Mit einer dreitägigen Veranstaltung will die Deutsche Bischofskonferenz dem Phänomen seit Dienstag auf den Grund gehen und sich mit den „neuen religiösen Bewegungen” als Herausforderung für die katholische Kirche befassen. Dazu hat sie zu einer internationalen Tagung in Rom eingeladen. Ziel seien „konkrete Handlungsorientierungen und pastorale Konzepte” für Ortskirchen. Der Hintergrund: Die Zahl der Anhänger dieser Frömmigkeitsstile wird insgesamt auf 400 Millionen geschätzt. Das weltweite Wachstum des Christentums führen viele maßgeblich auf diese Bewegungen zurück, und das, obwohl auch die katholische Kirche im Durchschnitt um 1,3 Prozent jährlich wächst. Einen „heiligen Krieg um die Seelen”, nannte die Anthropologin Regina Novaes die Entwicklung in Brasilien 2006 beispielhaft gegenüber dem „Spiegel”. Demnach habe die dortige katholische Kirche in den vergangenen 40 Jahren ein Drittel ihrer Mitglieder verloren. Von zehn ehemaligen Katholiken seien sieben in evangelische Gemeinden gewechselt.
Evangelikale, Pfingstler und Charismatiker sind nun also eine Herausforderung für die katholische Kirche, wie es in der Tagungsbeschreibung heißt. Das ist teilweise nachvollziehbar: Gerade in afrikanischen und südamerikanischen Pfingstgemeinden ist ein Wohlstandsevangelium verbreitet, das gerade den neuen Papst entsetzen müsste. Die Liebe Gottes zeigt sich automatisch im Wohlergehen seiner Schafe – das kann ein Mann, der sich nach Franz von Assisi benennt, unmöglich gut finden. Doch nicht alle neuen kirchlichen Bewegungen sollten für die etablierten Kirchen zum Fürchten sein.
Zu beobachten ist eine fragwürdige Vermischung verschiedener Glaubensausprägungen unter dem Titel „Fundamentalisten”. In diversen Radiosendungen und auch bei der Liveübertragung des Konklaves und der Vorstellung des neuen Papstes war seitens der Moderatoren immer wieder die Rede von evangelikalen Fundamentalisten – gemeint waren häufig südamerikanische Pfingstgemeinden. Ohne letztere rigoros Verteufeln zu wollen: Es gibt zahlreiche Gründe, warum sich unter den Freikirchen verschiedene Denominationen herauskristallisiert haben. Vielleicht ist es ein Fehler der Evangelikalen, die Unterschiede nicht deutlich genug in die Öffentlichkeit zu transportieren, auf jeden Fall ist das alle-über-einen Kamm-scheren der Medien eine Vernachlässigung journalistischer Sorgfaltspflicht.
So sollte es trotz eines seit Jahren schleppenden Verlaufs ökumenischer Bestrebungen unsere Hoffnung sein, dass am Ende der internationalen Tagung mit dem Titel "Evangelikale – Pfingstkirchen – Charismatiker" keine einseitige aus Angst geborene Verdammung jener Gruppen steht, sondern dass daraus ein Ideenatlas der Annäherung zwischen Volkskirche und einer neuen Bewegung gläubiger Christen hervorgeht.