Hessen: Erste homosexuelle Segnung mit Beurkundung

Ein Novum für die evangelische Kirche: Am Wochenende wurde in Hessen erstmals ein homosexuelles Paar mit Beurkundung gesegnet. Die traditionelle Trauung und die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare seien damit in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau weitgehend gleichgestellt. Welchen Einfluss hat dieser Vorstoß auf die anderen 19 Landeskirchen?
Von PRO

Zwei Männer gingen am Wochenende in Seligenstadt bei Frankfurt eine Lebenspartnerschaft mit dem Segen der Kirche ein und bekamen dafür erstmals eine kirchliche Beurkundung. Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) Stephan Krebs sagte gegenüber pro: „Die EKNH führt seit zehn Jahren Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare durch. Bis vor kurzem war es keine Amtshandlung. Jetzt ist es eine Amtshandlung. Die Verpartnerung wird im Stammbuch eingetragen.“

Im Juni hatte sich die EKHN auf einen Leitfaden namens „Lebensordnung“ geeinigt, der die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare einer klassischen Trauung gleichsetzt. Darin heißt es: „Die Gottesdienste zur Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren sollen nach dem Willen des Kirchenparlaments mit den traditionellen Trauungen weitgehend gleichgestellt werden. Als Amtshandlung können Segnungen nun auch in Kirchenbüchern beurkundet werden. Es soll darüber hinaus weiter beraten werden, ob die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare auch als Trauung bezeichnet werden kann.“ Derzeit steht der Abschnitt unter der Überschrift: „Die Trauung (Segnung einer standesamtlichen Eheschließung) und die Segnung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft“.

Gegenüber pro sagte Eberhard Hoppe, Pfarrer in der EKHN und stimmberechtigtes Mitglied der Landessynode: „Eine Trauung ist mehr als eine Segnung. Es ist ein Bundesschluss. Indem die EKHN die Trauung als eine Segnung einer standesamtlichen Eheschließung benennt, definiert sie die Trauung neu. Damit ist sie nichts Besonderes mehr.“ Er hatte in der Sondersynode gegen die Lebensordnung gestimmt. Laut seines Protokolls stimmten von den 119 Anwesenden nur drei dagegen und zwei enthielten sich.

Bereits in der Tagesschau hatte Hoppe Kritik geübt: „Meiner Meinung nach wird hier die Heilige Schrift zurechtgebogen. Die Bibel sagt klipp und klar: Die Ehe ist für einen Mann und eine Frau, bestimmt auf Lebenszeit und nicht für andere Lebensformen, die die Bibel zwar kennt, aber die sie nicht unter Gottes Segen stellt.“

Pfarrer kann gleichgeschlechtliche Segnungen verweigern

Ein Pfarrer hat bei Kasualien in der EKHN ein Verweigerungsrecht. Dies gilt auch im Fall einer solchen Segnung. Oberkirchenrat Krebs sagte dazu: „Solche Fälle muss der Dekan prüfen und gegenfalls einen anderen Pfarrer damit beauftragen. In der Lebensordnung ist der Gewissensvorbehalt gewahrt worden.“

Diese neue Vorgehensweise in der EKNH habe aber keinen Einfluss auf andere Landeskirchen. Der Pressesprecher der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Reinhard Mawick, sagte gegenüber pro: „Jede Landeskirche kann solche Entscheidungen für sich selbst treffen. Sie müssen nicht dem Beispiel der EKHN folgen. Die EKD unterscheidet zwischen einem Gottesdienst anlässlich einer Eheschließung (‚Trauung‘) und einem ‚Gottesdienst anlässlich einer eingetragener Lebenspartnerschaft‘.“ Zudem werde es keine bundesweit einheitliche Regelung von der EKD geben. Ob homosexuelle Paare einen Segen oder wie nun in der EKHN auch eine kirchliche Beurkundung erhalten, falle in den Gestaltungsbereich der insgesamt 20 Landeskirchen. Davon hätten 14 inzwischen eine Regelung zumindest zur Segnung der Paare.

