CVJM-Generalsekretär: Jugendarbeit darf nicht dem Systemerhalt dienen

Der Christliche Verein Junger Menschen (CVJM) wird 175 Jahre alt. Das Schrumpfen der Kirchen stellt auch die größte überkonfessionelle Jugendorganisation in Deutschland vor Herausforderungen.
Von Norbert Schäfer
Mit Generalsekretär Hansjörg Kopp feiern in Deutschland rund 330.000 CVJM-Mitglieder

Der Christliche Verein Junger Menschen (CVJM, engl.: YMCA) feiert in diesem Jahr seinen 175. Geburtstag. Dazu haben CVJM-Ortsvereine in ganz Deutschland Geburtstagsfeiern vor Ort vorbereitet. Der damals 22-jährige Tuchhändler George Williams gründete die überkonfessionelle und internationale Jugendbewegung am 6. Juni 1844 in London. Der YMCA hatte sich zum Ziel gesetzt, aus dem christlichen Glauben heraus jungen Männern, die angezogen von den industriellen und gesellschaftliche Entwicklungen in England in die Städte strömten, eine geistliche Heimat und Halt zu geben.

Schirmherrin der Feierlichkeiten zum 175-jährigen Bestehen des CVJM in Deutschland ist Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD). „Kinder- und Jugendarbeit gibt jungen Menschen Halt und Orientierung. Sie kann Mut machen, Trost und Freude spenden, Wege weisen und Brücken bauen. Das Engagement von Menschen für Menschen macht unsere Gesellschaft stärker“, erklärt die Politikerin laut einer Pressemitteilung des CVJM vom Montag.

Junge Menschen sollen ihre Form von Kirche leben

Der prognostizierte Mitgliederschwund der verfassten Kirchen und die damit einhergehenden finanziellen Einbußen werden nach der Einschätzung von CVJM-Generalsekretär Hansjörg Kopp unmittelbar Auswirkungen auf die nationale, regionale und lokale Arbeit des CVJM haben. „Wir sind enger Partner der Evangelischen Kirchen in Deutschland, verantworten vielerorts die Jugendarbeit in Ortskirchengemeinden oder gestalten sie aktiv mit.“ Dies werde dann angesichts sinkender Einnahmen der Kirchen auch eine Herausforderung für den CVJM. Kopp erkennt jedoch in der Misere auch Potenzial und will helfen, aus der Not eine Tugend zu machen und Jugendliche für den Glauben zu gewinnen, jedoch ohne die Jugendlichen „zu verzwecken“. „Junge Menschen haben das Recht, ihre Form von Kirche und Gemeinde zu erleben. Jugendarbeit darf nicht durch die Absicht geleitet sein, damit ein System langfristig zu erhalten“, sagte der CVJM-Generalsekretär im Gespräch mit pro.

Kopp sieht den Verein in Bezug auf die Globalisierung gut gerüstet. „Den CVJM gibt es in 120 Ländern. Wir sind immer schon global aufgestellt gewesen“, erklärt Kopp im Gespräch mit pro. Auf der Ortsvereins-Ebene erkenne man den internationalen Charakter der CVJM-Arbeit heute an den zahlreichen Austauschprogrammen und Partnerschaften. „Viele Ortsvereine denken international und profitieren davon“, sagt Kopp.

Ziel: Gelingendes Leben mit Jesus Christus

Die neuen Medien will die Organisation in Zukunft noch stärker nutzen für die Jugendarbeit. Aktuell plant man, die Jugendarbeit medial noch kommunikativer zu gestaltet, so Kopp. Dazu würden Materialien für die Jugendarbeit digitalisiert auf einer Online-Plattform bereitgestellt. „Wir wollen das Material so zur Verfügung stellen, wie es die jungen Menschen heute nutzen.“ Darüber hinaus suche der Verein die Kooperation mit Gamern.

