Thema Abtreibungen entscheidend bei Besetzung von Richterposten

Brett Kavanaugh soll neuer Richter am Obersten Gerichtshof der USA werden. Viele amerikanische Christen unterstützen die Nominierung. Auch dem Präsidenten Donald Trump könnte die Personalie nutzen. Doch: Das System der Gewaltenteilung ist in Gefahr. Eine Analyse von Stefanie Ramsperger
Von PRO
Donald Trump nominierte am Montag den konservativen Richter Brett Kavanaugh, hier mit seiner Familie, für einen Posten im Supreme Court

Als die Amerikaner Donald Trump zum Präsident wählten, jubelten evangelikale Christen. Rund 80 Prozent von ihnen hatten den Mann zum Präsidenten gemacht, der seither über Twitter die Welt in Atem hält und dem führende US-Psychiater Amtsunfähigkeit bescheinigten. Trump-Kritiker dagegen trösteten sich am amerikanischen „Checks and Balances“-System, also der Form der Gewaltenteilung, die der Macht des Präsidenten Grenzen setzen kann.

Amtsvorgänger vertrat liberale Ansichten zur Homo-Ehe

Um die Unabhängigkeit von Legislative, Exekutive und Judikative zu garantieren, hat jede der Gewalten nach amerikanischem Recht Machtmittel in der Hand, um die jeweils anderen zu bremsen. So hat der Präsident ein Vetorecht, um die Gesetze des Kongresses zu stoppen. Der Supreme Court kann Direktiven des Präsidenten für verfassungswidrig erklären. Und der Kongress kann die wichtigen Männer und Frauen der Exekutive und Judikative, also Präsident und Richter, ihrer Ämter entheben, bzw. Impeachmentverfahren oder Untersuchungsausschüsse einrichten.

Derzeit haben beide Häuser des Kongresses, Senat und Repräsentantenhaus, eine konservative Mehrheit. Der Präsident ist bekanntermaßen ebenfalls Republikaner. Der Oberste Gerichtshof war bislang weitestgehend ausgewogen besetzt. Der nun scheidende Richter Anthony Kennedy war, zwischen vier „linken“ und vier „rechten“ Richtern, oft das Zünglein an der Waage: Zwar von Hause aus Republikaner, vertrat er doch oft liberale Positionen und war deswegen alles andere als ein Garant für die Durchsetzung ultrakonservativer Interessen. So verärgerte er Konservative, als er vor drei Jahren dafür stimmte, die Homo-Ehe zu legalisieren.

Evangelikale freut die Personalie Kavanaugh

Mit dem Katholiken Kavanaugh würden sich die Machtverhältnisse im Supreme Court nach rechts verschieben. Evangelikale Leiter in den USA befürworten seine Nominierung. Russell Moore, Präsident der „Kommission für Ethik und Religionsfreiheit“ der Südlichen Baptisten, lobte Kavanaugh als „starken Verteidiger der von Verfassung und Bill of Rights garantierten Rechte, besonders (…) der Religionsfreiheit“. Weiter sagte er: „Ich unterstütze die Baptisten und andere Evangelikale, die den Senat auffordern, der Nominierung Richter Kavanaughs ohne Verzögerung zuzustimmen.“

Der Präsident der Organisation „Focus on the Family“, Jim Daly, bezeichnete den 53-Jährigen als „Top-Kandidaten“. Auch der Präsident der evangelikalen Nationalen Lateinamerikanischen Christlichen Leiterschaftskonferenz, Sam Rodriguez, lobte den Nominierten für den Richterposten.

Konservativ bei Religionsfreiheit und Abtreibungen

Wen der amerikanische Präsident als Richter am Supreme Court nominiert, behält diesen Posten auf Lebenszeit, sofern der Senat zustimmt. Deswegen ist die Personalie durchaus entscheidend und im Fall Kavanaughs vermutlich eine die nächsten Jahrzehnte prägende. Es ist daher wenig verwunderlich, dass Trump sich einen Kandidaten ausgesucht hat, der ganz auf seiner Linie ist. Kavanaugh würde Waffenrechte nicht verschärfen, ist gegen die von Trump-Vorgänger Barack Obama eingeführte und von Trump wieder abgeschaffte Krankenversicherung für alle US-Bürger. Er würde sich bei Fragen, die die Industrie und Umwelt betreffen, immer auf die Seite der Wirtschaft stellen und er möchte die Macht von Organisationen, die das Weiße Haus kontrollieren sollen, verringern.

