Offener Streit über Menschenrechte

In Scharm El-Scheich haben sich die EU-Mitgliedstaaten und der Arabischen Liga auf einen Ausbau der Zusammenarbeit verständigt. Beim Thema der Menschenrechte gehen die Meinungen auseinander.
Von Norbert Schäfer
Die Liga der Arabischen Staaten (Arabische Liga) wurde 1945 in Kairo gegründet und vertritt die Interessen von 22 Mitgliedsstaaten in Nordafrika und Asien

Im ägyptischen Badeort Scharm El-Scheich haben sich Vertreter der Europäischen Union (EU) und der Arabischen Liga am Sonntag und Montag zu Gesprächen getroffen. Bei dem ersten Gipfeltreffen der EU mit der Arabischen Liga haben sich die Vertreter der Staaten auf einen Ausbau der Zusammenarbeit verständigt.

Bei der Abschlusspressekonferenz am Montag kam es verschiedenen Medienberichten zufolge zu offenen Meinungsverschiedenheiten. Auslöser war die Frage, ob sich Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi darüber klar sei, dass die EU mit der Lage der Menschenrechte in seinem Land nicht einverstanden sei. Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Ahmed Abul Ghait, erklärte dazu: Nicht einer der Anwesenden habe Unzufriedenheit mit der Menschenrechtslage ausgedrückt.

Juncker interveniert beim Menschenrechtsthema

Die Aussage veranlasste EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zu einer Intervention. „Es stimmt nicht, dass wir nicht über Menschenrechte gesprochen haben“, erklärte Juncker auf der Pressekonferenz. Er selbst habe das Problem in seinem ersten Redebeitrag angesprochen. Die Tagessschau spricht über die Pressekonferenz von einem „offenen Eklat“. Umstrittene Themen seien in der der Abschlusserklärung gar nicht oder nur am Rande erwähnt worden, berichtet die Tagesschau. Beispielsweise habe die EU nicht durchsetzen können, dass das internationale Atomabkommen mit dem Iran als Beitrag zur Eindämmung der Weiterverbreitung von Nuklearwaffen in der Abschlusserklärung Erwähnung gefunden habe. Der Vertrag werde vor allem von den Golfstaaten und den USA abglehnt, weil sie dem Iran nicht vertrauten, berichtet die Tagesschau.

Gespräche suchen

Martin Knispel von World Relief Deutschland sagte gegenüber pro, es sei „kolossal wichtig“, auch mit diesen Regimen im Gespräch zu bleiben. „Es ist besser Kontakte zu solchen Ländern zu pflegen, als dass man einen zerfallenden Staat hat, denn dort herrscht dann völlige Anarchie“, so der Vorstandsvorsitzende der überkonfessionellen, christlich-humanitären Hilfsorganisation. Zudem werde abseits offizieller Erklärung auch in Hinterzimmern vieles besprochen. Wenn die Europäer die Gespräche mit den arabischen Staaten nicht suchten, würden dies Russland oder China tun. Bei aller Kritik dürfe man nicht verkennen, dass unter den Ländern der Arabischen Liga auch solche zu finden seien, in denen Minderheiten, auch christliche, geduldet würden. „Deshalb ist es uns als christlicher Entwicklungshilfeorganisation sehr wichtig, dass es solche Gespräche gibt.“

„Gipfel der Menschenrechtsverletzungen“

Der Sprecher des Vorstandes der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM), Martin Lessenthin, bewertet die Konferenz kritisch, „weil sich europäische Spitzenpolitiker in ein System begeben haben, das auf Seiten derjenigen die für Menschenrechtsverletzungen der schlimmsten Art stehen, als riesige Propaganda-Veranstaltung genutzt wird.“ Insbesondere Gastgeber Ägypten sei hier negativ hervorzuheben. Die ehemals plurale Struktur der ägyptischen Medien ist nach Auffassung Lessenthins mittlerweile „gleichgeschaltet“. Wenn europäische Politiker und Diplomaten „in sehr vorsichtiger Weise“ versuchten darzulegen, dass die Menschenrechtslage nicht zufriedenstellend sei und konkrete Verbesserungen erwarteten, würde dies in ägyptischen Medien verschwiegen oder brüsk als versuchte Einmischungen in innere Angelegenheiten des Landes zurückgewiesen. Den Europäern werde dann von den Medien Gefühlsduselei im Umgang mit Terror vorgeworfen. „Es sollte die normale Haltung der EU sein, sich das nicht bieten zu lassen und stattdessen eine Lanze für Religionsfreiheit und verfolgte Minderheiten zu brechen.“ Die IGFM erwarte ein Eintreten der EU gegen Folter und der Unterdrückung von Frauen aus religiösen Gründen. „Ägypten hat im Moment den Gipfel der Menschenrechtsverletzungen erreicht“, erklärte Lessenthin und verwies auf das Schicksal koptischer Christen in dem Land. So schlimm sei es in dem Land noch nie gewesen.

Von: Norbert Schäfer

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