Kopp begrüßt das Engagement junger Menschen für die Umwelt, etwa wie bei der „Fridays for future“-Bewegung, und zur Bewahrung der Schöpfung. Beim CVJM gebe es auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene Arbeitsgruppen, die sich mit Themen der Nachhaltigkeit und des Umweltschutzes beschäftigten. „Was Schöpfungsverantwortung und Klimaschutz angeht, hat der CVJM – wie die ganze Gesellschaft – sicher noch Luft nach oben.“ Kopp: „In vielen Dingen prüfen wir unser Verhalten und fragen: Passt das, was wir glauben, mit unserem Leben zusammen?“

Junge Menschen zu befähigen und zu befördern und in ihrer Entwicklung zu stärken, hält Kopp für die größte Errungenschaft in der CVJM-Geschichte. „Gelingendes Leben glückt dann, wenn junge Menschen eine persönliche Beziehung zu Jesus Christus leben. Es braucht beides – sich um die Bedürfnisse junger Menschen zu kümmern und die Liebe Gottes weiterzugeben. Großes Potenzial hat der CVJM, weil er schon immer überkonfessionell organisiert ist. Er dient als Brückenbauer zwischen Denominationen und Konfessionen“, sagt Kopp und weiter: „Eine Herausforderung wird sein, wie dies in Zukunft in einer immer stärker säkularisierten Gesellschaft gelingen kann.“ Auf organisatorischer Ebene sei die Entwicklung von Vereinen und dem Vereinswesen eine spannende Frage – und damit verbunden die Finanzen und Strukturen des CVJM.

Zur Geschichte des CVJM

Die konfessionsübergreifende Idee fand nach der Gründung 1844 von London ausgehend schnell Nachahmer. Innerhalb eines Jahres wurden in Englands weitere CVJM gegründet. Auch in den Ländern des Kontinents wurden christlich gesinnte junge Männer aktiv, unter ihnen Jean-Henri Dunant, der spätere Gründer des Roten Kreuzes. Als Generalsekretär des CVJM in Genf lud er 1855 zu einer ersten Weltkonferenz nach Paris ein, um den CVJM-Weltbund zu gründen. Die Teilnehmer verabschiedeten die „Pariser Basis“, die bis heute Grundlage der weltweiten CVJM-Arbeit ist:

„Die Christlichen Vereine Junger Menschen haben den Zweck, solche jungen Menschen miteinander zu verbinden, welche Jesus Christus nach der Heiligen Schrift als ihren Gott und Heiland anerkennen, in ihrem Glauben und Leben seine Jünger sein und gemeinsam danach trachten wollen, das Reich ihres Meisters unter jungen Menschen auszubreiten.“ (Auszug aus der Pariser Basis)

Zwischen 1810 und 1870 entstanden in Deutschland an vielen Orten sogenannte „Jünglingsvereine“, die in den pietistischen Gemeinschaften zuhause waren. 1882 fand die erste nationale Konferenz dieser Jünglingsbündnisse und der CVJM-Vereine statt. Während der Nazi-Zeit durfte außer der Hitlerjugend keine freie Verbandsjugendarbeit mehr betrieben werden. Alle christliche Jugendarbeit wurde unter das Dach der Kirchen eingegliedert, auch der CVJM. Nach dem Zweiten Weltkrieg gingen die meisten CVJM-Bünde in Deutschland wieder in ihre Selbständigkeit.

Heute ist der CVJM weltweit die größte überkonfessionelle christliche Jugendorganisation. Der CVJM-Gesamtverband in Deutschland e. V. (kurz: CVJM Deutschland) hat etwa 330.000 Mitglieder, rund 60.000 engagieren sich nach eigenen Angaben in der Kinder- und Jugendarbeit. Mit Programmen, Aktionen und Freizeiten für junge Menschen erreicht der CVJM jährlich ein Millionenpublikum. Schwerpunkt ist die Jugendarbeit in den 2.200 örtlichen Vereinen, Jugendwerken und Jugenddörfern. „Der CVJM steht für die Leidenschaft, jungen Menschen jeden Tag aufs Neue Gottes Liebe zu zeigen“, sagt Generalsekretär Kopp. „Auch in Zukunft wird der CVJM Räume schaffen, in denen junge Menschen Anerkennung erfahren, ihre Potenziale entfalten, Verantwortung übernehmen und von Gottes Liebe erfahren können.“ Ehrenamtlicher Vorsitzender des CVJM Deutschland ist Präses Karl-Heinz Stengel.

Von: Norbert Schäfer

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