"Die Evangelikalen sind in Deutschland politischer geworden", stellte Hermann Gröhe bei seiner Begrüßung der Gäste in der CDU-Bundesgeschäftsstelle fest. Zu lange hätten gerade konservative Christen in "politischer Enthaltsamkeit" geradezu einen Ausweis besonderer Frömmigkeit gesehen. "Glaubwürdig können wir unseren menschenfreundlichen Gott aber nur bezeugen, wenn wir uns auch für eine menschenfreundlichere Welt engagieren!" Gröhe erklärte, er wünsche sich Verantwortliche in den Gemeinden, die die Gemeindemitglieder ermutigten, sich als Schüler- oder Elternvertreter, im Betriebsrat oder in den demokratischen Parteien zu engagieren. Keiner dieser Einrichtungen drohe in unserem Land die Gefahr, wegen Überfüllung geschlossen zu werden. Christen sollten daher die Chancen einer freiheitlichen Gesellschaft beherzt nutzen, "obwohl man in der Politik natürlich auch auf schwierige Menschen trifft. Aber auf die treffen Sie in christlichen Gemeinden ja auch", sagte Gröhe mit einem Augenzwinkern. Er denke jedenfalls gerne an den eigenen Pfarrer zurück, der ihn im Alter von 16 Jahren dazu ermutigt habe, Vorsitzender der Schüler Union im Rheinland zu werden – wohl wissend, "dass er nun Ersatz für mich in der Jugendarbeit braucht". Auch in der Fürbitte sieht Gröhe einen "aktiven Beitrag zu christlicher Weltverantwortung". So gebe es ihm auch ganz persönlich Kraft, sich bei besonderen Herausforderungen nicht allein auf die Arbeit hervorragender Mitarbeiter stützen zu können, sondern auch auf treue Fürbitte christlicher Freunde.
Christlich motivierter Einsatz in der Politik setze die Bereitschaft voraus, anerkennen zu können, dass auch Christen – bei aller nachvollziehbaren Sehnsucht nach Eindeutigkeit in Grundsatzfragen – selbst in wichtigen ethischen Konflikten unterschiedlicher Meinung sein könnten. Auch dürfe das notwendige Ringen um faire Kompromisse nicht gleich als mangelnde Prinzipientreue verdächtigt werden, gehe es doch in der Politik sehr häufig vor allem um einen angemessen Ausgleich zwischen unterschiedlichen Anliegen und Interessen.
Besonders eindringlich bat Hermann Gröhe die Mitglieder des Hauptvorstandes der Deutschen Evangelischen Allianz daran mitzuarbeiten, dass das Zusammenleben von Menschen unterschiedlichen Glaubens in unserem Land gelingt. Bei aller berechtigten Sorge im Hinblick auf einen gewaltbereiten Islamismus dürften sich Christen niemals vom Hass auf Muslime anstecken lassen. Zudem werde man einem gewaltbereiten Islamismus nur dann erfolgreich begegnen können, wenn das Miteinander mit der ganz überwiegenden Mehrheit der friedliebenden Muslime in unserem Land gelinge. Christen müssten sich zudem stets fragen: Merken meine muslimischen Nachbarn eigentlich, dass ich an einen Gott glaube, dessen Liebe allen Menschen gilt? Den gut eineinhalbstündigen intensiven Meinungsaustausch beschloss der Vorsitzende der Deutschen Evangelischen Allianz in Deutschland, Jürgen Werth, mit einem Gebet für den Gastgeber und die politischen Verantwortlichen in unserem Land. (pro)