„Wo warst du, Gott, an diesem Montag?“

Es ist jetzt 25 Jahre her, dass Steve Volke das erste Mal in seinem Leben ein totes Kind in seinen Armen hielt. Und das Schlimmste daran war, dass es sein eigenes war. „Wo warst du, Gott, an diesem Montag?“, fragt er in einem Gastbeitrag über ein Erlebnis, das sein Gottesbild sehr stark verändert hat.
Von PRO
Plötzlicher Kindstod erfüllt Ehepaare mit Trauer und Sprachlosigkeit. Viele Ehen zerbrechen daran. (Symbolbild)

Es gibt Situationen, in denen sich beweisen muss, ob das, was man sagt oder auch schreibt, nur auswendig gelernte fromme Worthülsen sind oder ob man tatsächlich davon überzeugt ist, dass Gottes Liebe trägt. Solche Situationen kann man sich nicht aussuchen, und auch der Zeitpunkt liegt nicht in der eigenen Hand.

Ich hätte niemals gedacht, dass wir als Familie eine solche Situation jemals erleben müssten, und ehrlich gesagt, kann man damit auch nicht rechnen. Der Gedanke daran würde einen verrückt machen.

Wir hatten uns neun Monate lang auf ihn gefreut. Doch das Ereignis, das unaussprechliche Freude auslösen sollte – und für uns bereits zweimal ausgelöst hatte –, war diesmal so ganz anders. Statt freudigem Babygeschrei hörten wir nach der Geburt unseres Sohnes Markus Danny im Kreißsaal nichts. Eine Stille, die bis heute weh tut. Eine Situation, die man keinem Menschen wünscht. Ein Schmerz, der uns an der empfindlichsten Stelle getroffen hat, von der wir nie geglaubt hätten, dass sie so empfindlich ist: mitten ins Herz.

Bittere Wahrheit: Unser Baby ist gestorben

Bereits mit dem Wissen waren wir in die Klinik gefahren: Unser Baby ist gestorben. Plötzlicher Kindstod im Mutterleib – einen Tag vor dem offiziellen Geburtstermin. Ein Schock mit Folgen.

„Wo warst du, Gott, an diesem Montag? Hast du uns vergessen? Hast du nicht gemerkt, wie wir uns auf diesen Jungen gefreut haben?“ – Stille und Schweigen.

Man weiß nie, wie sehr man eine Sache wirklich glaubt, bis deren Wahrheit zu einer Frage von Leben und Tod wird. (C.S. Lewis)

In den Turbulenzen der nächsten Tage, in denen sich Trauer und Sprachlosigkeit abwechselten, haben wir gemerkt: Es hat sich schlagartig vieles in unserem Leben geändert. Das Lebensfundament ist stark erschüttert worden und die Frage stand noch nie so existentiell vor uns wie in diesen Wochen: „Was trägt unser Leben? Wird Gott, von dem wir immer behauptet haben, dass er mit uns durch alle Lebenssituationen geht, sich jetzt zu uns stellen? Werden wir spüren, was es heißt, von ihm getröstet zu werden?“

Die Welt stand auf einmal still

Ganz klar war für uns, dass unser Lebensrhythmus ein anderer werden würde. Für mich war klar: in nächster Zeit keine Termine, keine noch so gut gemeinten Predigten, keine frommen Artikel in diversen christlichen Blättern. Für uns stand die Welt auf einmal still. Und dann kam die lange, fast nicht enden wollende Zeit der Trauer. Ich dachte, ich würde nie wieder lachen können und nie wieder glücklich sein. Sieben Jahre später habe ich ein Buch geschrieben über das „Glücklich sein“.

Es hat lange gedauert, bis wir die Sprache wiederfanden. Es war auch nicht einfach für meine Frau und unsere beiden kleinen Mädchen, die Trauer zu verarbeiten. Wir haben so unterschiedlich getrauert. Wir Erwachsenen sind über einen längeren Zeitraum in eine Selbsthilfegruppe von betroffenen Eltern gegangen, die das Krankenhaus angeboten hat. Zehn Paare, die alle ähnliches erlebt hatten. Nach einem halben Jahr waren nur noch zwei Paare aus der Gruppe überhaupt zusammen, wir gehörten dazu. Und heute nach 35 Jahren Ehe gehört diese Zeit eindeutig zu der Zeit, von der wir uns bei der Hochzeit versprochen hatten, auch dann zusammenzuhalten, wenn „schwere Tage kommen“.

Gott ganz anders erlebt – nach dem Dunkel kommt ein neuer Morgen

In dieser Zeit haben wir Gott in einer anderen Art erlebt, als jemals zuvor. Er war zu einem Gott geworden, der unsere Fragen an ihn aushält (wir dürfen ihn nämlich mit unseren Fragen belagern und müssen keine fromme Zurückhaltung üben!). Er antwortet vielleicht nicht immer auf die Art, wie wir es gerne hätten, aber auf eine, die uns seine Liebe erst richtig begreifen lässt. Und das kann schon mal einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen.

Vordergründig mag man vielleicht denken, wir hätten allen Grund gehabt, auf Gott ärgerlich zu sein, wo er uns doch unser Kind genommen hat. Ich kann auch nicht behaupten, dass solche Gefühle nicht auch vorhanden waren. Aber letztlich haben wir erlebt, dass es stimmt, was der christliche Schriftsteller C.S. Lewis in einem seiner Bücher schrieb: „Gott flüstert in unseren Freuden, er spricht in unserem Gewissen; in unseren Schmerzen aber ruft er laut. Sie sind sein Megaphon, eine taube Welt aufzuwecken.“

Die Frage „Wo warst du, Gott, an diesem Montag?“ brauchte er uns nicht zu beantworten, denn bereits in der Fragestellung wusste ich die Antwort: Er war so nah bei uns, wie wir ihn noch nie erlebt hatten! Wie sonst hätten wir das alles ertragen können? Er lässt uns seitdem eine „andere Art von Gnade“ spüren, und schenkt uns das sichere Wissen: Unser Sohn ist in den besten Händen, die es gibt – und wir sind es auch!

Es ist die christliche Auferstehungs-Hoffnung, die mich fest daran glauben lässt, dass wir unseren Sohn irgendwann sehen und erleben werden. Und es wird dann so sein, als wäre es nie anders gewesen.

Ganz nebenbei: Zwei Jahre nach diesem Erlebnis kam ich eines Morgens an den Frühstückstisch und meine Frau hatte einen weißen Briefumschlag auf meinen Teller gelegt. Darin war ein kurzer Brief mit einem Bibelvers aus Hiob: „… und der Herr gab Hiob doppelt, was er vorher gehabt hat.“

In dem Umschlag lag noch ein Ultraschallbild. Und selbst für mich als Laien waren dort zwei Babys zu sehen. Zwei Mädchen, die unser Familienglück vollkommen machten.

Der Autor ist CEO des Kinderhilfswerks Compassion und Mitglied der Christlichen Medieninitiative pro. Dieser Text erschien zuerst auf Steve Volkes Blog.

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