Hape findet Gott

Das Buch „Ich bin dann mal weg“ von Hape Kerkeling wurde zum Bestseller. Nun nimmt uns die Verfilmung mit Devid Striesow in der Hauptrolle ab dem 24. Dezember auf eine wunderschöne Pilgerreise mit nach Santiago de Compostela, aber vor allem zum eigenen Ich und zu Gott. Eine Filmkritik von Jörn Schumacher
Von Jörn Schumacher
Am 24. Dezember läuft in den deutschen Kinos die Verfilmung des Pilger-Buches „Ich bin dann mal weg“ von Hape Kerkeling an
Was suchen all die Menschen auf dem Jakobsweg? Auch Hape Kerkeling, der sich 2001 einige Wochen lang auf den „Camino Francés“ von Saint-Jean-Pied-de-Port bis Santiago de Compostela machte, wusste eigentlich selbst nicht genau, warum er diese Strapazen auf sich nehmen wollte. Fest stand: Das jahrzehntelange Bühnen-Leben forderte längst seinen Tribut, gesundheitlich ging es mit dem Show-Mann immer weiter bergab. Sein Pilger-Bericht „Ich bin dann mal weg – Meine Reise auf dem Jakobsweg“ von 2006 wurde ein Bestseller, er wurde fünf Millionen mal verkauft. Der Titel hielt sich 100 Wochen lang auf Platz 1 der Sachbuch-Bestsellerliste. Es führte zu einer starken Zunahme deutscher Pilger auf dem Jakobsweg. Am Anfang liegt da ein ziemlich dick gewordener, ungesund lebender und völlig überarbeiteter Hape Kerkeling im Krankenhausbett. Etwas muss sich im Leben ändern. Nur was? Anscheinend, so schwant es dem Zuschauer, und wohl auch Hape, war das bisherige Leben der Rampensau einfach zu oberflächlich. Nie war Zeit, über den Sinn des Lebens nachzudenken, über Gott und darüber, was wirklich wichtig ist. Wer ist Gott eigentlich? Und wer bin ich selbst? Und kann ich überhaupt Gott finden, wenn ich mich selbst noch nicht gefunden habe?

Gott finden – anders als erwartet

Es gilt für die Pilger des Jakobswegs also offenbar zunächst einmal, herauszufinden, was eigentlich das persönliche Ziel des Pilgerwegs ist. Heilige sind die Pilger jedenfalls nicht. „Manche sagen, man wasche sich auf dem Weg von seinen Sünden rein. Mir kommt es so vor, als würden die Leute hier auf dem Weg nur noch mehr Sünden anhäufen“, sagt eine Begleiterin Hapes. Hape gelingt es irgendwann tatsächlich, nach vielfachem Verdruss und dem Willen, die Pilgerwanderung abzubrechen, zu finden, wonach er gesucht hat. Und ja, er findet Gott. Auch wenn Hape beziehungsweise die Filmemacher über diesen Punkt ein wenig den Mantel des Schweigens legen, so gerät der Zuschauer doch mitten hinein in jene Gotteserfahrung, die „Erleuchtung“, die sich Hape am Anfang so gewünscht hat. Sie fällt von außen betrachtet nicht sehr spektakulär aus, aber man ahnt, was in ihm vorgegangen sein muss. Ein Schlüssel ist für Hape ein schlichter Ausdruck, den er auf eine Häuserwand gepinselt sieht: Du und ich. Was an das Dialogische Prinzip des jüdischen Philosophen Martin Buber erinnert, für den der Mensch erst am göttlichen Du zum Ich wird, führt Hape nicht weiter aus. Er will nur andeuten, wie die Begegnung mit Gott aussah. Vielleicht war es ein bisschen wie beim Propheten Elia: Der fand Gott wider Erwarten nicht etwa im Sturm, im Feuer oder im Erdbeben, sondern lediglich in einem leisen Säuseln des Windes. So unspektakulär kann die Begegnung mit Gott sein, aber wer beharrlich auf sie hofft, den trifft sie, und dann ist sie unmissverständlich. Und Frieden breitet sich aus. Auf Hapes Gesicht jedenfalls legt sich nach dieser „Erleuchtung“ ein breites Grinsen, das ihn so schnell nicht mehr verlässt. Die Kirche, so ist klar, mag zwar auf dem richtigen Weg sein, doch was der Unterhaltungskünstler auf dem Jakobsweg fand, hätte er in ihr nicht finden können. Auf die Frage einer Mitreisenden, warum er bisher nicht in die Kirche gegangen sei, antwortet Hape: „Das Bodenpersonal Gottes lässt doch sehr zu wünschen übrig. Es ist, wie wenn man einen sehr guten Film in einem schlechten Dorfkino ansieht.“ Die Umstände sind miserabel, die Tonqualität ist vielleicht schlecht, die Umgebung ist laut, und der Filmprojektor ist uralt, und leider besteht Gefahr, darüber zu vergessen, dass der Film selbst doch eigentlich grandios ist.

