Statue für Billy Graham: Säulenheilige

Billy Graham soll eine Statue im US-Kapitol bekommen. Unser Kolumnist Jürgen Mette findet: Das passt irgendwie nicht zu dem großen Evangelisten.
Von PRO
Eine Statue für einen Evangelisten? Ein bisschen viel des Guten, findet Jürgen Mette

Ihre Botschaft ist schlicht, ihr Auftritt demütig: Evangelisten wollen nur „einfache Arbeiter im Weinberg ihres Herrn“ sein, so wie es allen voran Josef Kardinal Ratzinger einmal bekundet hat, der mit seiner Jesus-Trilogie eine solide christozentrische Basis gelegt hat. Ihm konnte man das abnehmen. Nicht alle sind, wie der Ex-Papst, in roten Schuhen unterwegs, aber einer der jungen römisch-katholischen Wilden mit beeindruckender Bühnenpräsenz verfügt über einen reichhaltigen Bestand grellbunter Socken, die stets mit dem Einstecktuch im auf Taille geschneiderten Sakko geschmackvoll harmonieren.

Sind diese (letzten) Freudenboten im Dienst einer Landeskirche, dann sind sie bei komfortablen Ruhestandsbezügen wenigstens die Sorge um die Verarmung im Alter los. Meistens befinden sich Evangelisten im Angestelltenverhältnis eines spendenabhängigen Missionswerks, sind darum nur mäßig besoldet, weil sie im Gegensatz zu einigen nord- oder südamerikanischen Evangelisten keine Imperien mit TV-Produktion und professionellem Fundraising aufgebaut haben. Ich erinnere mich an Zeiten, wo junge hoffnungsvolle Talente das schlichte Metier eines Evangelisten verlassen oder sich durch branchenfremde Nebeneinkünfte monetär aufgebessert haben.

Ansonsten haben die Evangelisten ziemlich freie Hand in dem, was sie und wie sie predigen. Es sei denn – wie unlängst passiert – einer mit eindringlicher Vehemenz es auf die Spitze getrieben hat und jetzt zur „Mäßigung“ aufgerufen wurde. Evangelisten wollen nichts anderes, als von sich weg auf Jesus hinweisen. Solus Christus!

Aber ich wüsste nicht, dass in unseren Breiten Evangelisten wie Elias Schrenk, Wilhelm Busch, Axel Kühner oder Ulrich Parzany als lebensgroße Statuen im Foyer des Reichstages oder auf einem Kirchplatz aufgerichtet wurden. Genau das passiert mit Billy Graham, der nach seinem Tod nun in Stein gehauen im Capitol in Washington einen Stehplatz aus Marmor finden soll – als einer von Hundert.

Kanzel mit Stoppuhr und Halter fürs Wasserglas

Während eines Studienaufenthaltes in Chicago Ende der achtziger Jahre bin ich einmal nach Wheaton gefahren, um dort das Billy-Graham-Museum auf dem Campus des legendären Wheaton-College zu besichtigen. Ein rotes imposantes Backsteingebäude, sechs Stockwerke hoch, weiße Plastikimitate von Fensterläden einfach ohne Scharniere an die Wand geklebt. Und dann fast nach griechischem Vorbild, das Vordach von sechs weißen Marmorsäulen getragen. So sah es jedenfalls aus. Ich hatte mir inzwischen angewöhnt, jedes Material in kirchlichen Räumen durch Klopfen einem Materialtest zu unterziehen. Es war die Retro-Epoche, wo jedes öffentliche Gebäude mit einer Old-Style-Fassade behangen war. Ich hatte es bereits geahnt, aber nun wusste ich es genau. Das waren 15 Meter hohe zylinderförmige Attrappen aus Plastik, die dem unbedarften Besucher Seriosität und solide Festigkeit vermitteln sollen. Oder war das der pure Neid des kleinhorizontigen deutschen Betrachters? Ich fand es protzig.

Im Gebäudeinneren der „Heilsweg“ künstlerisch gestaltet, Vorlesungsräume und Büros für Forschende. Unter den Artefakten fand sich auch „the pulpit“, das Pult des Evangelisten mit eingebauter Stoppuhr und Halterung für das Wasserglas. Billy Graham, der „the bible says…!“-Prediger, reiste offenbar mit eigenem Pult im Gepäck. So wie es bis heute alle US-Präsidenten tun.

Die Statue im Capitol passt irgendwie nicht zu Billy Graham. Sein Sohn Franklin hat seinen Vater posthum zum Trump-Unterstützer erklärt. Aber auf die Frage, wie ihm die Idee einer lebensgroßen Statue seines Vaters gefalle, meinte er, dass er sich sicher gewünscht hätte, dass die Menschen weniger ihm als Gott selbst mehr Ehre erweisen.

Evangelisten als versteinerte Säulenheilige? Passt irgendwie nicht. Dann lieber nach dem Vorbild Johannes des Täufers: Heuschrecken-Sorbet an Honigseim. Kamelhaarjacke mit Ledergürtel. Schnürsandalen. Und immer die Freiheit, den Tempel und die korrupte Regierung zu kritisieren, selbst wenn es ihm den Kopf gekostet hat.

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