„Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.“ So steht es im „Vater unser“, dem Gebet, das Jesus Christus seine Jünger lehrte, und das Christen bis heute weltweit beten. Was das praktisch bedeutet, haben die Angehörigen der Opfer eines Massakers in den USA demonstriert. Ein Kommentar von Norbert Schäfer
Charleston trauert um die Opfer – wie auch der Rest der USA
Neun Menschen sind am Mittwoch der vergangenen Woche bei einer offenbar rassistisch motivierten Schießerei in einer amerikanischen Methodisten-Kirche in Charleston im Bundesstaat South Carolina ums Leben gekommen. Sie wurden ermordet. Angehörige haben dem 21-jährigen mutmaßlichen Attentäter Dylann Roof öffentlich vergeben. Roof, eine Weißer, muss sich nach seiner Festnahme wegen neunfachen Mordes sowie wegen Waffenbesitzes zur Durchführung eines Verbrechens verantworten. Dem mutmaßlichen Täter droht die Todesstrafe. Zu einem Anhörungstermin vor Gericht am Freitag waren mehrere Hinterbliebene der afroamerikanischen Opfer gekommen. Darunter auch Anthony Thompson, der Ehemann von Myra Thompson, die bei dem Amoklauf tödlich getroffen wurde. Zu Roof sagte er: „Ich vergebe dir, meine Familie vergibt dir. Wir möchten dir die Möglichkeit geben, zu bereuen, zu beichten. Gib dein Leben demjenigen, der der Wichtigste ist – Jesus Christus –, damit er dein Leben verändern kann.“
Man möge sich das vorstellen! Anthony Thompson ist offenbar aufgrund seines christlichen Glaubens in der Lage, dem Mörder seiner Frau in einer gefühlsmäßigen Gemengelage zwischen Ohnmacht, Trauer, Wut und Verzweiflung zu vergeben und ihn zu einem Leben nach dem Vorbild und dem Willen von Jesus Christus zu ermutigen. Auch andere Angehörige hatten die Kraft, dem Mörder ihrer Lieben aufgrund ihrer christlichen Glaubensüberzeugung zu vergeben. Das nötigte auch US-Präsident Barack Obama Respekt ab. Der Präsident zeigte sich berührt von der Vergebungsbereitschaft der Angehörigen und bezeichnete es als einen „Ausdruck des Glaubens, der unvorstellbar ist“ und der die Güte des amerikanischen Volkes widerspiegele.
Glaubenshaltung verdient Nachahmung und Anerkennung
In seinem „Kleinen Katechismus“ ging Martin Luther 1529 der Frage nach, was es bedeutet, wenn Christen in der fünften Bitte des „Vater unser“ um die Vergebung von Schuld bitten. Luther erklärt: „Wir bitten in diesem Gebet, dass der Vater im Himmel nicht ansehen wolle unsere Sünden und um ihretwillen solche Bitten nicht versagen, denn wir sind dessen nicht wert, was wir bitten, haben‘s auch nicht verdient; sondern er wolle es uns alles aus Gnaden geben, obwohl wir täglich viel sündigen und nichts als Strafe verdienen. So wollen wir wiederum auch herzlich vergeben und gerne wohltun denen, die sich an uns versündigen.“
Man kann es sich so vorstellen: Gemäß ihres Glaubens wissend, dass sie selbst auf die Gnade und Liebe ihres Schöpfers zurückgeworfen und angewiesen sind, ebenso wie der Rassist Dylann Roof, konnten die Angehörigen des Massakers von Charleston dem Mörder ihrer Lieben vergeben. Diese Geistes- und Glaubenshaltung hat Mustergültigkeit für Christen und verdient Nachahmung, aber auch Anerkennung. Das Neue Testament lehrt das „Hohelied der Vergebung“. Der Apostel Stephanus beispielsweise betet mit dem letzten Atem für die Menschen, die ihn gesteinigt haben und vergibt ihnen. (Apg. 7, 60)
Die Vergebung durch die Angehörigen wird Roof dennoch nicht von der Verantwortung seiner mörderischen Tat entbinden. In einem Gerichtsverfahren müssen nun die Geschworenen darüber befinden, ob Roof nach den Gesetzen der Vereinigten Staaten schuldig ist oder nicht und welche Strafe er dafür auferlegt bekommt. Dabei spielt keine Rolle, ob die Geschworenen dem Angeklagten, möglicherweise aus christlichen Motiven vergeben, oder nicht. Das Gericht hat im Sinne der Justiz nach der Schwere des Vergehens den Täter mit einer Strafe zu belegen. Der 21-Jährige muss mit der Höchststrafe, dem Todesurteil, rechnen. Von staatlicher Seite wird Roof wenig Hoffnung auf Gnade erwarten können. Die Gouverneurin von South Carolina, die Republikanerin Nikki Haley, hat sich bereits dafür ausgesprochen, den Täter mit dem Tode zu bestrafen. In ähnlicher Weise hat sich auch der Bürgermeister von Charleston, Joseph Riley, geäußert. (pro)
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