Meinungsfreiheit ja – außer für konservative Christen?

Wer öffentlich christlich-konservative politische Ansichten vertritt, müsse inzwischen mit Repressalien rechnen. Dies kritisiert der Schriftsteller und Medienbeauftragter des Bistums Chur, Giuseppe Gracia, in einem Kommentar.
Von Jörn Schumacher
Die Meinungsfreiheit für Katholiken ist eingeschränkt, lautet das Urteil des Medienbeauftragten des Bistums Chur, Giuseppe Gracia

Katholiken zahlten, wenn sie offen zum Lehramt der Kirche stehen, einen Preis. Davon ist der Schweizer Schriftsteller und Journalist Giuseppe Gracia überzeugt. In einem Kommentar für die Neue Zürcher Zeitung mit dem Titel „Keine Meinungsfreiheit für Katholiken“ schreibt er: „Auch wenn Westeuropa Werte wie Freiheit, Pluralismus und Toleranz hochhält, schwindet in der Realität die Akzeptanz der Meinungsäusserungsfreiheit unbequemer Stimmen – besonders von Christen, die sich weigern, ihren Glauben anzupassen.“ Der Autor weist vor allem auf den Umgang mit lehramtstreuen Katholiken hin. Gracia ist seit 2011 Beauftragter für Medien und Kommunikation des Bistums Chur. Vor kurzem veröffentlichte er den Roman „Der Abschied“ über einen islamistischen Terroranschlag.

„Innere Zensurschere“ bei Sexualmoral

Die Gefahr, bei unpopulärer Meinung im öffentlichen Ansehen „bis hin zur Ausgrenzung“ zu sinken, führe für manche Christen zu einer „inneren Zensurschere“. Besonders sei dies bei heißen Eisen wie Familienpolitik, Sexualmoral oder Abtreibung der Fall. Wer sich entsprechend äußere, müsse sogar um seine Karriere fürchten. „Welcher Journalist bekäme den Chefposten eines Leitmediums oder den Moderatoren-Job einer populären Talk-Sendung, wenn er öffentlich zum Lehramt der Kirche stünde, von der Unfehlbarkeit des Papstes bis zur Einschätzung homosexueller Akte?“ Auch wer als Professorin die Gender-Studies als Ideologie ablehne, bekomme Ärger, und ein Politiker, der sich gegen den Sex vor der Ehe oder oder künstliche Empfängnisverhütung ausspreche, müsse Repressalien fürchten. „Selbst in der freiheitsliebenden Schweiz wären Politiker, die sich gegen Abtreibung oder Homo-Ehe äussern, für jedes höhere Amt erledigt“, schreibt der Katholik.

Der Autor erinnert an den Italiener Rocco Buttiglione, der 2004 von Italien als Vizepräsident der Europäischen Kommission und Kommissar für Justiz, Freiheit und Sicherheit vorgeschlagen wurde, jedoch abgelehnt wurde, nachdem der gläubige Katholik öffentlich seine Meinung über Homosexualität gesagt hatte. Diese sei „moralisch falsch“ so wie Ehebruch oder Steuerhinterziehung, sagte Buttiglione damals.

Katechismus mit Scharia verglichen

Gracia schreibt weiter: „In vielen europäischen Medien erscheint die Lehre der katholischen Kirche als etwas Krankhaftes oder Menschenfeindliches.“ Enstprechend würden etwa Anhänger des „Marsches fürs Leben“ in den USA extrem negativ von den Medien dargestellt. „Das fördert ein Klima, in dem Gläubige, die einen Job zu verlieren haben, sich hüten, Artikel oder Videoclips mit christlichen Ansichten zu ‚liken‘.“

Ein weiteres aktuelles Beispiel sei der englische Politiker Jacob Rees-Mogg, der in der TV-Sendung „Good Morning, Britain“ darauf bestanden habe, sich bezüglich Ehe und Abtreibung an der Lehre der Kirche zu orientieren. Wie er als eventueller Premierminister zur Abtreibung und zur Homo-Ehe stünde, wurde er gefragt, und er antwortete, dass er als Gläubiger zur Lehre der Kirche stehe, als Politiker jedoch zum Rechtsstaat. Gracia schreibt: „Seit dem Auftritt lässt man ihn aussehen wie einen homophoben Finsterling.“

In einem Interview mit dem Schweizer Magazin Watson sagte Gracia vor kurzem: „Ich mache die Erfahrung selber als Sprecher des Bistums Chur. Wenn man die Meinung konservativer Gruppen vertritt, wird man gleich als Anwalt von Hinterwäldnern oder Fanatikern betrachtet.“

In den USA hingegen könnten Politiker offen von Gott und ihrem Glauben sprechen, stellt der Schriftsteller fest, auch wenn sie gegen Abtreibung oder gegen die Homo-Ehe eingestellt seien. „Das ist in Westeuropa inzwischen undenkbar.“ (pro)

Von: js

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