KEP-Medienpreisträger glaubhaft als Hape Kerkeling

Der Film „Ich bin dann mal weg“ schafft es sehr gut, den Zuschauer für 90 Minuten mit auf den Jakobsweg zu nehmen. Die Original-Schauplätze sind wunderschön abgefilmt, der Film wird dominiert von lichtdurchfluteten, schwebenden Aufnahmen. Die Wahl der Schauspieler ist durchweg gelungen. Dass er sich selbst spielen könnte, war für Hape Kerkeling von Anfang an undenkbar. Es lägen 13 Jahre zwischen dem Pilgerweg und den Dreharbeiten, die könne man unmöglich einfach so übertünchen, sagte er in einem Interview. Mit Devid Striesow, der in diesem Jahr mit dem Medienpreis „Goldener Kompass“ des Christlichen Medienverbundes KEP für seine Rolle im ARD-Film „Der Prediger“ ausgezeichnet wurde, sei jedoch eine sehr gute Wahl für die Hauptrolle getroffen worden, sagte der Comedian. Erstaunlicherweise nimmt man Devid Strisow den Kerkeling schon nach kurzer Eingewöhnungszeit ab. Martina Gedeck als Pilger-Freundin, Katharina Thalbach als Oma Kerkeling, und Birol Ünel in einer Nebenrolle als rätselhafter Fremder, der genau die richtigen Worte findet, runden den Film ab. Produzent ist der erfolgreiche deutsche UFA-Produzent Nico Hofmann, am Drehbuch schrieb Christoph Silber mit, der von sich als gläubiger Christ im pro-Interview sagte: „Ich versuche nicht bewusst, christliche Werte in meinen Filmen unterzubringen. Ich vertraue darauf, dass etwas Höheres mich führt und durch mich wirkt. Dann wirkt sich mein Glaube auf die Art und Weise aus, wie ich Geschichten erzähle, wie ich über sie nachdenke und wie ich Fragen in den Geschichten angehe.“ Zum Glück ist der Camino Francés nicht der einzige Weg zu Gott. Das predigt der geläuterte Hape zum Schluss des Films. Und: es gibt nicht ein einzelnes Ziel, das alle Pilger erreichen. Stattdessen gilt es für jeden einzelnen, überhaupt erstmal zu erkennen, was das Ziel eigentlich ist. Hat man das gefunden, ist es für manchem so, als warte am Ziel schon die (Er)lösung auf den Wanderer. Und bei manchem steht am Ziel Gott selbst. (pro)

Ich bin dann mal weg, 92 Minuten, Freigegeben ohne Altersbeschränkung, Regie: Julia von Heinz, Kinostart 24. Dezember 2015

https://www.pro-medienmagazin.de/film/detailansicht/aktuell/gute-geschichten-koennen-nicht-missionarisch-sein-81349/
https://www.pro-medienmagazin.de/kultur/veranstaltungen/detailansicht/aktuell/goldener-kompass-fuer-tatort-kommissar-91809/
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