Hart aber fair: Von Ampelfrauchen und Kniegelenken
Eine Talk-Sternstunde war sie sicher nicht, die Diskussionsrunde zum „Gender Mainstreaming“ am Abend des 2. März bei Frank Plasberg. Dafür wirkte die Gästeliste zu unausgegoren, die sich eingefunden hatte, um über Ampelmännchen und Ampelfrauchen zu diskutieren. Eine TV-Kritik von Gerrit Hohage
Von PRO
Foto: WDR/Oliver Ziebe
„Nieder mit den Ampelmännchen – Deutschland im Gleichheitswahn?“ lautete das Thema der Sendung „hart aber fair“ am Montag.
Und doch war die Sendung bemerkenswert, denn sie zeigte: Über Sinn und Unsinn der Genderforschung muss und kann kritisch diskutiert werden. Erstaunlich war, wie der Gender-Befürworter Anton Hofreiter (Bündnis 90/Grüne) die „Gender Studies“ realpolitisch umdeutete. So gehe etwa die Entdeckung biologischer Unterschiede im Aufbau der Kniegelenke auf ihr Konto. Dies ist nun gerade nicht der Fall – „Gender“ bedeutet ausdrücklich das „soziale“ im Kontrast zum „biologischen“ Geschlecht. Diese Umdeutung lässt aufhorchen: War er schlecht informiert, wollte er damit die Akzeptanzmöglichkeiten verbessern oder wird eine der Kernthesen der Genderforschung, dass nämlich das „Geschlecht“ nicht biologisch, sondern sozial generiert wird, angesichts des wachsenden wissenschaftlichen Drucks auf medizinischer und biologischer Ebene langsam aufgegeben?
Anne Wizorek, die sich als Bloggerin und Autorin bisher eher in der Sexismus- als in der Gender-Debatte hervorgetan hatte, redete von Kindererziehung wie jemand, der selbst keine Kinder hat und störte ansonsten mit ihrem Dazwischenreden den Ablauf derartig, dass Positionsbestimmungen auf der Strecke blieben.
Diese waren am ehesten von der Publizistin Birgit Kelle zu vernehmen: Eine auf dem „Gender Mainstreaming“ basierende Politik sei nicht demokratisch, vor allem nicht parlamentarisch legitimiert; die gewaltsame Veränderung der deutschen Sprache löse Probleme, die keine sind, um den Preis der Unaussprechbarkeit von Sternchen und Unterstrichen; am biologischen Geschlecht führe kein Weg vorbei.
Dies demonstrierten Wolfgang Kubicki (FDP) und die Schauspielerin Sophia Thomalla ostentativ als zwei personifizierte Geschlechterstereotypen, die hauptsächlich ausstrahlten, dass sie mit ihrem Mann- und Frausein völlig identifiziert und dabei glücklich und zufrieden sind und für politische Anstrengungen zur Verbesserung der Gleichstellung wenig bis keinen Bedarf mehr sehen. Worin über einfache Gleichstellungspolitik (zum Beispiel gleiches Gehalt für gleiche Arbeit) hinaus der Mehrwert der „Gender Studies“ für eine breite Bevölkerung bestehen sollte, blieb da seitens ihrer Befürworter offen.
Interessant wurde es, als Birgit Kelle die ärgerlichen Unterschiede in der Leistungsvergütung mit dem weniger selbstbewussten Auftreten von Frauen in Einstellungsgesprächen erklärte und darauf hingewiesen wurde, dass diese Erklärung ja eher zum „Gender Mainstraming“ mit der Problematisierung anerzogener Rollenerwartungen passen würde. Offensichtlich kann man, wenn das biologische Geschlecht als naturgegebene Voraussetzung anerkannt wird, auch sinnvoll über soziale Rollenzuschreibungen reden und Konsenspunkte zwischen Gender-Befürwortern und -Kritikern finden.
Dass die Debatte an dieser Stelle nicht den erforderlichen Tiefgang bekam, lag daran, dass abermals die Chance vertan wurde, die Genderforscher_Innen selbst (wie zum Beispiel „Profx Lann Hornscheidt“) ihre Ansichten einer breiten Bevölkerung zur Meinungsbildung vorlegen zu lassen und damit die Gender-Debatte aus den esoterischen Zirkeln an der Universität und den politischen Hinterstübchen heraus an die Öffentlichkeit zu bringen, die mit ihren kostspieligen Früchten bedacht wird. Hier blieben so viele Fragen offen, dass eine Fortsetzung der Debatte – auch wenn andere Probleme derzeit dringender sind – sehr wünschenswert wäre. (pro)
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