, als würden ihm Außerirdische bereits die Zehennägel ausreißen.

ProSieben-Aktie sinkt unerbittlich. Warum bloß?

Wenn ProSieben ein Radioteleskop gen Himmel richtet und Zuschauer-E-Mails aussendet, nennt der Sender dies das „spektakulärste Live-Experiment aller Zeiten“. Dagegen ist der „Large Hadron Collider“ in Genf ein Kinderkarussell. Als „The Next Uri Geller“ im Fernsehen lief, machten sich unzählige Videos im Internet über die Show lustig, die Tricks wurden allerorts verraten, Stefan Raab zog fast jeden Abend in seiner Sendung genüsslich über die Peinlichkeiten her. Und der Aktienkurs von ProSieben sinkt weiter. Innerhalb eines Jahres sank er von 30 Euro auf derzeit etwa 2 Euro. Warum bloß?

Ohne die Sendung gesehen zu haben, kann man zusammenfassen: Uri Geller will am Samstag eine Nachricht ins All schicken und hofft, eine Antwort darauf zu bekommen; Zuschauer sind bereits jetzt aufgerufen, auf der Webseite www.WirSindNichtAllein.ProSieben.de persönliche Botschaften und Fotos hochzuladen. Die werden dann „per Radioteleskop ins Universum“ geschickt. Laut ProSieben hat auch Uri Geller eine persönliche Message für die Aliens: „Wir öffnen unsere Herzen und unsere Gedanken für euch. Wir glauben fest daran, dass ihr irgendwo da draußen seid. Bitte zeigt euch in der Nacht vom 15. November. Die Menschen werden aus den Fenstern sehen und euer Signal erwarten.“

Spam von der Erde

Auch wenn Geller und Co nicht so sehr viel Wert auf Naturwissenschaft legen, wagen wir eine einfache Rechnung: Das Licht fegt mit einer Geschwindigkeit von rund 300.000 Kilometern pro Sekunde durchs All. Gellers Show dauert 135 Minuten. Das Signal hat also keine Zeit, noch während der Sendung unser Sonnensystem zu verlassen. Es kommt gerade mal bis zum Saturn. Astronomisch gesehen ist die Entfernung, die Uris E-Mail in dieser Zeit zurücklegt, lächerlich klein. Bis die Nachrichten den nächsten Stern erreichen, bräuchte das Signal über vier Jahre. Ob sich dort allerdings Planeten finden, auf denen Lebewesen existieren, ist umstritten. Und ob diese überhaupt etwas mit den Signalen anfangen und sie entschlüsseln könnten, kann sich jeder selbst ausrechnen. Ob die Außerirdischen dann auch noch „Reply“ drücken und sich bewegt fühlen, auf den irdischen Spam zu antworten, ist eine weitere Frage, die offen bleibt. Abgesehen davon strahlt die Menschheit bereits seit vielen Jahrzehnten unermüdliche elektromagnetische Signale ins All – willentlich oder unwillentlich. Und bisher hat noch keiner geantwortet. Aber vielleicht warten die Außerirdischen in den Tiefen des Alls die ganze Zeit auf eine Nachricht von ProSieben?

Alien-Expertin Nina Hagen kriegt eigene Sendung

Die Wartezeit wird dem Zuschauer neben Werbung mit Gästen verkürzt. Wer könnte besser zu solch einer Sendung passen als Zeitreisende aus den 70ern? Erich von Däniken, der vor über 40 Jahren als Ufologe anlernte, darf ebenso wenig fehlen wie die „Neue Deutsche Welle“-Rockerin Nina Hagen, die selbst bereits Außerirdischen begegnet ist, wie sie nicht müde wird, zu erzählen. Auch der Zauberkünstler – Pardon: Mentalist – Vincent Raven alias Andreas Plörer darf auftreten. Eingeladen sind zwei weitere Personen, die überzeugt sind, bereits in einem UFO mitgeflogen zu sein. Der amerikanische Astronaut Edgar Mitchell ist per Telefon aus den USA zugeschaltet. Er ist überzeugt: „Im ganzen Universum gibt es weiteres Leben. Ich weiß mit Bestimmtheit, dass wir Menschen nicht allein im Universum sind.“ Er muss es wissen, denn er war auf dem Mond.

