„Gott braucht nicht nur fromme Leute“

Der Amerikaner Tony Kriz lebte nach der Universität mehrere Jahre als „Berufschrist“ im Missionseinsatz in Osteuropa. Als er mit dem Glauben nichts mehr anfangen kann, bringen ihn Menschen wieder dazu, die er vorher für seine Feinde gehalten hatte. Seine Erlebnisse erzählt er im Buch „Die Weisheit des Barkeepers“. Eine Rezension von Jonathan Steinert
Von PRO

Die Welt bestand für Kriz aus zwei Sorten von Menschen: den geistlich „Reichen“, das waren die Christen, und den „Habenichtsen“, allen anderen. So hatte er es in seiner Gemeinde gelernt. Er gehörte zur ersten der beiden Gruppen, war Teil von „Gottes Team“. Nachdem er sein Rhetorik-Studium an der Oregon State University abgeschlossen hatte, trieb ihn sein religiöser Eifer und Idealismus ins Ausland – er wollte die Welt verändern. Bei einer christlichen Hilfsorganisation fragte er an: „Wo ist die Not im Augenblick am größten?“ Kriz verstand sich als Söldner Gottes. Mit 21 Jahren ging er als Missionar mit einer Hilfsorganisation nach Albanien und später nach Jugoslawien, gerade als sich diese Länder nach dem Sturz des kommunistischen Regimes nach außen öffneten.

In seinem Buch „Die Weisheit des Barkeepers“ beschreibt Kriz, wie er durch die Begegnungen und Freundschaften, die er in Albanien mit Menschen hatte, seinen engen Schwarz-Weiß-Blick auf die Welt erkannte und mehr und mehr hinterfragte. Als ein muslimischer Freund von ihm Christ wurde, sah Kriz darin einen Sieg seines geistlichen Teams, eine christliche Eroberung. „Wir hatten unserer Liste einen Namen hinzugefügt und einen von ihrer gelöscht.“ Der Glaube, dass sein Team besser als das andere war, habe ihn blind dafür gemacht, was es seinen Freund kostete, dem Islam den Rücken zu kehren.

Fahrt am Abgrund

Ausgerechnet zwei muslimische Lehrer korrigierten seine Auffassung von Mission. Sie predigten auf dem Uni-Campus in Tirana über den Islam. Kriz wollte dagegen etwas tun und sie zur Rede stellen, so wie David gegen Goliath antrat. Doch es kam nicht zu der Schlacht, die er erwartet hatte. „Gott braucht Sie nicht, um seine Pläne Wirklichkeit werden zu lassen“, sagten die muslimischen Geistlichen dem christlichen Missionar und segneten ihn für seine Aufgaben. „Er hat es nicht nötig, dass Sie für ihn kämpfen. Er lädt sie ein, dabeizusitzen und mit anzusehen, wie er Wunder tut.“ Kriz resümiert nach dem Gespräch: „Sie hatten mich daran erinnert, dass Gott in unserer Welt wirkt und welcher Platz mir dabei zukam.“ Er wünschte sich, er würde seinen Gott so gut kennen wie die Muslime ihren.

Der heute 41-jährige Kriz vergleicht seinen Glauben damals mit einer Fahrt bei vollem Tempo über eine unbefestigte Straße am Abgrund. Er sei besessen gewesen von dem Gedanken, die Welt zu verändern und Spuren zu hinterlassen. Aber: „Meine Seele kam von der Straße ab und ich starb.“ Er konnte nach mehreren Jahren in Osteuropa nichts mehr mit dem Glauben anfangen. Die Hilfsorganisation holte ihn zurück in die USA. Dort sollte er Theologie studieren, um sich im Glauben wieder zu orientieren. Doch nicht das Studium half ihm, wieder zurückzufinden. Er brauchte die Freiheit, Fragen zu stellen, Zweifel zu haben und ehrliche Gespräche zu führen. Die fand er in einem Lokal, in dem er regelmäßig seine Seminaraufgaben machte. Gespräche mit Menschen, die nicht alle Christen waren, ihn aber mit ihrer Lebensweisheit weiterhalfen und ermutigten, den Glauben nicht aufzugeben.

Überraschend anders

„Scheitern ist von entscheidender Bedeutung, wenn aus dir eine Persönlichkeit werden soll“, sagte Kriz eine Mentorin. Sein ganzes Buch erzählt vom Scheitern an eigenen Maßstäben und Glaubensüberzeugungen, von Vorurteilen, Fehlern und Enttäuschungen. Und es erzählt von Menschen, die Kriz hinterfragen und von denen er lernt, was Leben und Glauben bedeutet.

Die Fakten über die einzelnen Stationen seines Lebens sind in Kriz‘ Buch zum Teil etwas undeutlich. Manchmal bleibt die Frage offen, was genau er eigentlich macht, wenn er sich nicht gerade mit anderen Leuten trifft. Es befremdet mitunter, dass Kriz anscheinend mit fast jedem sehr schnell Freundschaft schließen und über tiefe geistliche Themen sprechen kann. Aber genau diese Begegnungen und Gespräche sind faszinierend und machen das Buch aus. Sie haben seinen Blick auf die Welt, das Leben und den Glauben geweitet und tun das ebenso für den Leser. Auch gestandene Christen werden hier manche Aha-Erlebnisse über eigene Vorurteile, eng gesteckte Horizontlinien und unhinterfragte Glaubenssätze bekommen.

Kriz kritisiert indirekt die Vorstellung, Christen seien die besseren Menschen auf dieser Welt und sollten sich von Anders- oder Nichtgläubigen möglichst fernhalten, es sei denn, um sie zu bekehren. Außerdem wird deutlich, dass Glaube und Mission keine frommen Leistungen sind. „Damals glaubte ich, dass es zwei Teams auf der Welt gäbe. Das musste ich glauben, weil ich ein Star in Gottes Team sein wollte. An diese Welt glaube ich nicht mehr“, resümiert der Autor. Er lernte, dass Gott ganz unterschiedliche und kreative Wege hat, zu Menschen zu reden. Das Überraschende für Kriz wie sicherlich auch für die Leser ist, dass Gott gerade durch die Menschen spricht, die ganz anders sind und denken als man selbst. (pro)

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