Geld, Macht, Medien: Das Imperium des selbsternannten Bischofs der „Universalkirche“

Die umstrittene „Universalkirche des Königreichs Gottes“ begeistert Tausende Anhänger in Brasilien. Immer wieder geht es um Macht und Geld. Dem Gründer und selbsternannten Bischof Edir Macedo wird derzeit vorgeworfen, in einen Skandal um illegale Adoption verstrickt zu sein. Was steckt hinter der Kirche, in der manche „sektiererische Züge“ sehen?
Von PRO
Der ehemalige Präsident von Brasilien, Lula (l.), und der Besitzer von Rede Record und Gründer der „Universalkirche“, Edir Macedo (r.), 2007 während der Einweihungszeremonie von Record News, in São Paulo

Es ist ein riesiger Tempel, den die „Universalkirche des Königreichs Gottes“ im brasilianischen São Paulo 2014 eröffnete: Darin sind ein 100 Quadratmeter großes Taufbecken, eine Tiefgarage, Fernseh- und Rundfunkstudios, dutzende Wohnungen und ein Heli-Port auf dem Dach des Nebengebäudes. Der selbsternannte Bischof Edir Macedo leitet die Gemeinde „Igreja Universal do Reino de Deus“ (IURD, „Universalkirche des Königreichs Gottes“). Und der Mann ist nicht unumstritten. Für die einen ist die Gemeinde eine charismatische und evangelikale Pfingstkirche, für die andere hat sie Züge einer Sekte. Immer wieder neue Geschichten um das Gemeindeimperium werden publik.

Die „Tempel des Salomo“ in São Paulo Foto: www.otemplodesalomao.com
Die „Tempel des Salomo“ in São Paulo

Die ARD-Sendung „Weltspiegel“ berichtete am Sonntag vor einer Woche über die „Universalkirche des Königreichs Gottes“ und einen dramatischen mutmaßlichen Fall illegaler Adoption und Entführung von Kindern. Der Beitrag handelt von einem Kinderheim der „Universalkirche“ in Portugal, aus dem Kinder zur illegalen Adoption nach Brasilien und in die USA gebracht worden sein sollen. Ein ehemaliges Kindermädchen des Kirchengründers Edir Macedo berichtet in dem Beitrag darüber. Das portugiesische Kinderheim hatte jahrelang keine Betriebsgenehmigung, nahm aber Kinder von sozial schwachen Menschen auf, heißt es beim „Weltspiegel“.

„Man zeugt Kinder wie die Ratten. Das ist nicht der Wille Gottes“

Doch warum wurden mutmaßlich Kinder für illegale Adoptionen über den Atlantik geflogen? Kirchengründer Macedo habe in der Vergangenheit propagiert, dass Vaterpflichten vom Ausbau der Kirche abhielten, lautet es in dem Beitrag. „Man zeugt Kinder wie die Ratten. Das ist nicht der Wille Gottes“, sagte er auf der Bühne. Deswegen hätten sich zahlreiche Bischöfe sterilisieren lassen.

Laut dem Beitrag hätten dies auch die Schwiegersöhne von Macedo getan. Familie sollten die Bischöfe dennoch haben. Die portugiesischen Kinder, um die es in dem ARD-Film geht, seien angeblich von einer Tochter Macedos und ihrem Mann adoptiert worden, da der Ehemann sterilisiert sei. Die Anschuldigungen wiegen schwer.

Portugiesische Journalisten des Senders TVI hätten die Gemeinde wiederholt mit ihren Recherchen und Zeugenaussagen zu dem Fall konfrontiert. Ausführliche Antworten blieben aus. Stattdessen gab es Schadensersatzklagen der „Universalkirche“. Diese wurden laut Beitrag größtenteils abgewiesen. Mittlerweile ermittelt die portugiesische Staatsanwaltschaft in dem Fall des Kinderheims. Das ist nur ein Skandal in der mittlerweile 40-jährigen Geschichte der Organisation.

Reichster Gottesmann Brasiliens

1977 gründete der leitende, selbsternannte Bischof Macedo die Bewegung der „Universalkirche des Königreichs Gottes“. Er gilt nach Schätzungen des Magazins Forbes als reichster Gottesmann Brasiliens. Wegen des Vorwurfs der Scharlatanerie, Geisterheilung und Teufelsaustreibung saß er 1992 gut eine Woche im Gefängnis, schrieb der Amerika-Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Matthias Rüb, in einem früheren Artikel. Etwa ein Verfahren gegen Macedo wegen Geldwäsche wurde 2009 eingestellt.

Bischof Macedo gerät immer wieder in die Kritik, wie in dem ARD-Beitrag oder aufgrund seines Umgangs mit Geldern. Manche Fragen zu der Glaubensgemeinschaft lassen sich nicht eindeutig beantworten. Der Leiter der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW), Reinhard Hempelmann, ordnete die Gemeinde gegenüber pro ein: „Es handelt sich um eine einflussreiche religiöse Gemeinschaft, die auf dem Hintergrund der Ausbreitung des Neopentekostalismus, des Neupfingstlertums, in Brasilien zu verstehen ist.“ Zu den Schwerpunkten der Frömmigkeit zählten „Lehren und Praktiken, die eine große Nähe zur Wort-des-Glaubens-Bewegung aufweisen: Verkündigung eines Wohlstands- und Gesundheitsevangeliums, Dämonisierung von Krankheit, gesetzliches Verständnis des Zehnten, Heilungs- und Wohlstandsrituale, Armut als Folge von Ungehorsam.“ Die Ausbreitung der IURD sei „seit Jahrzehnten begleitet gewesen von Skandalen und Austritten“.