Für Christen besonders interessant sind seine Einstellungen zur Religionsfreiheit und zu Abtreibungsrechten. In beiden vertritt Kavanaugh konservative Positionen. So sprach er sich gegen eine Gerichtsentscheidung aus, mit der einer minderjährigen Immigrantin eine Abtreibung erlaubt worden war. Zwar stellte er nicht die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs generell in Frage, nach dessen Urteil Frauen das Recht haben, abzutreiben, aber er forderte „sinnvolle Reglementierungen“ der Regierung. Der Interpretationsspielraum dieser Aussage ist durchaus groß.

Es ist nicht zu erwarten, dass mit Kavanaugh das Grundsatzurteil von 1973 zur Legalisierung von Abtreibungen gekippt wird, obwohl Donald Trump dies befürworten würde. Aber die Hürden für Frauen, die abtreiben wollen, dürften höher werden. Dazu könnten, rein spekulativ, Abtreibungskliniken Auflagen bekommen, die dazu führen, dass sie ihren Betrieb einstellen. Für Abtreibungsgegner ist die Personalie deswegen besonders erfreulich, weil Vorgänger Anthony Kennedy auch beim Thema Abtreibung liberale Ansichten vertrat.

Scheitert Kavanaugh am Thema Abtreibung?

Auch wenn Trump verständlicherweise bemüht ist, sich seine evangelikale Wählerschaft gewogen zu halten, dürfte er sich von der Personalie Kavanaugh in Wirklichkeit etwas ganz anderes versprechen. Richter Kavanaugh hatte sich vor neun Jahren ausführlich schriftlich dazu geäußert, warum ein Präsident nicht angeklagt werden dürfe, solange er sein Amt innehabe. Besser könnte es für Trump nicht kommen, denn in der Russland-Affäre gerät er zunehmend innenpolitisch unter Druck. Trump wird vorgeworfen, mit Russland paktiert zu haben, um die Präsidentenwahl zu gewinnen, und im Anschluss die Justiz behindert zu haben, um die Russland-Untersuchungen zu verzögern. Diese Vorwürfe könnten Trump kaum gefährlich werden, solange er im Amt und Kavanaugh seiner Linie treu bleibt.

Einzig seine Parteigenossen im Senat können Trumps Ziel noch gefährden. Die republikanische Mehrheit im Senat ist knapp und in den Reihen derjenigen, die die Besetzung des Richterpostens bestätigen müssen, sitzen unter anderen zwei streitbare Damen, die sich für Abtreibungsrechte einsetzen. Sie könnten die sicher geglaubte Personalie noch platzen lassen. Dies ist allerdings unwahrscheinlich. Zumindest haben sie die Möglichkeit beim letzten Mal nicht genutzt. Schon damals war mit Neil Gorsuch ein ultrakonservativer Richter und Kandidat Trumps Mitglied des Supreme Court geworden.

Checks and Balances in Gefahr

So deutlich wie dieses Mal war es, so scheint es, nie, dass Kandidaten für den wichtigen Richterposten nach Parteizugehörigkeit und persönlichen Ansichten ausgewählt wurden. Was konservative Evangelikale freut, ist letztlich für das System der Checks and Balances dramatisch: Aufgabe des Supreme Courts ist es nicht, den Präsidenten auf Händen zu tragen, sondern kritisch auf dessen Vorhaben zu schauen und sie gegebenenfalls zu stoppen.

Hinzu kommt, dass möglicherweise während Trumps Amtszeit noch zwei weitere demokratische Richter ausscheiden werden, da beide über 80 Jahre alt sind. Damit wäre Trump der erste Präsident seit Jahrzehnten, der mehr als zwei Kandidaten auf den Richterstuhl hieven und damit ein starkes rechtes Übergewicht erzeugen könnte. Legislative, Exekutive und Judikative wären dann fest in republikanischer Hand. Im Sinne der Checks and Balances, wie sie von den amerikanischen Gründungsvätern erdacht wurden, ist das nicht.

Von: Stefanie Ramsperger

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