Glitzerstaub hinter verschlossenen Türen

Einen "Blick hinter die Kulissen" haben zwei ehemalige Teilnehmer von Casting-Fernsehshows für ihr neues Buch versprochen. Noch dazu einen Blick, "der sicher nicht jedem gefallen wird". Markus Grimm ("Popstars") und Martin Kesici ("Star Search") haben ganze 428 Seiten mit Plaudereien aus ihrem Leben gefüllt und sie "Sex, Drugs & Casting-Shows" genannt. Wer es schafft, sich durch das Werk zu arbeiten, darf sich voyeuristisch nennen oder Extrem-Fan von Casting-Shows.
Von PRO

Schreiben da zwei gescheiterte "Stars", denen zu viel versprochen wurde, und die nun frustriert mit einer Glitzerwelt abrechnen, der sie für einige Wochen angehören durften? Eine Art Therapie, um sich und der Welt zu zeigen, dass man mit dem Zirkus um knallharte Juroren und falsche Hoffnungen abgeschlossen hat? Oder treten da zwei Verlierer nach, die leider nicht das geschafft haben, was sie angestrebt hatten? Am wahrscheinlichsten ist wohl, dass Kesici und Grimm noch das letzte Geld aus einer Prominenz quetschen wollen, die nie wirklich eine war.

Dass er zusammen mit Grimm das Buch schreibe, diene nicht dazu, dadurch Geld zu verdienen, klärt Martin Kesici gleich zu Beginn auf. Im nächsten Satz schiebt er jedoch nach: "Allerdings wäre es gelogen, wenn ich behaupten würde, nicht zu wissen, was ich mit diesem Geld anfangen würde."

Grimm gibt im Geleitwort zwischen den Zeilen zu, dass es ihm hauptsächlich ums Geld ging, als er sich bei "Popstars" bewarb, und auch Kesici spricht in seiner 17,90 Euro teuren Abrechnung viel vom Geld.

Die Wahrheit ist traurig

Es gehe bei der Casting-Welt nur um "Geld, Sex und um Macht", stellen sie im Nachhinein fest. Und von diesen Insider-Geschichten geben sie in Ihrem Buch, das im Riva Verlag erschienen ist, einige zum Besten.  Kesici, ein Deutsch-Türke, und Grimm, bekennender Schwuler, versprechen laut Untertitel "Die Wahrheit über DSDS, Popstars & Co". Das mit dem Star werden hat ja nicht so geklappt, nun kann ein Buch den allerletzten Nutzen aus ein paar Wochen Bekanntheit saugen.

Zunächst findet ein allgemeines und ausführliches Lästern über alle andere Casting-Show-Teilnehmer statt. Grimm bezeichnet "alle anderen, die versucht haben, so ein Buch zu schreiben", als "Blassbacken", die eh keine Ahnung von Casting-Shows haben. Alle Kandidaten, die Grimm und Kesici für ihr Buchprojekt angefragt hatten, aber ablehnten, seien Angsthasen. Daniel Küblböck sei lächerlich, und sie selbst ernstzunehmende Musiker, die schon seit Jahren Musik machten. Viele ehemalige "Stars" hätten nach ihrem kurzen Aufflackern "mit physischen und psychischen Folgen" zu kämpfen, wissen sie zu berichten. "Viele versuchen verzweifelt, an das anzuknüpfen, was da mal kurz begonnen hatte, und scheitern dabei kläglich."

Ansonsten gilt für die beiden Jung-Autoren das Schema: damals war ich jung, und ich brauchte das Geld; damals ließ ich mich blenden, heute bin ich reifer und habe den ganzen Medien-Zirkus durchschaut. Aber was wäre wohl gewesen, wenn es mit dem Star-Werden geklappt hätte, vielleicht wären die beiden den Fernsehmachern auf ewig dankbar.

Zwischen Ruhm und Zukunftsangst

Sprachlich siedelt sich das Buch zwischen Pausenhofgesprächen und den abendlichen Casting-Urteilen eines Dieter Bohlen an. Die beiden Rocker haben wohl kaum selbst am Schreibcomputer gesessen, die sich abwechselnden kurzen Statements von Grimm und Kesici klingen eher nach längeren Interview-Sitzungen mit einem Ghostwriter.

Wer sich durch Erinnerungen an die Jugend, die erste Gitarre, die ersten CD’s, den C64 und Theater-Aufführungen in der Schule  gearbeitet hat, den erwarten Offenbarungen aus einem Leben, das so gerne aus Sex, Drugs ’n Rock’n Roll bestehen würde. Es herrscht der Grundton zweier frustrierter Rocker, die von einem kurzen aber intensiven Fernsehzauber eingenommen wurden und nun desillusioniert auf einen Scherbenhaufen zerstörter Hoffnungen blicken. Beide können mit Durchhalteparolen aufwarten: "Für tot erklären lasse ich mich noch lange nicht. Ich bin ein Stehaufmännchen", ist sich Grimm sicher. Kesici plagen regelmäßig Zukunftsängste ("Ich war knapp 30 Jahre alt, Kohle hatte ich keine, Arbeit hatte ich keine (…) Dann wieder dieser Gedanke: ‚Mein Gott, Martin, du wirst 30, hast 4.000 Euro Miese auf dem Konto. Job findest du auch keinen‘.")

Grimm und Kesici ziehen über das Niveau der Casting-Shows her, aus deren Dunstkreis sie sich nun befreit zu haben glauben. Doch ihr Buch ist im Grunde eine weitere Runde mit dem Karussell der Medien-Eitelkeit, der Sehnsucht nach Ruhm und finanzieller Unbesorgtheit. Anstatt geläutert wirklich mit der Glitzer-Medienwelt zu brechen,  von der sie sich doch eigentlich so angewidert abwenden wollen, hoffen sie, durch schlüpfrige Geschichten aus Hotelzimmern und Nachtbars doch noch ein wenig Glitzerstaub erhaschen zu können. Statt ein "Blick hinter die Kulissen" ist es vor allem ein Blick hinter die Stirn eines normalen Casting-Show-Bewerbers: viel Eitelkeit, Alkohol und Sehnsüchte. (PRO)

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