Geistliche und Politiker könnten von Jesus lernen, sich zugunsten der Schwachen mit den Mächtigen anzulegen. "Er war bereit zu kämpfen, er hat sich nicht versteckt." Das sagte der CDU-Politiker und ehemalige Bundesfamilienminister Heiner Geißler, der am heutigen Mittwoch 80 Jahre alt wird, in einem Interview mit der "Frankfurter Rundschau".
Von PRO
Foto: www.heiner-geissler.de
Auf die Frage, ob er die Kirche brauche, antwortet Geißler: "Mir gibt das Evangelium Halt. Jesus ist mein einziges Vorbild." Der sei ein junger athletischer Wanderprediger gewesen, der "das ganze Jahr bei Wind und Wetter durch Galiläa und Judäa marschiert ist". Geißler zeigt sich von der Person fasziniert: "Er hat die gewaltigste Lehre verkündet, die es je auf der Erde gegeben hat. Das Entscheidende jedoch ist: Er wurde wegen seiner Ideale gefoltert und umgebracht. Er war die personifizierte Glaubwürdigkeit. Denken, Reden und Handeln stimmten bei ihm überein."
Geißler, der am 3. März 1930 in Oberndorf am Neckar geboren wurde, trat nach dem Abitur dem Jesuitenorden bei, verließ ihn nach vier Jahren aber wieder, weil er kein Keuschheitsgelübde ablegen wollte. Er studierte Philosophie und Jura. Von 1982 bis 1985 war er Bundesfamilienminister, und von 1977 bis 1989 Generalsekretär seiner Partei. Geißler ist verheiratet und hat drei Kinder.
Ihn als Jesuitenschüler stimme es traurig mit anzusehen, wie angesichts der sexuellen Misshandlungen an Kindern "der ganze Orden an den Pranger gestellt" werde, "weil drei bis vier Priester in den 80er Jahren Kinder missbraucht haben". Ihm selbst seien in seiner Schule St. Blasien nie sexuellen Übergriffen begegnet. Die katholische Kirche stehe in der Gefahr, ihre Autorität zu verspielen, so Geißler im FR-Interview. "Das Sexualleben steht bei ihr unter dem Verdacht, etwas potenziell Schlechtes zu sein. Die Missbrauchsfälle stehen in einem eklatanten Widerspruch zu diesem Anspruch. Die Kirche verliert ihre Glaubwürdigkeit."
Plädoyer für christliches Menschenbild in der CDU
Er selbst habe "in der Politik nie gelogen", sondern immer gesagt, was er dachte und entsprechend gehandelt. Ihm sei in der CDU nach wie vor das christliche Menschenbild wichtig, das andere Parteien "nur noch verbal vor sich hergetragen" würden.
Ähnlich äußerte sich Geißler in der aktuellen Ausgabe des Monatsmagazins "Cicero". In einem "Plädoyer gegen die Kleingeisterei" schreibt der Politiker, die CDU habe eine Partei neuen Typs entwickelt, die "ein eigenes christlich-demokratisches Profil und eigene Inhalte" habe. "Sie ist keine konservative Partei, sondern eine christlich-demokratische. Das ist etwas anderes und Eigenes. Sie ist keine klerikale Partei mit christlichen Ajatollahs und keine Volksausgabe der Partei bibeltreuer Christen."
Die CDU müsse sich auf das "Fundament besinnen, das sie sich selber gegeben hat, nämlich das christliche Menschenbild". Denn das sei eine "unverzichtbare Voraussetzung für eine ethisch relevante Politik, deren Ergebnisse auch von den Bürgerinnen und Bürgern akzeptiert und positiv bewertet werden können, die gar keine Christen sind".
Geißler mahnt, der "wirkliche Markenkern der CDU" sei die "moderne Umsetzung des wichtigsten Gebotes des Evangeliums, der Nächstenliebe". Diese sei nicht "platonisch zu verstehen", sondern bedeute eine Pflicht, denjenigen zu helfen, die in Not sind. "Dies gilt auch für den Feind. Diese Aufgabe sprengt nationale, kulturelle und religiöse Grenzen."
Versöhnung und friedliche Lösung von Konflikten müssten Vorrang haben vor Gewalt und Krieg, so Geißler. Auch sei Fremdenfeindlichkeit mit dieser Botschaft "unvereinbar". Das christliche Menschenbild stelle "Anforderungen an diejenigen, die in der Politik Verantwortung tragen", für glaubwürdiges Handeln, "das heißt die Einheit von Ideen, Reden und Handeln".
Anlässlich seines 80. Geburtstages schrieb Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem persönlichen Schreiben an Geißler, er setze gesellschaftliche Themen und bringe sich "mit Geist und Mut in Debatten" ein. Merkel bedankte sich laut CDU beim ehemaligen Generalsekretär der Partei für dessen "außergewöhnlichen Einsatz für unser Land und die CDU Deutschlands". Geißler sei "Schlichter und Mahner" und habe wesentlich dazu beigetragen, dass die CDU eine "lebendige Volkspartei" sei.
Bei einem Empfang der Bundes-CDU zu Geißlers Ehrentag am Dienstagabend in Berlin sagte Merkel, Geißler formuliere markant, analysiere intellektuell scharf und mit großem Gespür für gesellschaftliche Veränderungen und scheue auch den Widerspruch gegen die eigenen Reihen nicht. Sein Wirken sei Ansporn zum Nacheifern. (pro)
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