Im Krieg zu sterben sei eine Ehre, war der Prediger Heinrich Goebel 1916 überzeugt. „Grässlich“ sei diese Überzeugung, sagt dagegen heute sein Enkel, ein Theologe. pro beleuchtet in einer Serie, wie sich Kirchen und Freikirchen im ersten Weltkrieg verhalten haben.
Von PRO
Foto: German Government (Ministry of defence, year 1916) Wikipedia
Eine Grafik für die Hinterbliebenen gefallener deutscher Soldaten illustriert die Mischung christlicher Werte mit Nationalismus und Heldenpathos im Heldentod
Heinrich Goebel veröffentlichte 1916 ein Buch unter dem Titel „Unsere Helden im großen Weltkrieg“. Goebel, im Oktober 1864 geboren, war Prediger der Evangelischen Gemeinschaft. Diese Freikirche schloss sich im Velauf der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts der Evangelisch-Methodistischen Kirche an. Der Kirchenhistoriker Martin Greschat, ein Enkel von Heinrich Goebel, hat sich mit dem Leben seines Großvaters und dessen Buch kritisch auseinandergesetzt.
Die Widmung des Buches lautet: „Den Gefallenen zur Ehre, den Zeitgenossen zur Lehre, den kommenden Geschlechtern zur Nacheiferung gewidmet vom Jugendbund der Evangelischen Gemeinschaft in Deutschland.“ Der Hauptteil des Buches mit insgesamt vier Kapiteln ist der Abschnitt „Wie sie starben“. Auf etwa 80 Seiten beschreibt Goebel darin den Tod von 73 jungen Menschen, die zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung bereits im Krieg gefallen waren. Seine Berichte ergänzen Bilder und Auszüge aus persönlichen Briefen. Die Widmung sei typisch für Goebels patriotische Haltung, erklärt Greschat. „Ich habe noch ein lebendiges Bild von meinem Großvater“, erzählt er. Der Historiker und Theologe erinnert sich an die „neupietistische Strenge“, die sein Großvater Heinrich Goebel gepflegt habe. Gegenüber seinen zehn Kindern und auch seinen Enkeln habe er ein strenges Regiment geführt.
In dem Buch schildert Goebel eine Abendmahlsfeier, bei der sich etwa „50 bis 60 Heerespflichtige meiner Gemeinde […] entschlossen die Hand reichten mit den Worten ‚Wir sehen uns wieder als Sieger, oder hier auf Erden nimmermehr!‘.“ Martin Greschat erkennt darin die religiöse Grundmelodie, die dem Buch zugrunde liegt: „Christen sind treue, mutige Kämpfer. Wenn sie sterben, haben sie die Gewissheit, doch in der Hand Gottes zu bleiben und das Himmelreich zu erben.“ In der religiösen Überhöhung des Nationalismus wurde der „Heldentod“ zum „Ehrentod“, der Gefallene wurde als Märtyrer angesehen. Die Mitglieder der meisten Freikichen in Deutschland dachten ebenso, konstatiert Greschat.
„Christentum war Schubkraft für Nationalismus“
„Das Buch meines Großvaters ist ‚hochgradig national‘“, sagt Greschat. Der christliche Glaube hinderte den Nationalismus nicht, sondern beförderte ihn. Diesem Zweck habe auch das Buch gedient. Aus heutiger Perspektive bewertet Greschat das Buch seines Großvaters als „grässlich“. „Die Möglichkeit, Nationalismus und Chauvismus – und auch Patriotismus – vom Evangelium, vom christlichen Glauben her, zu kritisieren oder in Frage zu stellen, kommt in dem Buch überhaupt nicht vor“, konstatiert er, und folgert: „Das Christentum war sozusagen eine weitere Schubkraft für diesen deutschen Nationalismus.“ Und weiter: „Die unheilvolle Mischung von christlichem Glauben und Nationalem wird im Buch meines Großvaters dokumentiert.“ Aus Andeutungen der Mutter schließt Greschat, dass sein Großvater seine Haltung später überdacht habe, nachdem von drei Söhnen zwei im Krieg gefallen waren und ein weiterer schwer kriegsversehrt heimkehrte. (pro)
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