Die Schöpfung im U-Bahn-Schacht

Markus Lüpertz gehört zu den bekanntesten zeitgenössischen Künstlern Deutschlands. Jetzt möchte er die Karlsruher U-Bahn gestalten – mit Szenen aus der Schöpfungsgeschichte. Das sorgt für eine politische Debatte.
Von Johannes Blöcher-Weil
Der Künstler Markus Lüpertz hat in Karlsruhes U-Bahn ein Kunstprojekt mit biblischen Bezügen umgesetzt

Der Künstler Markus Lüpertz hat der Stadt Karlsruhe ein Angebot gemacht. Er möchte die neu zu bauende U-Bahn-Stationen in Karlsruhe mit Keramikreliefs versehen. Dies führt zu einem Disput. Lüpertz hat die Gremien der Stadt kaum beteiligt, sagen Kritiker aus der Künstlerszene. Außerdem sorgen für den Zoff auch die Bilder, die aus dem biblischen Kontext stammen.

Damit hat Lüpertz wieder einmal den Stein des Anstoßes gegeben für eine Debatte über Kunst im öffentlichen Raum. Mäzen Anton Goll sammelt schon Gelder für das Kunstprojekt „Genesis – Die Sieben Tage des Herrn“. Die beiden möchten gemeinsam sieben Stationen der derzeit geplanten „U-Strab“ in Karlsruhe mit den Kunstwerken ausstatten.

Neue Stufe der Entdemokratisierung

Kritiker bemängeln, dass das Verfahren nicht transparent umgesetzt wird. Es habe keine öffentliche Ausschreibung gegeben. In einem Bericht des Deutschlandfunks wünschen sich die Gegner, dass alte Männer keine biblischen Themen umsetzen sollten. Außerdem sei fraglich, ob wohlhabende Bürger ohne Absprache mit der Öffentlichkeit beschließen dürften, was an Haltestellen zu sehen ist.

Der Direktor des Kunst- und Medienzentrums, Peter Weibel, sieht in der Aktion einen Eingriff in den öffentlichen Raum. Weibel sprach gegenüber der Süddeutschen Zeitung von einer neuen Stufe der „Entdemokratisierung“, weil die politischen Gremien nicht beteiligt waren. Zudem stört er sich an den religiösen Motive der Kachelwände. Sie seien eine allergische Reaktionen „auf die von Paranoikern gefürchtete, vermeintlich drohende Islamisierung des Abendlandes“. Das Projekt sei rückwärtsgewandt und die biblischen Themen „letztendlich falsche Fabeln“. Aus seiner Sicht gehöre konfessionelle Kunst in die Kirchen, aber nicht in den öffentlichen Raum.

Bedenkenswerte Geschichte

Bisher sind außer Ankündigungen des Künstlers keine weiteren Details bekannt. Welt-Reporter Hans-Joachim Müller sieht keine Gefahr, „wenn der U-Strab-Nutzer seine Wartezeit im Schacht vor einer Szene aus der Schöpfungsgeschichte verbringen würde“. Die Schöpfungsgeschichte sei allen Kreationisten zum Trotz die konkurrenzlos schönste Poetisierung der Evolutionstheorie geblieben.

Zudem sei der Rausschmiss aus dem Paradies auch der Beginn der zähen Emanzipationsgeschichte der paradiesfernen Erdbewohner. „Das ist ja doch eine ziemlich bedenkenswerte Geschichte.“ Sie sei jedenfalls mindestens so gut wie der Check der Facebook-Nachrichten auf dem Bahnsteig. (pro)

Von: jw

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