„Gott regiert Amerika“: Einblicke in die amerikanische Frömmigkeit

Es stimmt schon: Wer Amerika verstehen will, der muss einen genauen Blick auf die enge Verbindung von Religion und Politik werfen, die das Land jenseits des Atlantiks prägt. Auch der aktuelle Präsidentschaftswahlkampf hat gezeigt: Keiner der beiden Kandidaten kommt ohne ein wie auch immer geartetes Bekenntnis zu Gott ins Weiße Haus – noch nicht einmal in die Nähe der Türschwelle.
Von PRO

Es waren insbesondere die evangelikalen Christen, die bei den Präsidentschaftswahlen 2000 und 2004 den Republikaner George W. Bush mit ihren Stimmen in das höchste politische Amt der USA gewählt beziehungsweise ihn darin bestätigt haben. Angetan von Bushs deutlichem Bekenntnis zum christlichen Glauben hat ihn die Mehrheit der Christen gewählt. Er konnte sich vieler der rund 30 Millionen Wählerstimmen der konservativen Christen sicher sein – gehört Bush doch nach eigenem Bekunden ebenfalls zu den Evangelikalen. Ausführlich berichtete er von seiner Bekehrung zum Glauben, die durch den langjährigen Vertrauten der Familie Bush, den weltbekannten Evangelisten Billy Graham, angestoßen wurde. Es war im Jahr 1985, als Graham an einem Wochenende erneut Gast auf dem Landsitz der Familie Bush im US-Bundesstaat Maine war. Bush junior stellte dem Evangelisten viele Fragen zum Glauben, beide unterhielten sich ausgiebig. „Als Ergebnis unserer Gespräche und seiner Inspiration sah ich in mein Herz und verschrieb mein Leben Jesus Christus“, berichtet Bush später. „An jenem Wochenende pflanzte Pastor Billy Graham ein Senfkorn in meine Seele.“

Dieses Bekenntnis brachte ihm eine Menge Sympathien entgegen, nicht nur von Christen. Den Amerikanern ist es traditionell lieber, wenn sich ihre politischen Repräsentanten – zumal ihr Präsident – einem Höheren verantwortlich fühlen, im Idealfall Gott. Der frühere „Time“-Magazine-Korrespondent und US-Autor David Aikman hat Bushs Glaubensgeschichte in einem Buch eindrücklich nachgezeichnet: „A Man of Faith“ („Ein Mann des Glaubens“), so der vielsagende Titel.

Demokraten haben dazugelernt

Die Demokraten haben aus Bushs Wahlsiegen gelernt – und besinnen sich seitdem auf die Tatsache, dass auch Christen wählen. Barack Obama machte schon früh in aller Öffentlichkeit deutlich, dass er ein regelmäßiger Kirchgänger und Christ ist. „Religion ist ein Bollwerk, ein Fundament, wenn andere Dinge nicht in die richtige Richtung gehen. Das trifft auch für mein eigenes Leben zu, in Drangsal und Versuchung. Ich bin ein frommer Christ.“ Auch Obama weiß: Ohne das Bekenntnis zum Glauben kommt kein Präsidentschaftskandidat ins Weiße Haus. Wie auch immer die detaillierten Schlussfolgerungen für die praktische Politik aussehen mögen, das „Fundament“ – wie Obama selbst sagt – muss stimmen.

„Gott regiert Amerika – Religion und Politik in den USA“ lautet der Titel eines Buches, das der Journalist Matthias Rüb jetzt vorgelegt hat. Seit 2003 ist er Korrespondent der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ in den USA und ein Kenner nicht nur von dessen facettenreicher „Glaubenszene“. In zahlreichen Reportagen beschreibt Rüb das religiöse Leben und die zum Teil schillernden Glaubensgestalten in den USA.

Billy Graham, Vertrauter der Präsidenten

Das Eröffnungskapitel des Buches befasst sich ausgiebig mit dem Leben und der Wirkung des einflussreichsten und prägendsten Christen der USA, mit Billy Graham. Sachlich und detailliert schildert Rüb den Glauben des 1918 geborenen, weltbekannten Evangelisten und dessen Beziehungen zu einer Vielzahl von Präsidenten, mit denen Graham vor wichtigen Entscheidungen betete. Auch die Beziehung Grahams zur Familie Bush wird nachgezeichnet, selbstverständlich auch dessen prägender Einfluss auf George W. Bush.

Schillernde Christen

Doch neben Billy Graham gibt es in den USA eine Vielzahl weiterer Pastoren und Fernsehprediger, die ihren Einfluss geltend machen. Auch ihnen widmet sich Matthias Rüb in lesenswerten Reportagen. Wobei in Rübs Detailaufnahmen die wenigsten dieser US-bekannten Christen in gutem Licht erscheinen, was schlicht sachliche Gründe hat. Zumindest erscheinen sie nicht in einem solch guten Licht, in das sie sich selbst in ihren Shows, Fernsehprogrammen und Radiosendungen gerne stellen.

Das trifft etwa auf das schillernde Ehepaar Paul und Jan Crouch zu. Beide gehören der Pfingstbewegung an, gründeten 1973 ihr christliches Fernsehimperium und erwirtschaften einen Jahresumsatz von fast 190 Millionen Dollar. Unermüdlich verkünden die beiden in ihren Talkshows, dass alleine das Geld, das die Zuschauer ihrem Sender zukommen lassen, den Weg zu Gott ebne. Wer ihr Imperium, das „Trinity Broadcasting Network“ (TBN) unterstütze, werde von Krankheiten geheilt und im Leben gesegnet. Durch derlei Botschaften residieren die Crouches in einer Zentrale, deren Eingangshalle mit weißem Marmor ausgelegt ist und in dem die Wasserhähne aus Gold sind „oder jedenfalls goldfarben“, wie Rüb schildert. Das Paar ist mit ihrer Verkündigung eines geschönten Wohlstandsevangeliums bei weitem nicht alleine, Joyce Meyer und andere gesellen sich dazu.

Doch der Reportagenband wirft eben nicht nur einen kritischen Blick auf die schillernden Personen der amerikanischen Christenheit, sondern zeigt vielmehr die Hintergründe der engen Verbindung zwischen Religion und Politik in den USA auf – die tief in der amerikanischen Seele ihre Wurzeln haben.

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