Die Nacht ist vorgedrungen

Jochen Klepper ist einer der bedeutendsten Dichter des 20. Jahrhunderts. Viele seiner Texte sprechen von der Gnade Gottes und von seiner Hilfe in schweren Zeiten. Vor 75 Jahren nahm sich der Journalist und Schriftsteller mit seiner jüdischen Frau und seiner Stieftochter das Leben.
Von Jonathan Steinert
Ein „Stolperstein“ vor dem Wohnhaus Jochen Kleppers und seiner Familie erinnert heute an den Dichter

Am Abend des 11. Dezember 1942 legten sich Jochen Klepper, seine jüdische Frau Johanna und seine Stieftocher Renate auf den Fußboden der Küche in ihrer Wohnung in Berlin-Nikolassee. Sie hatten Schlaftabletten genommen und drehten das Gas am Herd auf. Mit ihrem Suizid kam die Familie des Dichters und Journalisten Klepper der Deportation zuvor, die seiner Frau und der zwanzigjährigen Tochter bevorstand. Noch am Nachmittag war er im Reichssicherheitshauptamt, um dort von Adolf Eichmann persönlich zu erfahren, dass seine Tochter nicht nach Schweden ausreisen dürfe. Ihre ältere Schwester hatte noch nach England gehen dürfen und überlebte dort.

„Wir sterben nun – ach, auch das steht bei Gott – Wir gehen heute Nacht gemeinsam in den Tod. Über uns steht in den letzten Stunden das Bild des Segnenden Christus, der um uns ringt. In dessen Anblick endet unser Leben.“ So lautet der letzte Tagebucheintrag Kleppers.

Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern. / So sei nun Lob gesungen dem hellen Morgenstern! / Auch wer zur Nacht geweinet, / der stimme froh mit ein. / Der Morgenstern bescheinet / auch deine Angst und Pein.

„Jüdisch belastet“

Klepper wurde 1903 im schlesischen Beuthen an der Oder geboren. Sein Vater war Pfarrer, Klepper studierte später ebenfalls Evangelische Theologie. Allerdings entschied er sich gegen den Pfarrdienst, auch wegen gesundheitlicher Probleme. Von 1927 an arbeitete er für den Evangelischen Presseverband für Schlesien. Er schrieb für die Kirchenzeitung Unsere Kirche und für die Zeitung Vorwärts der SPD, der er auch angehörte.

1931 heiratete Klepper Johanna Stein, die – 13 Jahre älter als er – bereits verwitwet war. Sie brachte zwei Töchter mit in die Ehe. Kleppers Familie war gegen die Verbindung, aber für ihn war diese Heirat auch ein Akt des Widerstands gegen den wachsenden Antisemitismus seiner Zeit. Die Ehe mit einer jüdischen Frau brachte auch Klepper selbst in Schwierigkeiten im von den Nationalsozialisten regierten Deutschland. Seine Anstellung beim Hörfunk in Berlin, die er ab 1932 hatte, wurde im Jahr darauf wieder gekündigt. Seine darauffolgende Tätigkeit beim Ullstein-Verlag musste er nach zwei Jahren ebenfalls wieder beenden, weil er „jüdisch belastet“ war. 1938 ließ Johanna Klepper sich taufen, kurz darauf heiratete das Ehepaar noch kirchlich. Nach seiner Einberufung 1940 kämpfte Klepper ein knappes Jahr lang in der Wehrmacht. Auch hier wurde er wegen seiner „nichtarischen Ehe“ entlassen. Seine Frau bot ihm die Scheidung an, damit er dadurch keine Einschränkungen mehr hätte. Aber das war für Klepper keine Option.

Voll Trost und Hoffnung

1938 veröffentlichte Klepper den Gedichtband „Kyrie“. Viele seiner Texte wurden vertont und ins evangelische Kirchengesangbuch, einige auch in das katholische „Gotteslob“ aufgenommen. Die Lieder erzählen oft von Gottes Gnade und Erlösung für die Menschen, von seinem Beistand und Trost auch in schweren Zeiten. Sie bringen ein tiefes Vertrauen auf Gott zum Ausdruck. Oft griff Klepper dabei auf Bibelverse zurück, etwa beim Weihnachtslied „Die Nacht ist vorgedrungen“, dessen erste Zeilen sich auf einen Vers im Römerbrief beziehen, während die letzte Strophe mit „Gott will im Dunkel wohnen“ König Salomo aus dem Alten Testament zitiert. Kleppers Lied „Er weckt mich alle Morgen, er weckt mir selbst das Ohr” fußt auf einer Aussage des Propheten Jesaja.

Zu Kleppers Schaffen gehören zudem die Romane „Der Kahn der fröhlichen Leute“ und „Der Vater“. Seine Schwester veröffentlichte in den Fünfzigerjahren mit „Unter dem Schatten deiner Flügel“ Teile von Kleppers Tagebüchern.

In jeder Nacht, die mich bedroht, / ist immer noch dein Stern erschienen. / Und fordert es, Herr, dein Gebot, / naht sich ein Engel, mir zu dienen. / In welchen Nöten ich mich fand, / du hast dein starkes Wort gesandt.

Von: Jonathan Steinert

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