Gottes Geist im Hollywood-Film

Wer sich auf einen Film von Terrence Malick einlässt, wird in eine Welt aus Licht, Geist und Gefühlen entführt. Sein neuestes Werk „To the Wonder“ ist wie sein Vorgänger „Tree of Life“ ein epischer Film, der wie ein großes Gebet erscheint.
Von PRO
Einen wirklichen Anfang gibt es nicht. Es wird keine große Geschichte erzählt, und das Ende könnte man im Grunde setzen, wo immer man will. Der Film „To the Wonder“ ist eher ein Hineinlauschen in den Wind, in die Gedanken der zwei Hauptpersonen; ein Suchen nach dem großen Zusammenhang im Universum, nach einem Sinn und nach der Liebe. Die Liebe ist es, die im Zentrum des neuen Films von Terrence Malick steht. Versuchte er noch vor zwei Jahren in „Tree of Life“, im Leben als Ganzem, vom Geborenwerden bis zum Sterben, einen Sinn zu finden, geht es in diesem Film darum, herauszufinden, ob die Liebe das Element ist, das unser Leben, ja, das ganze Universum durchzieht.

Filmisch ist Malicks neues Werk, wie bereits „Tree of Life“, sehr eigenwillig. Die Kamera schwebt geradezu in einer permanenten, sanften Bewegung durch Raum und Zeit. Sie verfolgt einen Menschen durch die Zimmer einer Wohnung, man hört dessen Gedanken, die Fenster der Zimmer sind geöffnet, der Wind treibt die Vorhänge nach außen. Dann schwebt die Kamera federleicht hinaus in die Weite eines Kornfeldes, über das Meer und über eine Büffelherde. Immer wieder zeigt uns Malick ein wunderschönes Licht, im Vorgarten beim Spielen mit den Kindern, als Reflexionen in Glas, oder als Sonne, die majestätisch glutrot über dem Meer versinkt. Wind, Licht und Wasser gehören zu Malicks Hauptdarstellern. Hinzu kommt eine Musik, die eher einem beiläufigen wundervollen Rauschen gleicht, das mal anschwillt und mal verebbt, als einer greifbaren Melodie.

Neuartig an Malicks Schaffenskunst ist auch das Verfolgen der Gedanken der Hauptdarsteller: Wie ein Geist schwebt der Zuschauer hinter den Figuren hinterher, schlüpft in ihren Kopf, um ihre innigsten Gebete zu belauschen. Malick engagierte für die Hauptrolle Ben Affleck, der einen Mann namens Neil spielt, der für eine Firma Bodenproben nehmen muss. Doch dass es ausgerechnet einer der bestbezahlten Schauspieler Hollywoods sein musste, erscheint einem eigentlich völlig überflüssig, denn seine Figur sagt kaum etwas, sein Beruf ist nebensächlich, sogar sein Name ist unwichtig. Was an Handlung erzählt wird, kann man mit wenigen Sätzen zusammenfassen: Neil ist mit einer Pariserin zusammen, die eine Tochter hat. Zu dritt ziehen sie in ein bescheidenes Haus in Neils Heimat Oklahoma. Zunächst scheint das Glück grenzenlos, Neil und Marina (gespielt von Olga Kurylenko) versinken in Liebe zueinander. Sie reisen durch Frankreich und die Liebe scheint perfekt. Doch es schleichen sich Zweifel ein, es gibt immer häufiger Streit, die ehemals perfekte Beziehung scheitert.

Warum kann es keine perfekte Liebe auf der Erde geben? Kann die Liebe des Partners etwa nicht die tiefe Sehnsucht füllen, die in jedem Menschen steckt? Dies ist die bohrende Frage der Figuren, die doch nur auf der Suche sind nach Glück und dem Füllen einer inneren Leere. Ihre Sorgen werden zum Gebet an einen Gott, an einen Schöpfer der überwältigenden Natur, die Malick präsentiert, einen Gott, der stets in allem zu sein scheint und der die Quelle aller Liebe ist. In einem Parallel-Strang wird der Priester Quintana (Javier Bardem) gezeigt, der ebenfalls auf der Suche nach der alles durchdringenden göttlichen Liebe ist, die allem einen Sinn gibt. Seine Predigten durchziehen den Film, und er spricht immer wieder von Gott als die eigentliche Lebensquelle. Die Liebe, sei es die zwischen Mann und Frau oder zwischen dem Menschen und Gott, ist das Element, das das Universum zusammenhält. Wenn es denn eine Gesamtaussage von „To the Wonder“ geben sollte, dann ist es wohl dies.

Biographisches im Film

Über Terrence Malick, den Philosophen unter den Filmemachern, ist nicht viel Privates bekannt. Schaut man sich Details aus seinem Leben jedoch genauer an, wird klar, dass „To the Wonder“ sehr viel Biographisches enthält. Auch Malick verliebte sich in Paris in eine Französin, die eine Tochter hatte. Nach ein paar Jahren zogen sie nach Austin, Texas. Malick, der fließend Französisch spricht, heiratete die Frau 1985, das Paar ließ sich jedoch 1998 wieder scheiden. Im gleichen Jahr heiratete er Alexandra “Ecky” Wallace. Es war offenbar seine große Liebe aus der High School, und das Paar lebt bis heute in Austin. Auch die Hauptperson Neil begegnet, nachdem es Risse in der Liebe zu Marina gibt, der Jugendliebe Jane (Rachel McAdams) und beginnt mit ihr eine Affäre. Auch Marina begeht einen Seitensprung, und so verzweifeln beide daran, dass sie zwar einerseits die perfekte Liebe gefunden zu haben scheinen, und dennoch nicht wissen, wo sie für sich das größere Glück finden können und somit schließlich ihre Ehe zum Scheitern bringen.

Pastor Quintana weiß zwar, dass er in Gott die unendliche Liebe findet, doch es fällt ihm schwer, sie im alltäglichen Leben zu spüren. Er zitiert aus dem Epheserbrief: „Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie auch Christus die Gemeinde geliebt hat und hat sich selbst für sie dahingegeben, um sie zu heiligen.“ Die Liebe Gottes steckt in jedem Mann und in jeder Frau. Doch da er selbst keine Frau hat, dürstet ihn erst recht nach der göttlichen Liebe: „Du bist überall anwesend. Und doch kann ich dich nicht sehen. Du bist in mir. Um mich. Doch mein Herz ist kalt. Hart.“ Es ist erstaunlicherweise eine Nebenfigur, ein Fensterputzer in der Gemeinde Quintanas, der die weisesten Worte des Films von sich gibt, als er dem Priester sagt: Gottes Geist ist wie das Licht der Sonne: Man muss es nur auffangen. Von diesem Licht, das Geist und Liebe ist, spürt man jedenfalls in keinem anderen Hollywood-Film so viel wie in „To the Wonder“. (pro)

To the Wonder, 112 Minuten
Regie: Terrence Malick. Mit Ben Affleck, Olga Kurylenko, Rachel McAdams, Javier Bardem.
Deutschland-Start: 30. Mai 2013,
FSK 0
http://www.magpictures.com/tothewonder/
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