Gewaltbereitschaft – eine Frage der Religion

Christliche Religiosität senkt die Gewaltbereitschaft bei Jugendlichen, islamische kann sie unter Umständen fördern. Zu diesem Ergebnis kommt eine Erhebung unter Schülern zum Thema "Gewalterfahrungen, Integration, Medienkonsum". 

Von PRO

Über 44.600 Schüler der vierten und neunten Klassen hatten das Bundesministerium des Innern (BMI) und das Kriminologische Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN) deutschlandweit befragt. Die Ergebnisse geben Aufschluss über den Zusammenhang von Religiosität, Integration, Medienverhalten und Gewalttätigkeit von jungen Menschen. "Eine hohe Religiosität kann vor delinquentem Verhalten schützen", lautet ein Ergebnis der Befragung.

Dabei ist es jedoch nicht gleichgültig, welcher Religion die Befragten anhängen. "Eine hohe christliche Religiosität senkt die Gewaltbereitschaft, eine hohe islamische Religiosität erhöht sie indirekt, indem sie Faktoren verstärkt, die die Gewaltbereitschaft fördern", heißt es. Letzteres geschehe etwa durch die Verinnerlichung von Männlichkeitsnormen und den Konsum von Gewaltmedien. Beides spiele für Christen eine wesentlich kleinere Rolle als für Moslems.

Mehr Religion, weniger Ladendiebstahl

14 Prozent der westdeutschen nichtreligiösen Jugendlichen haben in den letzten zwölf Monaten mindestens eine Gewalttat begangen, von den als sehr religiös eingestuften katholischen und evangelischen Jugendlichen waren es nur sieben beziehungsweise sechs Prozent. Von den religiös gebundenen islamischen Jugendlichen gaben acht Prozent an, eine Gewalttat begangen zu haben, bei den sehr religiösen waren es zehn Prozent. Als sehr religiös bezeichneten die Forscher die Befragten dann, wenn sie etwa angaben, täglich zu beten oder ein Gotteshaus zu besuchen. Unabhängig von der Glaubensrichtung gelte: Religiöse Jugendliche greifen seltener zu Alkohol und begehen seltener Ladendiebstähle. Von allen Befragten gehörten rund 82 Prozent christlichen Kirchen an, acht Prozent waren Moslems

Die religiöse Orientierung hat laut Studie zudem Auswirkung auf den Grad der Integration: Bei jungen Migranten sei er umso niedriger, je stärker sie im Islam verankert sind. 44 Prozent der nichtreligiösen Migranten haben deutsche Freunde, aber nur 22 Prozent der sehr religiösen. 49 Prozent der nicht religiös gebundenen islamischen Migranten betrachten sich als Deutsche, im Gegensatz zu 15,5 Prozent der sehr religiösen. Die Forscher zeigen zudem: Integration senkt das Gewaltpotential. Dabei spiele etwa eine positive Prägung durch das Elternhaus und das soziales Umfeld eine Rolle.

Integration beugt Gewalt vor

Elf Prozent der türkischen schwach Integrierten seien Mehrfachtäter von Gewalt. Unter den gut Integrierten seien es 1,5 Prozent. Die Gruppe der türkischen Migranten wies den niedrigsten Integrationgrad auf, nord- und westeuropäische sowie südamerikanische Migranten den höchsten. Die Studie misst Integration daran, wie gut der Befragte die deutsche Sprache spricht, wie viele deutsche Freunde er hat, wie er sich selbst wahrnimmt und ob er einen Schulabschluss anstrebt. Türken fühlten sich neben afrikanischen Jugendlichen am häufigsten von Deutschen diskriminiert.

Nicht nur die Religion steht im Zusammenhang mit Gewalttaten. Die Forscher wollen herausgefunden haben, dass der Konsum von Gewaltmedien das eigene Gewaltverhalten fördert. Bei den Kindern ohne Kontakt zu altersgefährdenden Medien gaben acht Prozent an, in den vergangenen zwölf Monaten gewalttätig gewesen zu sein, bei den Kindern mit Kontakt waren es 22 Prozent. 47 Prozent der Jungen spielen Gewaltspiele, bei den Mädchen sind es drei Prozent. Ein Viertel der befragten Jugendlichen gab an, internetsüchtig zu sein. 15,5 Prozent sagten dasselbe über das Computerspielen und 14 Prozent über den Fernseher.

Sexuelle Belästigung im Internet hatten schon 13 Prozent der Befragten erfahren, 15 Prozent wurden bereits aufgefordert, Nacktbilder zu schicken und knapp ein Viertel gab an, schon einmal über das Handy belästigt worden zu sein. Mädchen berichteten doppelt so häufig von Belästigungen wie Jungen. TV, Computer und Internet dominieren das Freizeitverhalten der Jugendlichen. Das TV nutzen sie durchschnittlich 3,5 Stunden täglich, das Internet 2 Stunden und Computerspiele 1,5 Stunden. Im Vergleich dazu lesen sie nur 30 Minuten am Tag. (pro)

http://kfn.de/versions/kfn/assets/fob109.pdf
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