Dass es ProSieben ernst meint und nicht etwa ein „Switch reloaded – das Uri Geller Spezial“ plant, zeigt die Sendung, die der hoffnungsvollen UFO-Suche folgt. Denn um 22.30 Uhr wird es schlimmer. Viel schlimmer. ProSieben strahlt die Sendung „Nina Hagens UFO-Jagd – Auf Alien-Suche in Roswell“ aus und nennt es „TV-Dokumentation“. Die Sängerin und Schauspielerin ist dafür bekannt, in geradezu gebetsmühlenartiger Weise der Welt ihre UFO-Gläubigkeit mitzuteilen. Wie das aussehen kann, davon wurden Fernsehzuschauer am 30. Oktober 2007 Zeugen. In der ARD-Sendung „Menschen bei Maischberger“ war sie zum Thema „UFOs, Engel, Außerirdische – sind wir nicht allein?“ eingeladen, und die exzentrische Sängerin, die vor 23 Jahren einem UFO begegnet sein will, äußerte Mitgefühl für von Außerirdischen entführte Menschen, sprach von „satanischem Einfluss“ in der Welt und pöbelte Wissenschaftsjournalist Joachim Bublath verbal an. Sie beleidigte ihn permanent, weil er Skepsis an Berichten über Entführungen durch Außerirdische geäußert hatte, ließ Bublath nicht mehr ausreden und setzte sich schließlich auf einen anderen Platz, da der ZDF-Moderator böse Schwingungen von sich gebe. Dieser wurde immer stummer, lächelte irgendwann nur noch mitleidsvoll und verließ nach 45 Minuten die Talkrunde. In Hagens Kopf laufe anscheinend einiges durcheinander, meinte Maischberger anschließend. Bublath: „Da saß eine Gruppe, die in dieser Geistesvorstellung lebt und damit ihr Geld verdient. Mein Part war sinnlos.“

Am Samstag darf Nina Hagen eine Stunde lang ihre UFO-Gläubigkeit predigen. Sie geht der Frage nach, ob 1947 in New Mexico ein UFO abgestürzt ist. Die „Fakten“ dazu seien natürlich von der amerikanischen Regierung geheim gehalten worden, ist klar. Sie befragt UFO-Experten und von Außerirdischen Entführte. Einer meint laut ProSieben sogar, halb Mensch, halb Alien zu sein. Der Sender schreibt: „Der Amerikaner behauptet: ‚Ich bin halb Mensch, halb Alien. 1954 hat ein UFO meine Mutter entführt. Sie haben sie künstlich befruchtet.‘ Zum Beweis lässt er mit einem Kabel, das in einer Steckdose steckt, tödlichen Strom durch seinen Körper fließen. Don bleibt davon jedoch unbeeindruckt. Nina Hagen: ‚Der Mann ist absolut manipuliert worden. Ganz böse Geschichte.‘ Zum Abschied hält Nina noch mal fest: ‚Ich bin übrigens halb Mensch, halb Engel.'“

Meine persönliche Frage an die Außerirdischen habe ich auf der ProSieben-Webseite bereits hinterlassen: Habt Ihr dort vielleicht ein besseres Fernsehprogramm? (PRO)

Helfen Sie PRO mit einer Spende
Bei PRO sind alle Artikel frei zugänglich und kostenlos - und das soll auch so bleiben. PRO finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unterstützen Sie jetzt PRO mit Ihrer Spende.

Ihre Nachricht an die Redaktion

Sie haben Fragen, Kritik, Lob oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Nachricht direkt an die PRO-Redaktion.

Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

PRO-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen