Grenzüberschreitende Kreuzigungen

Viele Künstler lösen das Kreuz aus seinem religiösen Kontext und interpretieren es auf provokante Art und Weise. Ob damit Grenzen überschritten werden, hat der arte-Beitrag „Die Kreuzigung – Ein heiliger Skandal“ untersucht.
Von PRO

Im Mittelpunkt der Dokumentation steht das Werk „Piss Christ“ von Andres Serrano. In dem Bild stellt der Künstler das Kreuz in eine Vase mit Urin. Dies hatte zu wütenden Demonstrationen von Christen geführt, die das Werk zerstörten.

„Angeschissen und vollgepinkelt“

Der Künstler selbst ist überrascht davon, dass sein Bild eine so große Wirkkraft hat. Seine Kunst sei religiös, aber sie sei eben in erster Linie Kunst. Jesus sei einen grauenvollen Tod gestorben, bei dem er sich auch „angeschissen und voll gepinkelt“ habe. Die Entrüstung der Menschen hält der Künstler für heilsam, weil sie sich dadurch ein genaues Bild davon machten, „was Jesus erlitten hat“.

Auch andere umstrittene Kreuzigungsdarstellungen sorgten für Verbitterung unter Christen, wie Martin Scorseses Film „Die letzte Versuchung Christi“. Der Regisseur des arte-Beitrags Olivier Besse betont, dass fundamentalistische Christen dem „Regisseur die Hölle wünschten“. Auch bildende Künstler scheuten keine Tabuverletzungen, etwa wenn sie das Kreuz als Kran darstellten.

Vatikan lehnt eine Stellungnahme ab

Der Vatikan lehnte eine Stellungnahme zu der Dokumentation ab, weil sie  Gotteslästerungen enthalte. Weil Kreuzigungen für die Betrachter unerträglich schienen, habe die Kirche Jesus zunächst als Lamm dargestellt, erklärt die italienische Historikerin Emanuela Prinzivalli. Das Kreuz sei erst sehr viel später benutzt worden, weil die Christen sich lange nicht vorstellen konnten, dass „etwas so Grausames als Fundament ihres Glaubens“ diene.

Ab dem 9. Jahrhundert sei die Zahl der Kreuzdarstellungen explodiert, häufig mit einem lebend dargestellten Jesus. Erst im Laufe der Jahrhunderte habe sich ein Trend vom „allgewaltigen Gott hin zum Sterbenden und der Todesqual eines einzigen Menschen entwickelt“. Ein Skandal sei auch die Darstellung des nackten Christus durch Michelangelo im 15. Jahrhundert gewesen. Im Laufe der Geschichte folgten Darstellungen als Frau bis hin zum verwesenden Christus.

Jesus auf dem elektrischen Stuhl

2009 verursachte der Künstler Paul Fryer einen Skandal, als er in der Kathedrale der französischen Alpenstadt Gap eine Skulptur aufstellte, die Christus auf einem elektrischen Stuhl zeigte. Für den Aktionskünstler Hermann Nitsch, der sich selbst nicht als Christ bezeichnet, ist das Kreuz „trotzdem ein gewaltiges Symbol“, das neben der Auferstehung auch die negative Sichtweise von Grausamkeit symbolisiere.

In der zeitgenössischen Kunst ist für Olivier Besse der gekreuzigte Leib wieder gegenwärtig. In absurder Weise sei dies beim Film „Das Leben des Brian“ der Fall. Zudem würden viele Designer und Werbeagenturen ihre Modekreationen mit Kreuzmotiven versehen. Die Sängerin Madonna und Bands wie Justice inszenierten Kreuzigungen in Bühnenshows und auf Albumcovers. Aggressive Verfremdungen der Kreuzigung gebe es bei vielen Black Metall-Bands.

Während das Kreuz einst das stärkste Zeichen des Christentums war, komme es jetzt zur Gegenbewegung, meint Besse. Zum künstlerischen Umgang mit dem Kreuz meint er: „Religion und Kunst unterscheiden sich, aber die eine darf der anderen nie untergeordnet werden.“ Künstler müssten sich des der Kreuzigung bemächtigen und sie befragen dürfen. Der Künstler Serrano jedenfalls ist stolz auf sein geschaffenes Bild „Piss Christ“. (pro)

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