Vergangenes Jahr hat die EKHN nach eigenen Angaben rund 20 homosexuelle Paare gesegnet und 3.801 Paare getraut. Damit war die gleichgeschlechtliche Trauung zumindest der Liturgie nach bereits einer traditionellen Zeremonie gleich. Mit der Beurkundung ist laut EKHN-Sprecher Krebs nun ein weiterer Unterschied beider Heiratsformen aufgehoben worden.

Vorstoß ist Belastung für Ökumene

Krebs ist klar, dass seine Kirche Gegenwind bekommt: „Diese Entwicklung ist ein Zwischenschritt eines 30 Jahre dauernden Konsultationsprozesses zum Thema Homosexualität in unserer Kirche. Formell ist der Prozess abgeschlossen. Es wird aber weitere Debatten geben, weil es Kritik aus pietistischen und konservativen Kreisen gibt.“

Der Ökumene-Bischof Friedrich Weber befürchtet eine Belastung der Beziehung zu den Katholiken. Er sagte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur: „Der Dialog ist schwieriger geworden. Die Katholiken können das nicht nachvollziehen.“ Die Entwicklung halte er persönlich für „problematisch“. Der Catholica-Beauftragte der evangelischen Kirche fügte hinzu: „Die Ehe zwischen Mann und Frau muss deutlich als etwas anderes erkennbar bleiben.“

In Berlin und Bayern keine Beurkundung geplant

Nach pro-Informationen planen vorerst keine weiteren Landeskirchen die Beurkundung solcher Partnerschaften. Der Pressesprecher der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Volker Jastrzembski, sagte gegenüber pro: „Bei uns gibt es seit 2002 eine Segnung gleichgeschlechtlicher Paare, nach einem Beschluss der Synode. Wir nennen sie ‚Andacht mit Segnung‘. Es ist allerdings keine Amtshandlung und sie ist nicht im Register vermerkt, es gibt keinen Überblick. Es sind mir auch derzeit keine Initiativen zu einer solchen Gleichstellung bekannt.“ Auch hier kann sich ein Pfarrer verweigern, eine Segnung durchzuführen. Jastrzembski sagte: „Möchte ein Pfarrer solch eine Segnung nicht durchführen, so muss er einen Beschluss des Gemeindekirchenrats herbeiführen. Der Gemeindekirchenrat, in anderen Landeskirchen als Kirchenvorstand bekannt, entscheidet, ob eine Gemeinde solche Segnungen durchführt.“

Johannes Minkus, Pressesprecher der Evangelischen Landeskirchen in Bayern, sagte im Gespräch mit pro: „Der Vorstoß in der EKHN hat keine Auswirkungen auf die bayerische Situation. Jede Landessynode entscheidet das selbst. In Bayern gibt es Segnungen von homosexuellen Paaren. Diese dürfen aber nicht mit einer Trauung verwechselbar sein. Eine Trauung ist also nicht möglich. Bei der Segnung muss der Gottesdienstbesucher erkennen, dass es sich nicht um eine Trauung handelt. Zum Bespiel sind dann die An- oder Abkündigungen anders, die Fragen werden anders gestellt oder es gibt eine veränderte Liturgie.“

Keine konkreten Planungen zu Segnungen in Baden

In der Evangelische Landeskirche in Baden gibt es keine Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren. In einem Beschluss der Landessynode von 2003 heißt es: „Die Landessynode befürwortet die geistliche Begleitung von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften. Diese soll ausschließlich in der Seelsorge stattfinden. Die Landessynode hat das Vertrauen, dass die in der Seelsorge Tätigen den Raum der Seelsorge verantwortlich gestalten.“ Oberkirchenrat Matthias Kreplin sagte zu pro: „Dieser Beschluss in Baden ist nun schon ein Jahrzehnt alt. Inzwischen ist die Diskussion in den verschiedenen evangelischen Landeskirchen in Deutschland und auch innerhalb der Evangelischen Landeskirche in Baden weitergegangen. Deshalb dürfte auch in Baden über die Segnung homosexueller Paare in der nächsten Zeit zu diskutieren sein. Konkrete Planungen dazu gibt es aber noch nicht.“ (pro/dpa)

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