Auf welchen Gott hatte sich die CDU-Politikerin Aygül Özkan eigentlich berufen? Diese Frage suchte die am Dienstag gewählte erste muslimische Landesministerin sogleich nach ihrer Vereidigung zu klären. In einer persönlichen Erklärung hatte sie erläutert, dass sie sich als gläubige Muslimin "ausdrücklich auf den einen und einzigen Gott" berufe, der dem Judentum, dem Christentum und dem Islam gemeinsam sei. Özkan erklärte, die CDU sei ihre politische Heimat, deren Werten sie sich verpflichtet fühle. Die gebürtige Hamburgerin ist die Tochter türkischer Eltern.
Deutlicher Unterschied zwischen unserem Gott und Allah"
Nachdem Özkan in den Tagen vor ihrer Wahl und Vereidigung durch ein offenbar unbedachtes Interview mit dem Münchener Magazin "Focus" bereits eine Debatte über ihre Aussage entbrannt war, in öffentlichen Schulen sollte kein Kreuz hängen, diskutieren jetzt Kirchenvertreter über die Eidesformel. Insbesondere geht es natürlich um die Frage, an welchen Gott die Muslimin bei dem Satz "So wahr mir Gott helfe" denke – und ob der Gott der Christen auch der Gott der Muslime sei.
Gegenüber der "Bild"-Zeitung äußerte sich der Sprecher der Hannoverschen Landeskirche, Johannes Neukirch, skeptisch, mehr noch mit Unverständnis darüber, dass sich Aygül Özkan als erste muslimische Ministerin Deutschlands bei ihrem Amtseid auf Gott bezogen hat. "Wir Christen sehen schon einen deutlichen Unterschied zwischen unserem Gott und Allah", sagte Neukirch. Und der Sprecher des katholischen Bistums Essen, Ulrich Lota, kritisierte ebenfalls in der "Bild": "Theologisch sind der Gott der Christen und der Gott des Islam nicht gleichzusetzen."
EKD-Kirchenamtspräsident Barth: "Gemeinsame Überzeugungen und Schnittmengen"
Der Präsident des EKD-Kirchenamtes, Hermann Barth, sieht das hingegen anders. Gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd) begrüßte er den religiös gefassten Amtseid der Muslimin. "Die Situation in unserer religiös pluralen Gesellschaft ist darauf angewiesen, dass wir bei allen Differenzen zwischen Christen und Muslimen gemeinsame Überzeugungen und Schnittmengen haben", sagte Barth am Mittwoch in Hannover dem epd. Er forderte zudem dazu auf, Özkan "pfleglich" zu behandeln.
Gleichzeitig betonte Barth jedoch die "erheblichen Unterschiede" zwischen Christen und Muslimen etwa beim Gottesbild und im Verständnis von Jesus Christus. Doch der Bezug auf Gott in der Eidesformel wie auch in der Präambel des Grundgesetzes sei nicht exklusiv an das christliche Gottesverständnis gebunden. Die Ministerin habe damit zum Ausdruck gebracht, "dass sie ihre Verantwortung in einem Horizont sieht, der über wechselnde und partikulare menschliche Interessen hinaus geht".
Arend de Vries: Problematische Gleichsetzung
Auch der Geistliche Vizepräsident des hannoverschen Landeskirchenamtes, Arend de Vries, sagte, die muslimische Ministerin habe sich bei ihrem Amtseid selbstverständlich auf Gott berufen dürfen, so der epd. Sie habe sich damit als Muslimin zu ihrem Glauben bekannt, was von der evangelischen Kirche natürlich respektiert werde.
Für problematisch halte er aber ihre Gleichsetzung, wenn sie von einem Gott von Christen, Juden und Muslime spreche. "Christinnen und Christen können von Gott nur reden, indem sie Jesus Christus in den Mittelpunkt stellen. In ihm hat Gott sich den Menschen gezeigt", sagte de Vries. Darin liege eine grundsätzliche Unterscheidung zwischen Christentum und Islam, so der EKD-Vertreter gegenüber dem epd.
Türkische Medien kritisch
Unterdessen ist die Debatte über Aygül Özkan längst auch in dem Heimatland ihrer Eltern, der Türkei, angekommen. Wie die Tageszeitung "Die Welt" berichtet, kritisieren türkische Kommentatoren den Umgang der CDU mit ihrer neuen Ministerin scharf. Von "Doppelmoral" und "religiöser Diskriminierung" sei die Rede. Özkan habe in kürzester Zeit erfahren müssen, dass sie als erste muslimische Ministerin in Deutschland nur Probleme bekommen werde, kommentierte die Zeitung "Taraf". Die Zeitung "Yeni Safak" überschrieb einen Kommentar mit: "Westliche Werte: Doppelmoral und religiöse Diskriminierung". "Erst die Entschuldigung, dann der Amtssessel", titelte die Zeitung "Milliyet".