Gottes-Gehorsam für alle Sinne

Das Jüdische Museum Berlin behandelt in einer Sonderausstellung die biblische Erzählung vom Gottesbefehl an Abraham, seinen eignen Sohn zu opfern. Eine Multimedia-Künstlerin und ein Filmemacher haben mit „Gehorsam“ ein Erlebnis für alle Sinne geschaffen.
Von PRO
Dieses schwarze Schaf mit goldenen Hörnern ist in einem Clip in „Gehorsam“ zu sehen. Künstler Damien Hirsts Werk, ein in Flüssigkeit konserviertes Schaf mit den goldenen Hörner, ist auch im Jüdischen Museum ausgestellt
Die Streicher spielen eine traurige Melodie, fast meditativ ertönt ein rhythmisches Klopfen auf Klanghölzer. Dunkel gehalten sind die Räume auf der zweiten Etage des Jüdischen Museums in Berlin. Die Wände eines weiteren Zimmers scheinen blutverschmiert, vor der roten Wandbemalung hängen weiße Schafe aus Pappmaché, Dolche, Messer, Schwerter, alles Instrumente für eine Opferung, kleiden eine weitere Wand – bedrohlich und verstörend. Das Jüdische Museum Berlin zeigt ab Freitag und bis zum 13. September die Sonderausstellung „Gehorsam. Eine Installation in 15 Räumen“, die die biblische Erzählung vom Gottesbefehl an Abraham, den eigenen Sohn zu opfern, aufgreift. Der Sohn wurde am Ende nicht getötet, stattdessen ein Opferlamm. Mit dieser Episode gehen die drei monotheistischen Religionen unterschiedlich um. Das greifen die Multimedia-Künstlerin Saskia Boddeke und der Filmemacher Peter Greenaway in ihrer Ausstellung beeindruckend auf. Bei den Themen Gehorsam und Opferung schlagen sie eine Brücke in die Gegenwart.

„Ich bin Isaak. Ich bin Ismael“

Der erste Raum der Ausstellung zeigt die Multiscreen-Installation „I am Isaac“. Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die sich als Isaak beziehungsweise als dessen unrechtmäßiger Bruder Ismael bekennen. Dies stehe als Symbol für die heutige Jugend, die beschützt werden müsse, erklären die Veranstalter. Die heutige Welt sei geprägt von Flüchtlingskatastrophen und Gewalt. „Der Großteil der Kinder ist nicht sicher“, sagte Boddeke. Dieses Statement kommt besonders in dem blutverschmierten Raum der Opferung zum Tragen. Von drei großen Videoleinwänden schauen Kinder herab, die Flüchtlinge oder Terroropfer sind, und klagen die Welt an. Etwa fragt die Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai, warum „starke Regierungen so mächtig darin sind, Krieg zu schaffen, aber so schwach, den Frieden zu bringen“. Die Amsterdamer Künstler bezeichnen sich selbst als nicht religiös, sind aber am Thema interessiert. In der Ausstellung dekonstruieren sie die biblische Geschichte und richten den Fokus auf einzelne ihrer Elemente. Sie greifen auf Legenden und Rituale in Judentum, Christentum und Islam zurück.

Der Raum des Engels und der Raum des Teufels

In den Räumen laufen eigens produzierte Filme in 24 Sequenzen, die sich durch die ganze Ausstellung ziehen. Dazu zählt eine Serie von Vater und Sohn auf dem Weg, Langzeitaufnahmen der möglichen Tatorte biblischen Geschehens oder die Opfererzählung selbst. Die israelische Gruppe Club Guy & Roni tanzt diese Szenen im Video. Der italienische Musikers Luca d’Alberto komponierte für die Installationen einen Soundtrack. Eine Textspur aus Kalligrafien führt zudem durch die Ausstellung, die Greenaway aus jüdischen und islamischen Legenden zusammengestellt hat. Der „Golden Room“ rückt die religiöse Erzählung an sich in den Fokus und präsentiert eine hebräische und eine lateinische Bibel, einen Koran und andere kostbare Manuskripte. Es folgt ein gleißend weißer, anmutiger Raum mit dem Namen „Gott und der Engel“. Mit ausgezogenen Schuhen wandelt der Besucher durch das mit Schwanenfedern verkleidete Zimmer, auf dem Boden liegt weicher Teppich. Als krasses Kontrastprogramm kommt er anschließend in den Teufelsraum, komplett schwarz bis auf eine dünne rote Lichterkette am Boden. Auf der Erde liegen Kieselsteine, durch die es schwerfällt, zu laufen. Bis heute wird der Teufel in der islamischen Hadsch rituell gesteinigt. Auf der Leinwand im Museum spricht der Satan im Monolog über die Anstiftung Abrahams zum Ungehorsam.

„Erst fühlen, dann nachdenken“

Im mit Schafswolle ausgelegte Raum „Agnus Dei“ soll an Jesus Christus erinnert werden. Hier kriecht dem Besucher der Schafsgeruch in die Nase, Jesu Rolle als Opferlamm soll gedacht werden. Boddeke fasst zusammen: „Alle Sinne werden berührt.“ Die Programmdirektorin des Jüdischen Museums Berlin, Cilly Kugelmann, sagte am Donnerstag, Deutsche neigten dazu, alles mit dem Intellekt erfassen zu wollen. Die Ausstellung sei anders: „Man soll erst fühlen und dann nachdenken.“ Für das Künstlerpaar Boddeke und Greenaway ist dies das dritte gemeinsame Projekt in Deutschland. Beide sind weiterhin auch allein tätig, Boddeke mit Performances und Multimedia-Shows, Peter Greenaway seit den 1980er Jahren mit Filmen, zuletzt im Wettbewerb der Berlinale 2015. (pro)
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