Haiti: „Gott liebt uns mehr als unsere Häuser“

Mehr als 800 Menschen sind durch den Hurrikan „Matthew“ in Haiti in den vergangenen Tagen ums Leben gekommen. Mitarbeiter des deutschen christlichen Hilfswerks DMGinterpersonal haben das Unwetter erlebt – und bewundern die Einstellung der Haitianer. Doch eine Woche danach sei die Lage katastrophal.
Von PRO
Der Wirbelsturm „Matthew” hat in Haiti schlimme Zerstörungen angerichtet

Als der Hurrikan „Matthew“ Anfang vergangener Woche mit bis zu 230 Stundenkilometern über das kleine Karibikland Haiti hinwegfegte, ließ er fast nichts stehen – weder Bäume und Palmen noch Häuser. „Wir haben uns vor dem Sturm viele Sorgen gemacht, aber ‚Matthew‘ war stärker und zerstörerischer, als wir es hätten ahnen können“, sagte der Deutsche Arne Clemm, der mit seiner Frau und drei Kindern im Südwesten Haitis nahe der Stadt Les Cayes lebt und dort für das christliche Hilfswerk DMGinterpersonal arbeitet. Der Wirbelsturm sei so laut gewesen, dass er das Krachen der umfallenden Bäume und der wegfliegenden Dächer übertönt habe.
Haiti ist eines der ärmsten Länder der Welt. 80 Prozent der Bevölkerung müssen am Tag von weniger als zwei Dollar leben, über die Hälfte hat nur einen Dollar am Tag zur Verfügung. 2010 war das Land von einem schweren Erdbeben heimgesucht worden, in dessen Folge über 300.000 Menschen starben. Bis jetzt leben seitdem rund 60.000 Haitianer in Notunterkünften.
Von „Matthew“, der den Westen des Landes heimsuchte, sind auch mehrere der Gemeindehäuser und Schulen des südhaitianischen Baptistenbundes MEBSH betroffen, der lokalen Partnerorganisation von DMGinterpersonal, sagte Clemm. Dennoch habe er Einheimische getroffen, die „ausnahmslos ihre Freude darüber ausdrückten, dass sie noch am Leben waren“, berichtete er im Gespräch mit pro. „Sie danken Gott, dass er sie beschützt hat. Ein Bekannter sagte mir: ‚Gott liebt uns mehr als unsere Häuser und Gegenstände.‘“ Mittlerweile sei unter anderem die einzige Straße zur Hauptstadt wieder befahrbar. Das sei wichtig, um die Ortschaften im Südwesten mit Wasser, Lebensmittel, Benzin und anderen Hilfsgütern zu versorgen.

Es drohen Seuchen

Vor allem die Versorgung mit sauberem Wasser sei ein drängendes Problem, zumal die Gefahr von Epidemien drohe, wie der Cholera, die vor sechs Jahren wenige Monate nach dem Erdbeben ausbrach. In der nächsten Zeit gehe es zudem darum, die Infrastruktur und die Häuser wieder aufzubauen, sagte Clemm. Schwierig sei die Situation vor allem für die armen Menschen in den ländlichen Gegenden, die zum Teil noch abgeschnitten seien. „Viele Haitianer leben größtenteils als Selbstversorger. Nun, da größte Teile der Ernte und extrem viele der Bananen-, Brotfrucht-, Avocado-, Mango- und sonstigen Bäume zerstört sind, wird es da ein großes Versorgungsvakuum geben, das langfristig gelöst werden muss“, erklärte Clemm.
Auch Susanne Fassl, die als Krankenschwester für DMGinterpersonal in der Region tätig ist, hat den Sturm erlebt. Sie berichtete, dass das Gästehaus, das zu einer von DMGinterpersonal unterstützten Klinik in der Küstenstadt Port Salut gehört, überflutet worden sei. Fensterläden seien abgerissen worden, der Wassertank auf dem Dach weggeflogen, die Stromversorgung abgerissen. „Die komplette Strandstraße ist unterspült, aufgebrochen und unpassierbar“, teilte sie mit. Die Klinik habe eines ihrer Depots geöffnet, damit Nachbarn im Trockenen kochen und unterkommen könnten. „Wir halten zusammen und helfen uns gegenseitig“, sagte Fassl.

Ein „Monster-Sturm“

Die meisten Orte im Südwesten Haitis waren auch nach drei Tagen noch nicht erreichbar, berichtete die Tagesschau. Hilfskonvois und Helikopter seien derzeit auf dem Weg in die zerstörten Gebiete. Vielerorts sei sauberes Trinkwasser knapp. Die Angaben der Todesopfer schwanken zwischen 400 und 800. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind 1,5 Millionen Menschen in Haiti von dem Hurrikan betroffen, 350.000 benötigen Soforthilfe.
Mittlerweile zieht der Sturm an der Ostküste der USA entlang. In den Bundesstaaten Florida, Georgia und South Carolina wurde der Notstand ausgerufen. Floridas Gouverneur Rick Scott sagte: „Dieser Sturm ist ein Monster.“ Allerdings sind die Schäden in den USA bislang geringer als befürchtet, da der Sturm die Küste nicht mit voller Wucht getroffen hat. „Matthew“ ist mit Windgeschwindigkeiten bis zu 230 Kilometer pro Stunde der stärkste Wirbelsturm seit fast einem Jahrzehnt.

Eine Woche danach: „Es ist katastrophal“

Einige Tage nach dem Gespräch mit pro meldet sich Clemm auf Facebook. Eine Woche ist seit dem verheerenden Wirbelsturm über Haiti vergangen. „Es ist wirklich katastrophal. Die Menschen hier haben Hunger. Hilfskonvois werden überfallen, weil die Menschen verzweifelt sind. Im Westen ist ein ganzer Landstrich von der Süd- zur Nordküste zerstört und von der Außenwelt abgeschnitten“, berichtet Clemm. Die Cholera ist tatsächlich wieder ausgebrochen, die Menschen tränken Wasser aus Pfützen, weil es kein fließendes Wasser gibt. Im Dorf Les Anglais an der Südküste etwa stünden von vormals 4.000 Häusern noch 85. „Haiti braucht jetzt die Hilfe der Weltgemeinschaft“, betont Clemm. (pro)Ecuador: Hilfe und Gebet für traumatisierte Menschen (pro)
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