Hempelmann: „Deutsche Pfingstbewegung würde sich von Kirche distanzieren“

Ob die Kirche zum Evangelikalismus gehört, erklärt Hempelmann folgendermaßen: „Es gibt nicht ‚die Evangelikalen‘. Im weitesten Sinne gehört diese Kirche zum Pentekostalismus und damit auch zum Evangelikalismus. Die deutsche Pfingstbewegung würde sich meines Erachtens von dieser Kirche distanzieren.“

Weiter erläutert der Leiter der EZW: „Es gibt einen großen Einfluss der Volksreligiosität in pentekostalen Gemeinschaften. Die IURG unterhält ein einflussreiches Medienimperium. Macedo ist mehrfach angeklagt worden. Die Theologie und die antiökumenische Haltung der IURG verleihen ihr sektiererische Züge.“

Experte: „Vermutlich sich persönlich bereichernde Führung“

Auch der aus Brasilien stammende Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Baden und stellvertretender Superintendent João Carlos Schmidt hat sich mit der „Universalkirche“ auseinander gesetzt. Er erklärt in einer seiner Publikationen, wie der protestantische Glaube nach Brasilien gelangte – und damit im weitesten Sinne eine Basis für die IURD schuf: „Der historische protestantische Glaube kam nach Brasilien als ein Fremdkörper gegenüber der Volkskultur und blieb in diesem Status bis heute. […] Erst durch die Ankunft und Ausbreitung eines neues Typus protestantischen Glaubens, des pfingstlerisch-charismatischen Protestantismus, erreichte der Glaube einen breiten Anteil der Bevölkerung und breitete sich durch alle sozialen und ethnischen Schichten hindurch aus.“

Laut Schmidt handelt es sich bei der „Universalkirche“ „um eine von der Führung autokratisch geleitete, stark hierarchisch strukturierte Organisation“. Es stelle sich die Frage, inwieweit die Kirchenarbeit in den örtlichen Gemeinden „von den finanziellen Motiven einer vermutlich sich persönlich bereichernden Führung missbraucht wird“. Der Pfarrer erklärt: „Die Gemeinden haben […] keinerlei Machtbefugnisse.“ An der Spitze der Hierarchie stehe das „Generalpresbyterium“.

„Echtheit des Glaubens durch ,Darbringen von Opfern‘ beweisen“

Die in der Öffentlichkeit „bereits vorhandene Unterstellung, Macedos Kirche sei eine Sekte, die unter dem Deckmantel der Religion gute Geschäfte macht“, bekomme durch Gerichtsprozesse gegen die Leitung immer wieder neuen Aufwind. Es gebe quasi Heilsversprechen gegen den Zehnten. Schmidt erklärt, dass der Glaubende „die Echtheit seines Glaubens durch das ,Darbringen von Opfern‘ in Gestalt der Abgabe des Zehnten und anderer Spenden unter Beweis stellen [muss].“

Schmidt hat wiederholt Gottesdienste der Gemeinde besucht, die auch in Deutschland ansässig ist. Hier nennt sie sich „Hilfszentrum“, hat den Hauptsitz in Berlin und Zweigstellen in Dortmund, Frankfurt/Main, Köln, Hamburg, München, Nürnberg und Stuttgart. Auf der Internetseite www.hilfszentrum.de finden sich Angebote für den täglichen Gottesdienst mit Themen wie „Erlangung bester Gesundheit – Krankheiten, Schmerzen, chronische Erkrankungen“, „Geistliche Befreiung – Negative Energie, Schlaflosigkeit, Albträume, Neid, Fluch, Hexerei“ oder „Bibelstudium – Fördern Sie Ihr inneres Gleichgewicht durch die Lektüre in Gottes Wort“.

Auf der deutschen Internetseite der Gemeinde findet sich die Bezeichnung „Universalkirche“ nicht. Laut Schmidt schrieb die Gemeinde auf ihrer Website in der Vergangenheit, dass sie ein „staatlich anerkannter, gemeinnütziger Verein“ und „keine Sekte“ sei. Laut eigenen Aussagen hat die Gemeinde aktuell „mehr als 8.000 Hilfszentren in 182 Ländern“.

Der Pfarrer erläutert zudem: „Ein Gottesdienstverständnis und eine Gottesdienstpraxis, in dessen beziehungsweise in deren Mittelpunkt das uneigennützige Lob Gottes steht, hat in den Gotteshäusern der IURD entweder keinen oder nur einen beschränkten Platz.“ Die Gemeinde sei antiökumenisch geprägt.

„Die Schwächen einer jungen Demokratie“

Theologe Schmidt weist aber auch darauf hin, dass die „Universalkirche“ nicht die einzige religiöse Gemeinschaft sei, „die in die Massenkommunikation investiert und in der Politik ihre Interessen durchzusetzen vermag. Auch andere Kirchen – die römisch-katholische inklusive – tun es, wenn auch nicht so erfolgreich wie die Universalkirche“. Diese Verstrickung und die damit verbundene wirtschaftliche und politische Macht von Kirchen in Brasilien zeigten auch „die Schwächen einer jungen Demokratie, die noch viele rechtliche Grauzonen besitzt und noch keine klaren demokratischen Regeln für die Präsenz religiöser Gemeinschaften bestimmt hat“.

von: Martina Blatt

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